- Wo Gott selbst mitspielt
Mehr als 2000 Mitwirkende, über 100 Vorstellungen, eine halbe Million Zuschauer aus aller Welt, die vom Leid Christi erfahren wollen: Die noch bis Oktober stattfindenden Oberammergauer Passionsspiele sind ein Theaterwunder – und das Gegenteil einer Laienaufführung.
Das oberbayerische Dorf Oberammergau hat im Jahre 1632 ein Gelübde abgelegt. Wenn die Pest das Dorf verschont, so wollen seine Einwohner alle zehn Jahre die Passionsgeschichte aufführen. Im Jahr 1633 wurde das Gelübde zum ersten Mal mit einer Aufführung der Leidensgeschichte Jesu eingehalten, und seitdem hat die Pest keinen Einwohner von Oberammergau mehr dahingerafft. So sagt die Legende. Seitdem haben sich die Oberammergauer an ihr Gelübde gehalten und die Passionsspiele alle zehn Jahre aufgeführt. Es gab bisher nur zwei Unterbrechungen. Einmal wurde wegen der vielen Opfer des Ersten Weltkriegs die Aufführung von 1920 auf 1922 verschoben. Und 1940 fiel die Passion wegen des Zweiten Weltkriegs aus.
Im Jahr 2020 wäre es wieder so weit gewesen, und die Vorbereitungen liefen wie seit fast 400 Jahren. Bereits ein Jahr vor der Premiere wurde der Haar- und Barterlass ausgehängt. Hierin werden alle Oberammergauer aufgefordert, sich nicht mehr die Haare und Bärte zu schneiden, wenn sie denn als jüdisches Volk auf die Bühne wollen. Von diesem Erlass sind nur die Darsteller der Römer ausgenommen, denn bekanntlich haben die historischen Römer sich rasiert und fielen durch ihre scharf geschnittenen Frisuren auf. Doch 2020 war alles anders. Die Corona-Epidemie zog von China aus durch die Welt. Und so kam es zu der bösen Pointe, dass die Passionsspiele, die einst zur Abwehr der Pest erfunden wurden, einer Seuche des 21. Jahrhunderts zum Opfer fielen.
Cicero Plus weiterlesen
-
Monatsabo0,00 €Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQsAlle Artikel und das E-Paper lesen
- 4 Wochen gratis
- danach 9,80 €
- E-Paper, App
- alle Plus-Inhalte
- mtl. kündbar
-
Ohne Abo lesenMit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte. Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.
Schilderung der Passionsspiele, die ich in der Tat für eine Art Laiendarstellung mit Lokalkolorit hielt; zumindest die Bilder wirkten so.
Herr Stegemann erweckt in sener Schilderung der Abläufe eine wahrscheinliche Vergangenheit und mögliche Zukunft der Geschichten um Jesus von Nazareth.
Diese Interpretation gefällt mir sehr gut, mit einer Ausnahme:
Ich habe nie angenommen, dass Christus gegen die jüdische Religion "kämpfte".
Das würde so gar nicht zu dem Bild passen, dass doch wohl diese Passionsgeschichte übermitteln will.
Er wollte eher den jüdischen Glauben vertiefen und weitere möglichen Dimensionen aufzeigen.
Dieser "Wahnwitz" zu glauben, dass das Christentum etwas ganz anderes sagt als das Judentum oder andere Religionen. Ich denke, das Christentum erzählt weiter, nimmt einen Faden der Gottessehnsüchte auf und spinnt ihn weiter.
Damit antwortet Christus auf das, was viele bewegt/e.
Ich glaube nicht, dass er das beabsichtigte, aber ich glaube, dass ihn seine Jünger erkannten...
dass es auch in Europa Gegenden gab, in denen sie getragen wurden.
Es spricht auch nicht per se dagegen, dass Christus ursprünglich Römer gewesen sein könnte.
Jedenfalls dürfte er in Israel mit europäischem Denken in Berührung gekommen sein.
Wie auch immer, es fehlen Möglichkeiten, dies evtl. genauer zu untersuchen?
Ich hänge nunmal nicht so sehr der Idee an, dass ein Prophet im eigenen Lande nichts gilt; ich denke eher, gerade da...
Eine ganz spannende Geschichte.
Ab wann haben Propheten im Alten Testament eigentlich Heiligenscheine ?
Woher kommt dieser Brauch?
Sehr schöner Blick auf eine alte Legende, werter Herr Stegmann.
Bzw. die Schilderung einer faszinierende Verbindung von Religion und Theater.
Gehöre selbst keiner Glaubensrichtung an.
Beim Christentum bin ich der Meinung, dass seine Anhänger, besonders Jene welche "Anleitend" tätig sind.
Öfter mal die Bibel lesen sollten, es gibt sehr oft einen offensichtlichen Bruch zwischen Lehre und Gelebten.
Jesus (so wie überliefert) würde sich in den heutigen Kirchen mit ihrer Macht-Konzentration und Ausübung des Glaubens, ...nicht wohlfühlen.
Das wird die Kirche an sich nicht mehr retten. Sie ist dem Untergang selbstverschuldet geweiht. Wann nehmen die Jesus endlich vom Kreuz und besinnen sich auf den Glaubensursprung und benutzen Gottes Sohn nicht nur zur Vermarktung? Nichts gegen die Gläubigen und ihre Mühen, aber kritische Kirche entsteht so nicht mehr. Die vielen Austritte und nicht nur wegen der Kirchensteuer, wird die Amtskirche nicht mehr retten. Wer einem religiösen Glauben allein vertraut und nicht sich selbst, ist und bleibt abhängig. Man kann an Gott glauben, ohne diesem Verein beizutreten. Gott ist in jedem von uns selbst, wir müssen ihn nur erkennen und leben. Und da jeder mit sich selbst täglich eine große Aufgabe zu bewältigen. Jedenfalls ist und war die Kirche während Corona kein Anlaufpunkt für ihre Gläubigen. Im Gegenteil, die haben alles widerspruchslos mitgemacht und einige von ihnen mit ihren Äußerungen gar noch befeuert. Auch diese Spiele werden gecancelt werden. Die UNION hat bereits damit begonnen.