- Ex Italia Lux?
Eine Konsolidierung im europäischen Bankensektor ist überfällig. Die italienische UniCredit hat nun Interesse an der deutschen Commerzbank bekundet. Für eine solche Übernahme ist sie besser aufgestellt als die großen Privatbanken hierzulande.
Man könnte meinen, alle Erleuchtung zur Vollendung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion käme aus Italien. Im Jahr 2010 legte der frühere italienische Premierminister Mario Monti EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso einen Bericht über eine neue Strategie für den Europäischen Binnenmarkt vor. Zwei Jahre später rettete der Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi mit den Worten „whatever it takes“ den Euro und stellte die EZB als Kreditgeber der letzten Instanz für überschuldete Staaten auf.
Im Frühjahr 2024 rief der ehemalige italienische Premierminister Enrico Letta in einem Bericht an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Vollendung des Binnenmarktes auf. Dort plädierte er auch für eine weitere Integration der Finanzmärkte und die Beseitigung nationaler Barrieren, die grenzüberschreitende Bankgeschäfte verhindern. Dies würde wiederum größere Finanzstabilität und ein größeres Vertrauen in das Bankensystem schaffen, insbesondere im Kontext eines einheitlicheren europäischen Finanzmarktes.
Internationale Geschäftstätigkeit erleichtern
Im Sommer dieses Jahres berichtete der ehemalige EZB-Präsident und italienische Premierminister Mario Draghi an Ursula von der Leyen über die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Er unterstrich die Notwendigkeit einer grenzüberschreitenden Konsolidierung des Bankensektors im Euro-Währungsgebiet als Teil einer verstärkten Finanzintegration. Damit würde die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Risikoteilung und Fähigkeit zur Unterstützung europäischer Unternehmen verbessert. Für grenzüberschreitend tätige Banken sollte ein besonderer Regulierungsrahmen geschaffen werden, um sie in Krisenzeiten vor regulatorischer Abschottung zu schützen und so die internationale Geschäftstätigkeit zu erleichtern.
Dem könnte man hinzufügen, dass bei Finanzgeschäften wie der Kreditvergabe oder Abwicklung des Zahlungsverkehrs Banken in Zukunft eine geringere Rolle und Kapitalmärkte sowie sogenannten „Nicht-Banken“ (wie Visa oder MasterCard) eine größere Rolle spielen werden. Die Folge des Rückgangs in der Nachfrage nach klassischen Bankdienstleistungen ist eine Schrumpfung des Bankensektors, die zur Verringerung der Kosten zu weniger und größeren Banken führen muss. Und auch dieser Prozess wird anscheinend aus Italien heraus vorangetrieben.
Bei einer Auktion zum Verkauf eines Pakets von Aktien der Commerzbank im Besitz des deutschen Staats am 10. September verdoppelte die italienische Bank UniCredit ihren Aktienanteil auf 9 Prozent und gab bekannt, dass sie an einer Übernahme der deutschen Bank interessiert wäre. Andrea Orcel, CEO von UniCredit, erklärte, dass die Verbindung die Wettbewerbsfähigkeit beider Banken gegenüber ihren amerikanischen und asiatischen Konkurrenten verbessern würde: „Ich denke, das Endziel ist das, worüber alle reden: Europa braucht stärkere Banken. Europa braucht grenzüberschreitende (Banken) ... damit wir ein Wirtschaftsblock sind, der sich gegenüber den USA und China behaupten kann.“
Logik der Vergemeinschaftung der Währung
Wie kaum anders zu erwarten, forderte sowohl der Betriebsrat der Commerzbank als auch die Gewerkschaft Verdi die Bundesregierung auf, die Übernahme – von Orcel als „Verbindung“ verbrämt – wegen des befürchteten Verlusts von Arbeitsplätzen zu verhindern. Doch die Regierung wurde von der Aktion auf dem falschen Fuß erwischt und erscheint nun ratlos. Tatsächlich ist sie in einer Zwickmühle. Zwar kann sie dem Ruf nach einer Konsolidierung im europäischen Bankensektor kaum widersprechen. Schließlich folgt dies der Logik der Vergemeinschaftung der Währung, zu der sich Deutschland von Frankreich, dem die starke D-Mark ein Dorn im Auge war, hat überreden lassen. Aber dass die Konsolidierung von einer italienischen Bank angestoßen werden soll, stößt der Bundesregierung jetzt anscheinend übel auf. Zur Vermeidung einer weiteren Aufstockung der Beteilung von UniCredit an der Commerzbank hat sie erklärt, dass sie vorerst keine weiteren Aktien der Bank verkaufen will.
Lieber hätte es die Bundesregierung wohl gehabt, wenn die Initiative zur Konsolidierung von deutschen Banken ausgegangen wäre. Doch diese sind dafür kaum in der Lage. Die Aktienmarktkapitalisierung von UniCredit ist um mehr als die Hälfte größer als die von Commerzbank und Deutscher Bank zusammen. Da Aktien eines Unternehmens oft zur Bezahlung der Übernahme eines anderen eingesetzt werden, stärkt dies die Kaufkraft von UniCredit.
