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() Innenminister de Maizière (rechts) mit dem früheren Verfassungsschutz-Präsidenten Eckart Werthebach
BKA: Reformieren, nicht amputieren

Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zum Umbau der Sicherheitsbehörden stellt falsche Fragen und zieht fehlerhafte Schlüsse. Die geplante Zerschlagung der Strukturen zerstört die Balance zwischen Aufgaben und Verantwortung von BKA und Bundespolizei

Bei aller berechtigten Kritik ist das Bundeskriminalamt (BKA) mit verschiedenen gut funktionierenden Einrichtungen zu einem Aushängeschild Deutschlands geworden. BKA-Wissenschaftler haben bahnbrechende Forschungen geleistet, zum Beispiel auf den Gebieten der Stimmdiagnostik oder der automatisierten Fingerabdruckidentifizierung. Mit annähernd 83000 positiven Übereinstimmungen hat die DNA-Analyse einen Quantensprung der Kriminalistik bewirkt. Nun aber sollen das Amt zu einer zweitrangigen Behörde abgestuft und sein Präsident entmachtet werden. Das jedenfalls schlägt eine Kommission vor, die unter Vorsitz des ehemaligen Berliner Innensenators Eckart Werthebach von Innenminister Thomas de Maizière eingesetzt wurde, um eine im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform der Sicherheitsbehörden umzusetzen. Kriminal- und Schutzpolizei sollen zu einer „Bundespolizei (neu)“ vereint werden (insgesamt 46300 Mitarbeiter), einer Behörde also, in der das Bundeskriminalamt nur noch eine von vier Abteilungen sein wird und der BKA-Präsident nur noch als Abteilungsleiter fungieren soll unter einem Generaldirektor der Bundespolizei oder einem Bundespolizeipräsidenten im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums (BMI) (siehe Grafik Seite 34). Mit der neuen Führungsebene würde ein überflüssiger und kostenintensiver „Wasserkopf“ geschaffen. Wesentliche Überlegungen der Kommission sind schon alleine deshalb falsch, weil die Tätigkeit der Nachrichtendienste sowie die Terrorismusbekämpfung auf höhere Weisung ausgeklammert wurden, was die schwarz-gelbe Koalition ursprünglich so gar nicht vorgesehen hatte. Bis jetzt war der BKA-Präsident direkter Ansprechpartner des Innenministers – ein Ärgernis für die Ministerialbürokratie. Ein BMI-Ministerialdirigent oder Staatssekretär ist nur in Fachkreisen bekannt, ein BKA-Präsident hingegen bundesweit. Nun aber hat sich der Apparat, so scheint es, gerächt. Dem BKA sollen die Flügel gestutzt und der Präsident zum Abteilungsleiter degradiert werden. Präsident Jörg Ziercke führt das Amt seit Februar 2004. Ihm gebührt Lob dafür, die NS-Vergangenheit des Amtes offiziell thematisiert zu haben. Die Hälfte von etwa 50 BKA-Führungspersonen, die in den fünfziger und sechziger Jahren das Amt mehr schlecht als recht aufgebaut haben, waren in schlimmste NS-Verbrechen verstrickt. Ziercke veranstaltete 2008 drei öffentliche Kolloquien und setzte eine externe Historikerkommission ein – trotz des Widerstands eines Teiles seiner Mitarbeiter („Haben wir nichts Wichtigeres zu tun?“ Oder: „Das ist nicht mehr mein BKA.“). Zum Holocaust-Gedenktag 2010 organisierte die Polizeifachhochschule des Bundes im BKA eine Reihe von Veranstaltungen, Studenten erarbeiteten Fallbeispiele aus der NS-Zeit – so etwas hatte es bisher nicht gegeben. Innenminister Wolfgang Schäuble ließ Ziercke gewähren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), das noch viel tiefer im Nazisumpf steckte, wies er allerdings nicht an, genauso zu verfahren. Andererseits wurde Ziercke nicht müde, Bedrohungsszenarien an die Wand zu malen, um polizeiliche Zwangsmaßnahmen durchzusetzen. Zum Beispiel bei der Onlinedurchsuchung, die gar nicht gebraucht wird, wie man inzwischen weiß. Oder durch Angstkampagnen, um die Vorratsdatenspeicherung zu erzwingen, obwohl ihr Zweck im Zeichen der Flatrates fragwürdig ist. Ein BKA-Präsident ist immer auch ein Getriebener seiner Abteilungsleiter, die häufig Hardliner sind und ihr Instrumentarium ständig optimieren wollen. Und denen manchmal die Einsicht fehlt, dass ein Bodensatz an Kriminalität für eine Gesellschaft ebenso bedauerlich wie normal ist (ihn restlos beseitigen zu wollen, würde den Überwachungsstaat bedeuten). Künftig unterstehen dem BKA-Präsidenten aber gar keine Abteilungsleiter mehr, er ist selbst zu einem solchen degradiert worden. Die damit verbundenen organisatorischen Veränderungen beruhen auf der fehlerhaften Prämisse, dass demnächst das BKA nur noch strafverfolgend und die Bundespolizei ausschließlich präventiv-polizeilich tätig werden sollen. In der Realität jedoch führt der bereits vollzogene Ausbau des präventiven Sicherheitsstaats dazu, dass das BKA in der Terrorismusbekämpfung weiterhin seine Kompetenzen der Gefahrenabwehr wahrnehmen wird, präventive Ermittlungen ohne Anfangsverdacht und ohne staatsanwaltschaftliche Aufsicht zu führen. Die Werthebach-Kommission hat homogen gewachsene ineinandergreifende Abläufe im BKA und bei der Bundespolizei rücksichtslos getrennt und der jeweils anderen Sparte zugewiesen. Sie machte außerdem den Fehler, Organisationen nur in der vertikalen Hierarchie von oben nach unten zu beurteilen, ohne die Querverbindungen in der horizontalen Ebene zu beachten, die in einer Vernetzung durch formelle und informelle Arbeitsabläufe erst die Ergebnisse optimieren. Lesen Sie im zweiten Teil, welche Reformen die Kommission vorschlägt und welche Fehler diese aufweisen.

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