Ukrainische Soldaten an der Einfahrt ins Gebiet Cherson, kurz nach der Rückkehr von der Frontlinie / Moritz Gathmann

Ukraine-Krieg - Gegen alle Widerstände

Beflügelt von militärischen Erfolgen gehen die Ukrainer in den Winter. Doch der Preis, den das Land menschlich und wirtschaftlich zahlt, ist hoch. Hält die Ukraine das durch?

Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Wie eine Wachspuppe liegt er im Grasstreifen am Straßenrand, der russische Soldat, das Gesicht mit dem kurz geschnittenen Bart gen Himmel gerichtet. Ohne erkennbare Verletzung, und doch seit drei Tagen tot. „Warum bist du hierhergekommen?“, fragt ein ukrainischer Soldat, der vom Checkpoint herübergekommen ist, das Gewehr geschultert, russischsprachig, aus der Stadt Makejewka unweit von Donezk. „Du könntest zu Hause auf dem Sofa sitzen, stattdessen liegst du jetzt hier.“
Auf der Straße am Ufer des Flusses Dnjepro, ukrainisch Dnipro, brausen an diesem Tag Panzer, Truppentransporter, Artilleriegeschütze, Autos mit Soldaten in Richtung Front: Anfang Oktober ist der ukrainischen Armee gerade an dieser Stelle ein Durchbruch in das russisch besetzte Gebiet Cherson nördlich des Dnipro gelungen, Hunderte Quadratkilometer wurden in wenigen Tagen befreit. Für das Einsammeln der getöteten russischen Soldaten war keine Zeit; die Überreste mehrerer von ihnen liegen auf der Straße.

Acht Monate nach dem Beginn des russischen Überfalls hat die Ukraine sich gefangen: Die russische Armee macht nur noch minimale Fortschritte im Raum Donezk, an anderen Frontabschnitten rückt die ukrainische Armee seit Wochen vor. Im September befreite sie zuerst im Osten das gesamte Gebiet Charkiw und dringt seitdem auf Donezk und Luhansk vor. Im Süden gelang den Ukrainern ein überraschender Vorstoß ins Gebiet Cherson, der die russische Armee kurz- bis mittelfristig dazu zwingen wird, das Gebiet nördlich des Flusses Dnipro aufzugeben. Die erfolgreiche Attacke auf die Brücke vom russischen Festland auf die Halbinsel Krim, über die eben jene russischen Truppenteile im Süden der Ukraine versorgt werden, macht ihre Situation nicht besser.
Doch der Preis, den die Ukraine zahlt, ist hoch.

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Maximilian Müller | Sa., 12. November 2022 - 21:45

Was die Konservativen im Westen nicht zu begreifen scheinen: Ein Sieg der Ukraine ist ein Sieg der sozialistisch-woken Bewegung im Westen. Es geht dem Westen doch primär gar nicht um die Menschen dort, es geht auch nicht um Gebietsgewinne, das ist reine Heuchelei und Propaganda. Es geht um die Vormachtsstellung der ideologischen Systeme. Russland verteidigt konservative Werte und den Nationalstaat, der Westen steht für Wokeness und Globalismus. Deshalb framed man Baerbocks Gehampel als "feministische Außenpolitik" und deshalb sind es auch die Linken, die nach Intervention und Erstschlag schreien. Und selbst Putin hat diesen Krieg als einen kulturellen Krieg bezeichnet. Und auch wenn im Grunde die USA diesen Krieg führt, wird die EU einen ukrainischen Erfolg als einen Sieg der Gutmenschenbewegung verkaufen und als Begründung für den Ausbau linker Machtpositionen hernehmen, national und international. Nichts wäre für uns schlimmer als ein ukrainischer Sieg.

Gerhard Lenz | So., 13. November 2022 - 11:56

Antwort auf von Maximilian Müller

es sei Fasenacht. Die Narren scheinen unterwegs....

Zitat:

"Ein Sieg der Ukraine ist ein Sieg der sozialistisch-woken Bewegung im Westen! "

Oder, am Ende des überaus "erbaulichen Textes" der wie üblich vollgestopft ist mit rechtsextremistischer Kampfrhetorik:

"Nichts wäre für uns schlimmer als ein ukrainischer Sieg!"

Übersetzt heisst das: Hoffen wir alle, dass Putins Überfall auf die Ukraine erfolgreich ist, dass der Bluthund im Kreml am Ende die Oberhand behält. Denn es wäre schlimm für uns, würde sich die Ukraine gegen den Aggressor erfolgreich verteidigen!

Putin muss einfach gewinnen, sonst wäre das ein Trumpf für die USA, die EU, Gendergedöns usw.

Muss man sowas eigentlich noch kommentieren?