Auch hat UniCredit ein deutlich niedrigeres Verhältnis von Kosten zu Einkommen und eine wesentlich höhere Eigenkapitalrendite als die beiden deutschen Privatbanken. Dies schlägt sich in einer vorteilhaften Bewertung der Aktien von UniCredit mit einem Verhältnis von Marktpreis zu Buchwert von eins nieder, während die Commerzbank nur auf 0,6 und die Deutsche Bank auf gerade mal 0,4 kommen. Das Verhältnis von unter eins zeigt an, dass der Aktienmarkt die Zukunft der deutschen Privatbanken skeptisch sieht. Beim Übergang zu UniCredit könnten die Aktionäre der Commerzbank daher gewinnen.
Kernkompetenz der Commerzbank
Ein Grund für die Stärke von UniCredit ist die schon vor mehr als 30 Jahren durchgesetzte Konsolidierung des italienischen Bankensektors. Im Jahr 1993 einigte sich die italienische Regierung mit der EU-Kommission auf die Privatisierung öffentlicher Banken. Die zunächst öffentlichen Trägerstiftungen wurden in private Stiftungen umgewandelt und 1998 gezwungen, ihre Mehrheiten an den Bankaktiengesellschaften zu veräußern.
Die Folge davon war, dass eine Vielzahl von Sparkassen in den zwei großen Aktiengesellschaften Unicredit und Intesa Sanpaolo aufging. Im Gegensatz zu Deutschland, wo eine große Zahl vergleichsweise renditeschwacher öffentlicher Sparkassen und Genossenschaftsbanken den Privatbanken das Leben schwer macht, sorgt der Druck des Aktienmarkts in Italien für eine größere Effizienz und Rentabilität der Banken.
Ein weiterer Grund ist die Führungsqualität von Andrea Orcel. Nach seiner Ernennung zum CEO im Jahr 2021 setzte Orcel die Strategie „UniCredit Unlocked“ um, die sich auf die Vereinfachung des Betriebs, die Verbesserung der Effizienz und die Steigerung der Rentabilität konzentrierte. Die Geschäfte der Bank in den verschiedenen europäischen Märkten wurden mit dem Ziel der digitalen Transformation und der Optimierung des Kapitaleinsatzes vereinheitlicht und zentralisiert.
Unter Orcels Führung hat UniCredit durchweg gute Finanzergebnisse erzielt, darunter einen Rekord-Nettogewinn von 8,6 Milliarden Euro im Jahr 2023, dem besten Jahr der Bank überhaupt. Orcel sorgte auch für eine gute Rendite für die Aktionäre durch umfangreiche Aktienrückkäufe und Dividenden. Dies stärkte das Vertrauen der Anleger und brachte ihm dieses Jahr den von Euromoney verliehenen Titel des „Banker of the Year“ ein. Dabei wurde UniCredit auch als beste Bank für kleine und mittlere Unternehmen in Westeuropa ausgezeichnet, einem Geschäftsfeld, das die Commerzbank als ihre Kernkompetenz betrachtet.
Übernahme der Commerzbank
Wie man es auch dreht und wendet: Eine grenzüberschreitende Konsolidierung im europäischen Bankensektor ist überfällig, und UniCredit ist besser aufgestellt als die großen deutschen Privatbanken, um damit zu beginnen. Warum sollte sie also nicht die Commerzbank übernehmen dürfen? Dagegen spricht vor allem die deutsche Angst vor Veränderungen, die Abneigung gegen „schöpferische Zerstörung“ (über die ich schon geschrieben habe) und das krampfhafte Festklammern am Status quo.
Diese Befindlichkeit – gepaart mit einem beinahe komisch anmutenden Patriotismus, für den man sich sonst lieber schämt – sorgt für den weiteren Abstieg Deutschlands, weil sie die Anpassung an eine sich schnell ändernde Welt verhindert. So gesehen ist die Frage, ob die deutschen Behörden die Übernahme der Commerzbank durch die UniCredit verhindern, mehr als eine Fußnote im Bemühen um die Vollendung des Binnenmarkts und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Denn damit ist auch die Frage nach der Zukunftsfähigkeit Deutschlands und der EU verbunden.
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Gäbe es eine solche Aktie, so würde ich vorerst keine kaufen - der Risikofaktor wäre schwer kalkulierbar.
Sehr niedrige Kosten aber von den Bewertungen her gesehen übelste Kommentare und votings .
(Anleihen-) Milliarden von Draghi, "whatever it takes .." und vom 700 Mia Wiederaufbaufond Corona zu der starken Kapitalisierung der UniCredit Bank führten, dass diese Bank jetzt so solide dasteht.
Kein Plan.