Ukrainische Grenzsoldaten
Die Ruhe vor dem Sturm? Ukrainische Grenzsoldaten an der Grenze zu Russland / dpa

Nato-Erweiterung - Von Russlandverstehern, kalten Kriegern und Realpolitik

Die Ost-Erweiterung des westlichen Verteidigungsbündnisses traf nie auf russische Gegenliebe. Dennoch wurde sie zu Beginn von gewissen Rücksichtnahmen flankiert. Damit ist Schluss, seit Außenpolitik „wertebasiert“ sein soll, wie es auch die neue Bundesregierung propagiert. Doch ein Verkennen russischer Interessen trägt zur Eskalation bei - dabei ist es völlig egal, wer moralisch auf der richtigen Seite steht.

Autoreninfo

Botschafter a.D. Rüdiger Lüdeking war während seiner Zeit im Auswärtigen Dienst (1980-2018) in verschiedenen Verwendungen, u.a. als stv. Beauftragter der Bundesregierung für Abrüstung und Rüstungskontrolle und Botschafter bei der OSZE, mit Fragen der Sicherheits- und Rüstungskontrollpolitik intensiv befasst.

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Die Nato-Erweiterung steht aktuell im Mittelpunkt der Auseinandersetzung der Nato mit Russland. Seit 1990 ist das Bündnis um 14 Staaten gewachsen und hat sich damit weit nach Osten in den Bereich des ehemaligen Warschauer Paktes und der ehemaligen Sowjetunion ausgedehnt. Ein Blick auf Ursprünge und Geschichte des Erweiterungsprozesses zeigt, dass sich das Verhältnis zu Russland geändert hat.

Schon früh nach dem Ende des Kalten Kriegs drängten viele Staaten Mittelosteuropas und einige Nachfolgestaaten der Sowjetunion in das Bündnis. Sie suchten Sicherheit vor Russland und sahen die Bündnismitgliedschaft als Mittel zur Sicherung der neu gewonnenen Freiheit. Russland seinerseits lehnte während der chaotischen Jelzin-Zeit die Nato-Erweiterung ab, da es die Nato als gegen sich gerichtetes Verteidigungsbündnis sah. Die russische Propagierung der Abschaffung der Nato und ihres Ersatzes durch die nach innen gerichtete OSZE, die alle Mitglieder – einschließlich Russlands – gleichberechtigt umfasst, blieb ohne großen Widerhall im Westen.  

Außenpolitische Realisten gegen die Erweiterung

1997 bot die Nato in einem ersten Schritt Polen, Tschechien und Ungarn erstmals Beitrittsverhandlungen an. Gegen eine Nato-Erweiterung bezogen dagegen schon damals eine Reihe prominenter amerikanischer Politiker sowie Sicherheits- und Militärexperten Position – darunter so integre, einer Beschwichtigung gegenüber Russland nicht verdächtige Persönlichkeiten wie der ehemalige Verteidigungsminister Robert McNamara, Senator Sam Nunn und der langjährige Abrüstungsverhandler Paul Nitze. Nahezu prophetisch wirkt heute die Einschätzung des amerikanischen Diplomaten und Historikers George F. Kennan, der als Urheber der von den USA seit 1947 während des Kalten Kriegs verfolgten Containment-Politik „zur Eindämmung des sowjetischen Imperialismus“ gilt. Er bezeichnete 1997 die Nato-Erweiterung als „verhängnisvollsten Fehler der amerikanischen Politik in der Ära nach dem Kalten Krieg“ und führte hierzu begründend aus, dass „diese Entscheidung erwarten lasse, dass die nationalistischen, antiwestlichen und militaristischen Tendenzen in der Meinung Russlands entzündet werden; dass sie einen schädlichen Einfluss auf die Entwicklung der Demokratie in Russland haben, dass sie die Atmosphäre des Kalten Krieges in den Beziehungen zwischen Osten und Westen wiederherstellen und die russische Außenpolitik in Richtungen zwingen, die uns entschieden missfallen werden.“ Diese Auffassung ist vor dem Hintergrund gerade auch der von der neuen Bundesregierung verfolgten wertebasierten Außenpolitik von Interesse, zählte sich Kennan doch zur realistischen Denkschule in der Politikwissenschaft, die auf das Überleben des eigenen Staates auch durch Bereitstellung notwendiger militärischer Machtmittel setzte. Diese Denkschule grenzt sich bewusst von einem optimistisch geprägten Idealismus ab.

Die seit 1999 bis heute erfolgte Nato-Osterweiterung traf stets auf russische Ablehnung. Sie stellt jedoch jetzt ein Faktum dar, das letztlich von Russland nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt wird. Russland dürfte nicht zuletzt aufgrund der 2016 erfolgten demonstrativen Verlegung von Nato-Truppen nach Polen und in die baltischen Staaten („Enhanced Forward Presence“) überzeugt sein, dass das westliche Bündnis ihrer militärischen Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des Nato-Vertrages verlässlich nachkommen würde, eine Revision der europäischen Sicherheitsordnung insoweit keine Chance hätte. Dies gilt, selbst wenn Präsident Putin noch vor nicht allzu langer Zeit den Zusammenbruch der Sowjetunion als „größte geopolitische Katastrophe“ des 20. Jahrhunderts bezeichnet hat.

