- Eine Hose ist eine Hose ist eine Hose
Auch jenseits des Skandals um antisemitische Werke bleibt kein Raum mehr für das Geheimnis der Kunst: Die 15. Ausgabe der Documenta in Kassel ist in ihrem Kern Politik. Und feiert das gemeinsame Abhängen für das einwandfrei Gute und das belanglose Schöne. Die Veranstaltung gleicht eher einem quirligen Kirchentag als einer Kunstausstellung.
Vermutlich ist es nur dies: ein Trockner, ein Spülbecken, eine Waschmaschine. Mehr ist es nicht. Eine Wäscheleine, die eine Wäscheleine ist, und Weichspüler als Weichspüler. Da ist kein semantischer Überschuss; nicht mal ein Fitzelchen, das über sich selbst hinausweist. Da sind die weißen Kleidungsstücke, die schlaff auf der langen Schnur hängen; da ist der herrenlos herumstehende Wäschekorb. Alles ist sich selbst genug. Eine Hose ist eine Hose ist eine Hose, möchte man in Anbetracht dieser doch kargen Sachlage mit der Autorin und profunden Kunstkennerin Gertrude Stein ausrufen. So ein weiterer Alltagsgegenstand eben, den man zum friedlichen Leben gelegentlich braucht.
Iswanto Hartono, Mitglied des indonesischen Künstlerkollektivs Ruangrupa, schaut auf dieses kleine Ensemble banaler Dinge und ist sichtlich zufrieden. Was benötigt man schon mehr als eine gute Prise Feinwaschpulver? Zumal ja auch die am oft schon ausgerufenen Ende der Kunst irgendwann ins Museum wandern könnte. Unter der Inflation des Ausstellbaren kann mittlerweile alles zum Kunstobjekt und zum Exponat anwachsen.
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Danke für diese Betrachtung, Herr Hanselle, genau so habe ich letzte Woche meinen 3tägigen Dokumentabesuch in Kassel empfunden: in der Hauptsache wie den Gang durch eine Aneinanderreihung von (hier sehr ausladenden) Infoständen, wie sie samstags oft in der Fußgängerzone, z.B. von München, anzutreffen sind, ob von Palästinensern, Kurden, Feministinnen oder Abtreibungsgegnern wie -befürwortern. Auch beim Besuch von Eine-Welt-Läden begegnen einem und einer diese Themen.
Ausgenommen ist für mich die Großinstallation "Poem of Pearls - a Piece from Paradise" von Birthe Blauth in der Elisabethkirche gegenüber der Dokumentahalle, die verblüffende Spiegeltüren-Installation im Gebäude an der Hafenstraße, Ortsteil Bettenhausen und die vom Palästinakollektiv künstlerisch "aktualisierten" Klassiker solcher Meister wie van Gogh, Marc Chagall und anderen.
Ansonsten zeigt "det Janze" m. E. die noch größere Rat- und Hilflosigkeit plus materielle Dürftigkeit "des globalen Südens": es ist, wie´s ist!
Selbstverständlich ist das Kunst: ein 42-Mio.-Budget für kollektive Chill-Erfahrungen loszueisen. Das ist so wohl nur im Deutschland-hat-Dich-lieb-Reich möglich.
aber Sie beschreiben es doch ganz anders? Als Geheimnis des Lebens, noch Kunst:)?
Mag sein, dass sich manche einen Kurzschluss zwischen Leben/Kunst und Politik wünschten, aber diesen "Gefallen" haben ihnen die Künstler vielleicht gar nicht getan?
Dazu muss man natürlich die Bildsprache und die Qualität der Kunst"objekte" begreifen und beurteilen können. Notizzettel, da könnte man immerhin auch eine Parallele zu Umberto Eco sehen, "Das Foucaultsche Pendel" (Weltsprache)?
Wenn ich Ihren Artikel bedenke, Herr Hanselle, dann bietet diese Documenta vielleicht die ungeheure Chance, das Lebendige und also das Geheimnis dieser Welt zu erfahren, das einfacher nicht sein könnte? Es würde mir Hoffnung geben.
Danke für die Einblicke.
Schön, dass Kassel es alle 5 Jahre versucht.
Meine große Liebe werden dennoch der Park Wilhelmshöhe und die Rembrandts im Schloß bleiben.
Wohl fühlte ich mich auch in Helleböhn...