- Christian Lindner verdient Respekt
Lange, zu lange für Deutschland hat Christian Lindner sich von der grün-linken Agenda seiner beiden Koalitionspartner treiben lassen. Doch was nicht geht, geht nicht und so ist es auch gekommen. Spät hat es Christian Lindner realisiert, aber er hat es. Dafür schulden wir ihm als Staatsbürger Respekt.
„Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt“ heißt es bei Schillers Piccolomini. Am gestrigen Abend war man an den Satz erinnert, nur mit der kleinen Mutation des Gehens statt Kommens. Lange, zu lange für Deutschland hat Christian Lindner sich von der grün-linken Agenda seiner beiden Koalitionspartner treiben lassen. Aus Verantwortung, die man ihm als solche auch abnehmen darf und zugleich auch ein wenig aus Lust an der Macht und dem zu Beginn vermeintlichen „Sex Appeal“ des Experiments Ampel. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, hätte Hermann Hesse wohl dazu gesagt.
Was nicht geht, geht nicht und so ist es auch gekommen. Spät hat Christian Lindner das realisiert, aber er hat es. Dafür schulden wir ihm als Staatsbürger Respekt. Respekt für den Mut, dem schon zu lange an seinem Stuhl klebendem Kanzler die Stirn geboten zu haben. Er hat ihn damit vor unser aller Augen als Gargamel-Charakter der deutschen Politik entlarvt, der die gut meinenden und bisweilen naiven Schlümpfe immer nur so lange gut behandelt, als dass sie seinen persönlichen Interessen nutzen. Das Große und Ganze ist Gargamels, alias Scholz, Sache nicht, und der längst einstudierte, vom Teleprompter abgelesene, geradezu gargameleske Abgesang des Kanzlers auf Lindner, liefert in Diktion und Inhalt den letzten Beweis dafür.
Das Land benötigt eine klare Politikwende
Christian Lindner verdient ebenso Respekt für die Klarheit der Erkenntnis, dass Deutschland sich wirtschaftlich und damit auch fiskalpolitisch in einer nur sehr schwer aufhaltbaren Abwärtsspirale befindet. Beschleunigt durch den zeitgleichen Wahlsieg von Donald Trump und des sich damit verstärkenden Drucks auf den Industriestandort Deutschland durch Zölle und allerlei Maßnahmen aus der protektionistischen Mottenkiste, werden wir in den nächsten Jahren nicht nur negatives Wachstum und damit fallende Steuereinnahmen erleben, sondern auch am Arbeitsmarkt einen spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit, mit der weiteren Folge des Drucks auf unsere, zum Teil eh nur noch mit massiven Haushaltszuschüssen über Wasser zuhaltenden Sozialversicherungen. Wolfsburg lässt grüßen.
Die strukturelle Misere Deutschlands, die durch Donald Trump in ihrer Wirkung lediglich beschleunigt und für den Letzten nunmehr sichtbar aufgedeckt wird, ist die Ursache. Und die zahlreichen strukturellen Probleme lassen sich eben nicht mit einem kurzfristigen fiskalischen Feuerwerk a la Scholz an der Wurzel behandeln, sondern nur maximal oberflächlich mit rot-grüner Farbe übertünchen. Dies springt zu kurz und wird der Verantwortung einer Regierung nicht gerecht.
Das hat Christian Lindner erkannt und dazu seine Zustimmung verweigert. Dies ist im höchsten Maße verantwortungsbewusst und im Sinne einer Nachhaltigkeit von Politik agierend. Was das Land jetzt benötigt, ist eine klare Politikwende, eine Reform-Agenda, die die fehlerhaften Weichenstellungen der Ampel von Migration bis Bürokratie schnellstens korrigiert und im Rahmen einer umfassenden und mitunter für den Einzelnen auch schmerzhaften Kur langfristig beseitigt. Das von Christian Lindner dazu in der vergangenen Woche vorgelegte Papier ist in diesem Sinne ein wertvoller therapeutischer Beitrag und sollte als solcher auch gewürdigt werden.
Scholz geht es um egoistische Interessen
Dass der Kanzler sich, einschließlich seines emotional aufgeladenen Sprechtextes, auf diesen Tag offensichtlich vorbereitet hat, könnte man wohlmeinend noch als professionell bezeichnen. Dass er dabei aber die notwendigen Konsequenzen und die Dringlichkeit derselben verweigert, entlarvt seine eigentliche, im hohen Maße unprofessionelle Motivation. Es geht ihm eben nicht um Deutschland, wie er phrasenhaft allenthalben propagiert. Es geht ihm auch nicht um die möglichst schnelle Wiederherstellung einer Handlungsfähigkeit der Regierung unseres Landes. Seine Appelle an die Verantwortung der Opposition sind in diesem Zusammenhang denn auch reine Makulatur. Nein, es geht ihm vielmehr um nichts anderes als seine ureigenen, egoistischen machtpolitischen Interessen.
Mit seinem Vorschlag, die zur Erneuerung notwendige Vertrauensfrage erst im Januar zu stellen, obgleich er sich bewusst darüber ist, dass er bereits zeitgleich mit dem gestrigen Abend das Vertrauen der Mehrheit des Parlaments verloren hat, entlarvt er dies und damit sich selbst und seinen Charakter vollends. Der Versuch, sich mit einer Minderheits- und damit Nicht-Regierung über die Weihnachtsfeiertage zu mogeln, in der Hoffnung auf ein dann entspannteres Wahlvolk und um den Termin der Hamburger Landtagswahlen, seiner Heimat, künstlich vor dem der nächsten Bundestagswahl zu schieben, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten.
Was glaubt Scholz eigentlich, wem er seine Macht verdankt? Sie ist keine Macht sui generis, sondern eine vom Souverän und seinen Bürgern geliehene; und zwar auf Zeit. Seine Zeit ist abgelaufen und dieses Bewusstsein hätte man von einem Kanzler, der die Würde des Amtes zu tragen weiß, erwarten dürfen. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen dies zu Recht von ihrem Regierungschef und im übrigen auch von Ihrem Bundespräsidenten erwarten, ja geradezu einfordern. Und sie tun dies, auch wenn sie nicht direkt darüber abstimmen können. Die Vertrauensfrage ist zur Verantwortungsfrage geworden und sie muss jetzt und nicht im Januar gestellt werden. Sie und Deutschland dulden keinen Aufschub.
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