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FDP - Der Liberalismus hat keine Erben

Die FDP ist aus dem Bundestag verschwunden. Weder Union noch Grüne aber bieten sich an, dem Liberalismus eine neue Heimat zu geben

Autoreninfo

Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Die Liberalen sind raus, das sagt sich leicht. Aber was ist mit dem Liberalismus? Wer kümmert sich nun um das Erbe, das die damit seit langem überforderte FDP hinterlässt? Im Bundestag wird es wohl keiner Fraktion gelingen, denn Grüne wie Union sind schon jetzt unfähig dazu. Und die außerparlamentarische AfD, die im Gegensatz zur außerparlamentarischen Konkurrenz FDP im Höhen- und nicht im Sturzflug ist, hat nur einen Teil davon im Programm, nämlich nur den Wirtschaftsliberalismus.

So könnte das staatstheoretische Fundament Deutschlands in Schräglage geraten. Seit dem ersten Bundestag, seit 64 Jahren ist die Bundesrepublik ideengeschichtlich austariert gewesen. Aus den dicksten ideologischen Schwertern, mit denen das Volk im 19. Jahrhundert und der Weimarer Zeit aufeinander einschlug, wurden drei zum Grundgerüst der Bundesrepublik. Sie bilden den Unterbau unserer Demokratie: Konservatismus – Sozialismus – Liberalismus.

Nun hat heute jede im Bundestag vertretene Partei von allem etwas und somit auch libertäre Grundwerte. Nicht einmal die Linke stellt mehr die freie Marktwirtschaft fundamental in Frage. Die SPD ist trotz aller Rhetorik eine programmatisch der Wirtschaft, vor allem der Industrie wohlgesonnene Partei. Als Arbeitnehmeranwälte ist den Genossen natürlich klar, dass sie Arbeitgeber am Ende nur so weit einhegen dürfen, wie es der eigenen Klientel nicht schadet.

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Die Grünen eignen sich nicht als Nachlassverwalter liberaler Gedanken


Die Grünen sagen seit jeher, sie beanspruchten den Platz der FDP; nun wieder. Die Wahlverliererin Katrin Göring-Eckardt formuliert daraus sogar ein Alleinvertretungsrecht: Der freigewordene Platz einer bürgerlichen Freiheitspartei könne „nur von den Grünen“ besetzt werden. Fast flehentlich fügt sie noch hinzu: „Wir müssen auch den Anschluss zur Wirtschaft wieder hinbekommen.“ Sagt sie, lehnt aber umgehend ab, dass es zu einer schwarz-grünen Bundesregierung kommen könnte.

Eindeutig hingegen verortet Winfried Kretschmann seine Partei. Kommt jetzt schnell raus der linken Ecke, ruft der Regierungschef seinen Grünen zu: „Wir können uns nicht ansiedeln zwischen Sozialdemokraten und der Linken. Dort ist kein Platz!“ Als Ministerpräsident eines der stärksten Industrieländer Europas, das Baden-Württemberg ist, will Kretschmann, dass die Grünen die FDP auch als wirtschaftsliberale Partei beerben. Göring-Eckardt weiß offenbar, dass das nicht funktionieren wird. Eine Partei, die eben noch den Donnerstag zum landesweiten Veggie-Day ausrief, soll nun für Adam Smith und „Laissez-faire“ stehen? Das ist, als würden Veganer ein Steakhaus eröffnen.

Bleibt also im Bundestag nur die Union selbst als Erbe des Liberalismus. CDU wie CSU begründen ihren Anspruch als Volkspartei seit Gründung damit, dass sie ja alle drei Strömungen in sich vereinen durch einen konservativen, einen sozialen und eben einen liberalen Flügel.

In den Medien war immer vom Absterben des konservativen Flügels die Rede. Zu Recht, denn weder die Vorsitzende Merkel noch ihr als konservativ geltender früherer Stellvertreter Roland Koch konnten schlüssig erklären, was eigentlich konservativ ist. Leichter ist da schon Liberalismus zu definieren, das Schwert mit den zwei Klingen: Auf der einen Seite der Wirtschaftsliberalismus, auf der anderen, der linken, der Sozialliberalismus.

Der soziale Liberalismus, also das, womit die FDP immer als Bürgerrechtspartei punkten wollte, hat die Union nie wirklich interessiert. Da waren und sind CDU und CSU bis heute tatsächlich konservative Parteien.  Die SPD übrigens ebenso, auf dem Gebiet der inneren Sicherheit waren die beiden Volksparteien immer untergehakt. Und der Niedergang der FDP war bereits offensichtlich bei der NSA-Affäre, die von der SPD genutzt wurde zur Konfrontation mit der Union. Hier war die FDP schon viel zu schwach und mit dem eigenen Siechtum befasst. Sie versuchte nicht einmal mehr, gegen den eigenen Koalitionspartner aufzustehen.

Auf den sozialen Liberalismus sind die Grünen scharf, wenn man so will das linke Erbe der FDP. Die Union wiederum könnte den Wirtschaftsliberalismus gebrauchen. Aber es ist sehr die Frage, ob sie dafür noch das richtige Personal hat.

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Den wirtschaftsliberalen Turbo hat die Union längt wieder abgeschaltet


Vor acht Jahren, vor der Bundestagswahl 2005, war das noch ganz anders. Angela Merkel hatte den männlichen Konkurrenten in der CDU, allen voran Friedrich Merz beweisen wollen, dass sie mindestens so neoliberal sei wie diese. Steuerreform auf den Bierdeckel, Kopfpauschale, Kirchhofs Flat-Tax – die wirtschaftsliberale FDP sah alt aus dagegen und suchte ihr Glück im „mitfühlenden Liberalismus“. Merkel verlor aber fast krachend die Wahl und schwor ab von diesem Liberalismus.

Die FDP hingegen besann sich drauf, und schwoll damit mächtig an zur wahren Oppositionspartei. Daher suchte Merkel dann 2009 ein schwarz-gelbes Bündnis: um die FDP schnell wieder klein zu machen. Die Physikerin hatte dafür ein treffendes Bild. Sie bezeichnete die FDP als „Freie Radikale“ und meinte das rein im chemischen Sinn. Die FDP sei in der Opposition gewachsen wie unvollständige Moleküle, werde ungebunden größer. Man müsse sie also anbinden, um ihr Wachstum zu verhindern - und zwar an die Union in einer Regierung.

Nun, wieder vier Jahre später, gibt es keine „Freie Radikale“ mehr im Bundestag. Der neoliberale Turbo bei der Union ist schon seit langem wieder abgeschaltet, was sicher auch ein Grund für den größten Wahlerfolg seit 20 Jahren ist.

Resolute Ordnungspolitiker, wie Merz es war und Merkel sich einst gab, sind bei der Union weit und breit nicht mehr in Sicht. Vielleicht wird unter den neuen Abgeordneten jemand dabei sein. Aber das werden nur Außenseiter sein können, egal ob groß oder schwarz-grün koaliert wird.

Den ganzen Liberalismus jedoch, den ökonomischen wie den sozialen, den will niemand weiterführen. Die fast tote FDP um Christian Lindner hofft, das könne ihr Zaubertrank für die Wiederbelebung sein.

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