George W. Bush macht Schluss mit Rücksichtnahme

Nach jüngeren Forschungen soll es keine formellen Zusagen gegenüber Russland zur Erweiterung oder Begrenzung des Einflussbereiches der Nato gegeben haben. Dennoch waren die Nato-Staaten zunächst bereit, den von Russland reklamierten Sicherheitsbedenken zumindest teilweise Rechnung zu tragen. Hatten Deutschland und die Westmächte im Zusammenhang mit der deutschen Einheit im 2+4-Vertrag 1990 schon Beschränkungen wie eine vertraglich zugesicherte Obergrenze für den Umfang der Bundeswehr und das Verbot der Stationierung von ausländischen Streitkräften und Kernwaffenträgern auf dem Territorium der ehemaligen DDR akzeptiert, so hatte die Nato 1997 angesichts der Planungen zur Nato-Osterweiterung in der Nato-Russland-Grundakte Zurückhaltungsverpflichtungen wie die Nichtstationierung von „substantiellen Kampftruppen“ und Kernwaffen in den Nato-Beitrittsstaaten übernommen.

Von derartigen Rücksichtnahmen auf reklamierte Sicherheitsbedürfnisse oder auch nur „Befindlichkeiten“ Russlands ist spätestens seit dem Amtsantritt des US-Präsidenten George W. Bush 2001 keine Rede mehr. Dieser setzte letztlich durch die einseitige Kündigung des für die strategische Stabilität mit Russland zentralen ABM-Vertrags vor 20 Jahren, am 13. Dezember 2001, dem Nimbus der sicherheitspolitischen „Gleichrangigkeit“ Russlands ein Ende. Sicherheit sollte durch umfassende militärische Überlegenheit der USA und nicht länger durch ein Gleichgewicht der Kräfte oder die Freiheit einschränkende Rüstungskontrollvereinbarungen gewährleistet werden. Russland galt nurmehr als Regionalmacht, eine Bedrohung durch die Nato wurde negiert. Dies forderte allerdings Gegenreaktionen Russlands heraus, das sich weiterhin als Gegner der Nato sieht und durch Stärkung seiner konventionellen und nuklearen Streitkräfte wie durch eine aggressive Außenpolitik als Großmacht auf Augenhöhe mit den USA Anerkennung sucht. Nach dem in den letzten Jahren feststellbaren militärischen Erstarken Russlands erklärte Präsident Putin die weitere Nato-Erweiterung um die Ukraine und Georgien für nicht hinnehmbar, damit würden rote Linien Russlands klar überschritten.

Berücksichtigung von Russlands Sicherheitsinteressen abgelehnt

Dennoch wird gerade heute von den USA der Nato-Beitritt der Ukraine und Georgiens, den die USA bereits 2008 gegen deutsche Widerstände auf die Nato-Agenda gesetzt haben, aggressiv propagiert und forciert. Von Russland erhobene Ansprüche auf Wahrung von Einflusssphären – sei es aus Sicherheitsgründen oder zur Untermauerung seines Großmachtstatus – werden als nicht legitim und unbegründet verworfen. Ebenfalls ignoriert wird die Tatsache, dass Russland zur Wahrung seines Einflusses gegenüber der Ukraine 2014 (wie auch bereits 2008 gegenüber Georgien) bereit war, militärische Mittel einzusetzen. Zuletzt vertritt die Nato in einer Erklärung vom 16. Dezember 2021 kategorisch den Standpunkt, dass ein Nato-Beitritt der Ukraine lediglich eine Angelegenheit zwischen der Ukraine und den 30 Nato-Mitgliedstaaten sei. Damit wird implizit eine Berücksichtigung von Russland geltend gemachter Ansprüche und Sicherheitsinteressen abgelehnt.

Russland wird heute als aggressive, auf Revanche sinnende Macht gesehen, deren zunehmend autoritäres und repressives Regime keine Sympathie und kein Verständnis verdient, zumal erklärt wird, dass es keinerlei Befürchtung über eine weitere Ausdehnung einer allein friedliebenden Nato zu hegen braucht. Es stimmt: Die aktuelle Drohgebärde des Aufmarsches russischer Streitkräfte an der Grenze zur Ukraine ist nicht akzeptabel. Dennoch ist es wichtig, sich die Geschichte und die russischen Befindlichkeiten zur Nato-Osterweiterung zu vergegenwärtigen.

