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Bernd Eichinger - Der große Zampano des deutschen Films

Katja Eichinger über „ihren Bernd“, dessen hochtouriges Leben und ein gutes Stück deutsche Filmgeschichte

Autoreninfo

Eckhard Fuhr ist Feuilletonchef der Tageszeitung Die Welt. Zuletzt erschien von ihm „Wo wir uns finden. Die Berliner Republik als Vaterland“, Berlin Verlag

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Um Mitternacht vom 19. auf den 20. Juli 2006 kniete Bernd Eichinger in einem Haus am Wolfgangsee auf dem Wohnzimmerteppich vor Katja Hofmann nieder und hielt um ihre Hand an. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie gingen hinunter zum Bootssteg. „Bernd und ich standen nahe beieinander und tranken Rotwein und konnten beide kaum glauben, dass sich unser beider Leben gerade grundsätzlich verändert hatte. Dass unsere Wege von nun an ein Weg sein würden. Plötzlich sah ich eine Sternschnuppe. Es war der perfekte Kinomoment“, schreibt Katja, die nach der Hochzeit Katja Eichinger heißen wird.

Das steht auf Seite 517, fast am Ende des dicken Buches, das Katja Eichinger wenige Monate nach dem Tod ihres Mannes am 24. Januar 2011 zu schreiben begann. Es beginnt mit dem Abend, an dem Bernd Eichinger in Los Angeles an einem Herzinfarkt starb; als man in einem alten Mercedes durch Hollywood zu einem Abendessen mit Kollegen und Freunden fuhr, kreuzte ein Chevrolet Impala, eine Autolegende der Fünfziger, den Weg. Bernd beginnt zu erzählen, von seiner Jugend in der bayerischen Provinz, vom Internat und von den ersten Schritten zum Film. Das ist der Beginn einer vielstimmigen Erzählung von und über „den Bernd“, die von der Autorin wohl orchestriert und inszeniert, aber nicht mit dem Willen zu biografischer Deutungshoheit durchgearbeitet ist.

Katja Eichinger versucht sich Rechenschaft darüber abzulegen, mit wem sie denn da kaum mehr als vier Jahre verheiratet war. Sie gewährt dem Leser manche Einblicke in die Intimität ihrer Beziehung zu dem größten Zampano des deutschen Films. Die Autorin schiebt sich beim Blick auf „BE“ nicht in den Mittelpunkt. Am Anfang und am Ende des Buches aber reklamiert sie Bernd Eichinger für sich. „Der Bernd“ der Filmbranche ist auch „ihr Bernd“. Das ist ihr gutes Recht. Und wenn ihre Erzählung dabei selbst oft sehr nach Kino klingt, ist das diesem Stoff durchaus angemessen. Sie ist eine noch ziemlich junge Filmjournalistin, er der charismatische Produzent, Drehbuchautor und Regisseur. Da müssen Sternschnuppen, Herzflimmern und die Lichter Hollywoods erlaubt sein.

Katja Eichinger hat recherchiert, Freunde, Kollegen, Weggefährten ihres Mannes interviewt, seine Aufzeichnungen ausgewertet und das alles zu einem Epos über den deutschen Film der vergangenen vierzig Jahre montiert. Es handelt vom Aufstieg Bernd Eichingers zum Zentralgestirn dieses Universums und davon, an welchen Abgründen der Weg dieses Filmbesessenen vorbeiführte, der zwanghaft immer Vollgas gab. In der erzählerischen Verdichtung der Aktivitäten dieses Hyperaktiven liegt allerdings auch die Schwierigkeit des Buches. Wer nicht selbst in hohem Maße filmaffin ist, der hat beim Lesen bald genug von den ewigen show downs um Besetzungen, Rechte, Budgets, von den Zerwürfnissen und Versöhnungen zwischen größeren und kleineren Filmgöttern, von den Gelagen im Romagna Antica, Schumann’s oder Borchardt, von den Strömen von Alkohol und den zerdepperten Gläsern.

Katja Eichinger erzählt von Filmprojekt zu Filmprojekt, von „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, „Das Boot“, „Die unendliche Geschichte“ und „Der Name der Rose“, mit denen Eichinger den deutschen Film in den Achtzigern auch wirtschaftlich wieder nach oben brachte, bishin zu seinen großen Auseinandersetzungen mit der deutschen Zeitgeschichte „Der Untergang“ und „Der Baader Meinhof Komplex“. Und in jedem dieser Projekte ging es um „Leben und Tod“, um die wirtschaftliche Existenz sowieso, aber eben auch um künstlerische Glaubwürdigkeit und um den Anspruch, der Erste und der Größte zu sein. Das Klischee will es, dass Männer in solchen Rollen an dieser Rolle leiden, doch nicht von ihr lassen können.

Man kann Katja Eichinger nicht den Vorwurf machen, dass sie dieses Klischee bedient. Das hat Bernd Eichinger schon selbst besorgt. Aber man nimmt ihr doch nicht ganz ab, dass es im Leben eines Filmproduzenten nicht auch zähen Alltag, Routine, vielleicht sogar Langeweile gab. Immerzu existenzieller Volldampf – wer soll das aushalten? Man kann verstehen, dass für Katja die Jahre mit Bernd ein Rausch, ein märchenhafter Trip waren. Aber diesen Modus retrospektiv auf Dauer zu stellen, das lässt das Leben Bernd Eichingers vielleicht doch hochtouriger erscheinen, als es wirklich war.

Die Frauen in diesem „maßlosen Leben“ wie Hannelore Elsner und Katja Flint, Barbara Rudnik und Corinna Harfouch behandelt Katja Eichinger auf schwesterliche Weise fair. Sie verschweigt auch nicht Bernds Hang zum Rotlichtmilieu und seine beachtliche Pornofilm-Sammlung. Er war ein Erotomane und manchmal einfach ein geiler Bock. Gern wollen wir ihr glauben, dass sie ihn in dieser Hinsicht in wenn nicht stillere, so doch überschaubarere Gewässer gelotst hat. Er fand, so berichtet sie, mit ihr sogar Gefallen am Einkaufen im Supermarkt. In gewisser Weise also hat sie ihn gerettet. Daran ändert auch sein früher Tod nichts.

Katja Eichinger
BE
Hoffmann und Campe, Hamburg 2012
570 S., 24,99 €

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