Wahrscheinlich nicht. Das spricht für sich selbst.

Bei solchen Kommentaren frage ich mich immer: Kommt das wieder direkt aus St. Petersburg? Oder gibt es dermaßen verblendete Menschen tatsächlich?

Letzteres stimmt wohl: Ein paar Alt-Linke und jede Menge Rechte, im Umfeld der AfD.

Karl Kuhn | So., 13. November 2022 - 12:10

Antwort auf von Maximilian Müller

statt einer langen Antwort empfehle ich die Lektüre dieses Artikels in Spiked Online: The liberation of Kherson should inspire us all.

Russland steht für Imperialismus und gegen nationale Selbstbestimmung. Und wenn Stalinismus für Sie konservative Werte verkörpert, haben Sie etwas nicht ganz verstanden.

Brigitte Simon | So., 13. November 2022 - 20:31

Antwort auf von Maximilian Müller

Das ist auch meine Sichtweise. Aber auch ein zweischnei-
diges Schwert. Selenskyj´ Niederlage würde Deutschland
von Abermillionen Ukrainer überfluten.

Friedensgespräche zwischen Selenskyj und Putin sind ein
Muß. Auch Biden verliert seine Geduld mit Selenskyj´s
arroganter Weigerung, sich am Verhandlungstisch,
Angesicht zu Angesicht, mit Putin zu diskutieren.

Bidens Warnung des bevorstehenden russischen
Überfall - wie er seit Jahren erwartet wurde -
ignorierte S. Der Krieg ist noch nicht vorbei.
S benötigt noch Zeit. Für ihn gilt "Wer etwas verbockt, verletzt
damit sein Ego und sein Selbstbild. Dieser Schmerz
scheint fü ihn das zentrale Problem zu sein.

S wollte die Oligarchen (auch sich?) zerstören, die Korruption
bekämpfen und den Krieg beenden. Nichts davon hat er eingelöst.

Wird Herr Gathmann den Ukraine-Krieg weiterhin in seiner aufge-
bläht apokalyptischer Sprache kommentieren? Nüchterne Analysen
wären Lichtblicke.

Gabriele Bondzio | So., 13. November 2022 - 09:13

Fast richtig, Herr Gathmann. Man(n) kann das aber nicht generell sagen.
Es gibt auch in der Ukraine Gewinner aus diesem Krieg.

Die einfachen Menschen zahlen diesen Preis.
Wenn es auch in der Ukraine besonders hart zuschlägt, so kurz vor dem Winter.
Mit zerstörter Infrastruktur, Wohnungen und vorallem mit dem Leben und Gesundheit.

Sind auch Menschen auf der ganzen Welt (Europa bis Afrika) von diesem (für mich unsinnigen) Krieg betroffen.
Ein Unding auf unserer heutigen Zivilisationsstufe, eingedenk der Geschichte, entgegen allen schönen Reden in der Politik.

Während die einen leiden, wird andererseits große Kasse mit Kriegsdividenden gemacht.
z.B.
"Die Aktionäre des Konzerns E.ON/Uniper kassieren jetzt doppelt: Unterstützung für alle grün getünchten Energieträger und obendrein 40 Milliarden Verlustübernahme für die fossilen Energieträger. Da könnten sich selbst US-amerikanische Ölkonzerne noch eine Scheibe abschneiden."(Große Kasse mit Kriegsdividenden)

Albert Schultheis | So., 13. November 2022 - 09:28

Auch Ihnen dürfte es nicht entgangen sein, dass dieser Krieg in der Ukraine eigentlich nicht der Krieg der Ukrainer ist. Der Mess-ias im nervigen Camouflage-Kostüm ist lediglich eine zweifache Marionette - zweitens, der neuen Oligarchen, die durch den gewaltsamen Putsch mit Hilfe der Amis 2014 in Kiew an die Macht gespült wurden und damit, erstens, der Amis, der eigentlichen Strippenzieher. Damit ist dieser Krieg eigentlich nicht einmal Putins Krieg: er ist der Ukraine und Russland von den USA - und als rückgratlose Vasallen, von der EU und Deutschland aufgedrängt, ja, aufgezwungen worden. Deswegen werden die Ukraine zuallererst und Russland zum Zweiten die großen Verlierer sein, weil ihre jungen Männer dort elend verbluten, die Ukraine zerstört wird. Es wird ein Krieg sein, der - egal wie er ausgeht - nur Verlierer kennen wird. Aber Russland und die Ukraine sind "primitiv", "Traditionen verhaftet", daher werden sie überleben. Der Westen wird in seiner surrealen wokeness untergehen!

Rußland und der Ukraine von den USA - und als rückgratlose Vasallen, von der EU und Deutschland aufgedrängt.

