Emojis
Noch kürzer als mit Emojis kann man sich kaum ausdrücken / dpa

Der Flaneur - „GaLieGrü!“ oder die Wonnen des Abkürzens

Lol, der Promi fliegt vom BER ab. In der deutschen Sprache wird fleißig abgekürzt. Selten ist es schön; manchmal sogar am Ziel vorbei. Unser Flaneur Stefan aus dem Siepen über den Sinn und Unsinn der sprachlichen Ökonomie.

Stefan aus dem Siepen

Autoreninfo

Stefan aus dem Siepen ist Diplomat und Schriftsteller. Von ihm erschien zuletzt im Verlag zu Klampen „Wie man schlecht schreibt. Die Kunst des stilistischen Missgriffs“. (Foto: © Susanne Schleyer / autorenarchiv.de)

So erreichen Sie Stefan aus dem Siepen:

In den achtziger Jahren warb die Post mit dem treuherzigen Spruch „Schreib mal wieder!“, denn die Deutschen verschickten immer weniger Briefe und Postkarten. Auf eine Weise, die sich niemand hat träumen lassen, ist der Wunsch in Erfüllung gegangen: Dank Facebook, Whatsapp und Konsorten wird heute mehr geschrieben denn je. Die Leute tippen so viele Nachrichten in ihre Handys, dass längst eine Gegenbewegung eingesetzt hat: die Abkürzungswut. Wer des überbordenden Schreibpensums Herr werden will, dem bleibt nichts übrig, als seine Zuflucht zu Kürzeln zu nehmen. Es gibt sie en masse: Von vll (vielleicht) über omg (O my God) und lol (laughing out loud) bis zu LG (Liebe Grüße), wenn nicht gar: GaLieGrü. Schreib mal wieder – kürz mal wieder ab! 

Die praktischste Art, sich kurz auszudrücken, sind Emojis. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – auch mehr als tausend abgekürzte! Die lustigen Symbole, die kein Hehl daraus machen, dass sie ästhetisch wie intellektuell von den Comics herstammen, sind inzwischen so zahlreich geworden, dass es schlechterdings nichts mehr gibt, das sich nicht mit ihnen ausdrücken ließe. Dies kommt vor allem denen entgegen, die mit Worten ihre Mühe haben: Wer sich schwertut, einen halbwegs klaren, von stilistischen Stolpereien freien Satz zu schreiben – also ein rasch wachsender Teil der Bevölkerung –, braucht nur einen Smiley zu setzen.

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar
  • Ohne Abo lesen
    Mit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte. Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Edit Szegedi | Fr., 22. April 2022 - 15:23

"Die „Kolleginnen und Kollegen“ werden zu „KuK“ zusammengezogen", also zu "Kaiserlich und koeniglich"?

Ernst-Günther Konrad | Sa., 23. April 2022 - 09:31

Ja, da werden fröhliche Urstände gefeiert beim Abkürzen. Fast alle hier im Forum benutzen aus Platzgründen Abkürzungen, gerade um mehr zu schreiben und nicht weniger. Dennoch haben Sie ja durchaus recht mit Ihrer Kritik. Es sind die Menschen selbst, die entscheiden, was in die Breite gelangt und was nicht. Abkürzungen per se halte ich nicht für schlecht. Schlecht ist aber, wenn man am Ende nicht mehr weiß, wofür sie steht und wenn man deren Bedeutung uminterpretiert oder es gar zur Sprachlosigkeit führt. Alles mit Maß und Ziel eingesetzt, erleichtert auch in der Arbeitswelt manchem die Arbeit. Ich jedenfalls habe Standard-Emojis und suche keine Hautfarben oder gendergerechte Bildchen. Warum? Eben, das kostet Zeit und Nerven.