Sag' ich doch immer: Putin mordet, bombardiert, zerstört, lässt entführen und vergewaltigen - aus reiner Notwehr!
Und der Präsident des überfallenen Landes - Zitat "Mess-ias im nervigen Camouflage-Kostüm, lediglich eine zweifache Marionette" ist der eigentlich Verantwortliche und trägt weitaus mehr Schuld als der ehrenwerte Mann im Kreml, der doch nur traditionelle Werte gegen den dekadenten Westen - mit der Ukraine als Speerspitze - verteidigt.

IRONIE ENDE

Manchmal kann man sich nur an den Kopf greifen. Es wird ja viel Unsinn geredet, wenn der Tag lang ist, aber scheinbar noch mehr geschrieben...

Und das im Forum eines Magazins, das doch einen gewissen Anspruch hat....oder hatte?

Jochen Rollwagen | So., 13. November 2022 - 12:47

Die Frage ist nicht: hält die Ukraine das durch. Die Ukraine hat auch den Stalin'schen Holodomor durchgehalten. Dagegen ist Herr Putin ein Suppenkasper.

Die Frage ist: hält der Westen das durch. Großbritannien ist bereits offiziell Pleite. Deutschland bei realistischer Betrachtung ebenfalls. Die USA sowieso, die EU bankrott. Die Milliarden sind weg, versenkt im schwarzen Loch Ukraine.

Die Antwort ist also: eher nicht.

Kai Hügle | So., 13. November 2022 - 21:22

Antwort auf von Jochen Rollwagen

Ja, der Westen ist pleite, die Ukraine und die NATO haben seit Juli keine Munition mehr und Russland erobert eine Stadt nach der anderen.

Nie aufgeben, Herr Rollwagen, das wird schon noch…

Jens Böhme | So., 13. November 2022 - 13:31

Ukraine befindet sich durch den Überfall Russlands in der Kriegswirtschaft, ähnlich Großbritannien zwischen 1940 und 1945.

Heidemarie Heim | So., 13. November 2022 - 14:57

Es ist schön lieber Herr Gathmann wieder von Ihnen zu hören! Und vor allem, dass es Ihnen den Umständen entsprechend gut geht. So sehr mir Ihre Schilderungen des Kriegsalltags und der davon betroffenen Menschen, Zivilisten wie militärischen Verteidiger an die Nieren gehen, noch fassungsloser lassen mich inzwischen einige der auch hier im Forum dazu verfassten Kommentare zurück. Die in allen Kriegen angewandte systematische Vergewaltigung von Frauen, Folter und Misshandlungen von denunzierten Zivilisten und gegnerischen Soldaten und sonstigen Verbrechen nennt ein Mitkommentator also die Verteidigung einer konservativen Kultur im Kampf gegen den woken Westen und Globalismus. Ich denke, es geht um die Entnazifizierung der Ukrainerinnen und Ukrainer? Mein Opa väterlicherseits wurde von den Alliierten ebenfalls entnazifiziert indem er seinen Beamtenstatus einbüßte, aber die russische Methode scheint da wohl andere Vorgehensweisen zu beinhalten. Und das am Volkstrauertag! Pietät Fehlanzeige!

gathmann | So., 13. November 2022 - 16:54

Antwort auf von Heidemarie Heim

Ich danke Ihnen von Herzen, Frau Heim. Und auch den anderen Kommentatoren hier im Forum, die dem Geschreibsel widerstehen, das mich zuweilen doch an der menschlichen Vernunft zweifeln lässt.

Beste Grüße

Moritz Gathmann

Wilhelm Herbst | So., 13. November 2022 - 21:07

Trotz der Siegesmeldungen und Erfolge werfen wir als Leser einen Blick darauf, wie es einzelnen Ukrainern, Städten, Firmen und Wirtschaftszweigen ergeht und wie die wirtschaftliche Landkarte sich verändert. Das sind erhellende Beschreibungen. Die Frage, ob die Ukraine das durchhält, beantworten Sie nicht direkt. Vielleicht steht die Antwort im Titel: Gegen alle Widerstände wird die Ukraine - man muss sagen hoffentlich - durchhalten. Die Kommentare sind teilweise seltsam. Man möchte schon - wenn man die Power dazu hat - sich mit manchem Auge in Auge repektvoll bei einem Glas Wein unterhalten, um zu erfahren, was die Hintergründe solcher Äußerungen sind. Die betreffenden Äußerungen sind jedoch dermaßen absurd, dass man sich Fragen muss, ob ein Austausch überhaupt Sinn macht. Sinn machen Ihre Artikel m. E. auf jeden Fall. Vielen Dank dafür.