Bedauerlicherweise steht der Begriff „Russlandversteher“ heute in Verruf. Dabei schützt doch die Bereitschaft, sich in die Lage des Gegenübers oder Gegners zu versetzen, davor, Fehleinschätzungen zu erliegen und die eigenen Handlungsmöglichkeiten und -erfordernisse falsch einzuschätzen. Das Verstehen des Gegenübers bedeutet keineswegs, dass man der Haltung des Gegenübers Verständnis entgegenbringt oder diese billigt. Empörung und moralische Entrüstung über Russland scheinen heute jedoch leider den Blick für Tatsachen zu trüben; Vorgeschichten und Kausalketten wie auch die eigenen realpolitisch definierten Interessen werden ebenso verdrängt wie die realen Eskalationsgefahren.

Geist der Konfrontation

Zwar ist richtig, dass die Nato kein formelles Einspruchsrecht gegen eine Osterweiterung akzeptieren kann. Sie sollte jedoch zumindest zum jetzigen Zeitpunkt im Interesse europäischer Stabilität und der Vermeidung einer kriegerischen Auseinandersetzung, auf die es Russland im Zweifel ankommen lassen würde, davon absehen, die Ukraine in die Nato aufzunehmen. Es spricht realpolitisch alles dafür, den Verhandlungsweg zu beschreiten, um eine Lösung zu erreichen, die möglicherweise auf eine Art neutralen Status für die Ukraine hinauslaufen und die Einbindung Russlands in eine neue kollektive Sicherheitsarchitektur sowie die Wiederbelebung europäischer Rüstungskontrolle zum Ziel haben könnte.

Die aktuellen Äußerungen vieler Nato-Regierungen wie auch westlicher Beobachter sind jedoch unverändert von einem auf Konfrontation setzenden Geist und der Absicht geprägt, durch wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen Russland in die Knie zu zwingen. Ein Eingehen auf Verhandlungen mit Russland oder der Verzicht auf die Aufnahme der Ukraine in die Nato werden als Appeasement gegeißelt. Den „kalten Kriegern“, die diese Linie verfolgen, sollte die Gefährlichkeit aber auch die voraussichtliche Erfolglosigkeit einer derart kompromisslosen Haltung bewusst sein; die als demütigend empfundene Androhung oder Verhängung von Sanktionen in aller Öffentlichkeit wird Russland nicht zum Nachgeben bewegen. Zudem sieht sich das auch militärisch wiedererstarkte Russland heute in einer stärkeren Position als noch bei Umsetzung der ersten Nato-Erweiterungen.

Selbst wenn eine Deeskalation gelingt: Das sicherheitspolitische Umfeld für Deutschland und Europa ist rauer geworden. Zur Wahrung unserer äußeren Sicherheit ist es erforderlich, dass die eklatanten Ausrüstungsmängel und Fähigkeitsdefizite der Bundeswehr beseitigt werden; zudem ist es ein politisches Gebot der Wahrung des Einflusses im Bündnis, dass der vereinbarte Zielwert von einem Anteil von 2% des Verteidigungshaushaltes am Bruttoinlandsprodukt schnellstmöglich erreicht wird. Hinzu kommt, dass es auf europäischer Ebene unumgänglich sein wird, die Verteidigungsanstrengungen zu bündeln, um deren Wirksamkeit zu erhöhen und um angesichts der erwartbaren Schwächung des transatlantischen Zusammenhalts im Falle einer Wiederwahl von Trump oder der Wahl eines seiner republikanischen Adepten zu gewährleisten, dass sich die EU im „Konzert der Großmächte“ behaupten kann.

Realitäten ignoriert

Diese Aufgaben werden bedauerlicherweise auch von denjenigen, die sich jetzt gegenüber Russland als „kalte Krieger“ gerieren, kaum thematisiert. Sie liegen jedoch in der Konsequenz einer stimmigen deutschen und europäischen Sicherheitspolitik. Stattdessen erlaubt sich Deutschland eine für außenstehende Beobachter abstrus-weltvergessen wirkende Debatte darüber, ob für die Streitkräfte zu beschaffende Drohnen bewaffnet sein sollen oder nicht. Einmal mehr werden hier die Realitäten ignoriert, hat doch schon der Afghanistaneinsatz die potentielle Bedeutung von bewaffneten Drohnen für den Schutz eingesetzter deutscher Soldaten gezeigt; zudem sollte auch der jüngste Waffengang zwischen Aserbaidschan und Armenien die Rolle von Drohnen in der modernen Kriegsführung verdeutlicht haben.

Die in den deutschen Medien heute vielfach konstruierte Gegensätzlichkeit zwischen „Russlandverstehern“ und „kalten Kriegern“ ist verfehlt. Es geht vielmehr um die nüchterne Anerkennung der Realitäten und die Wahrung unserer Kerninteressen, unter denen die Vermeidung einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Russland und die sicherheitspolitische Einbindung Russlands als prioritär gelten müssen. Zu hoffen ist, dass die moralische Entrüstung über Russland und die von der neuen Bundesregierung propagierte „Wertebasierung“ der Außenpolitik dem nicht entgegenstehen.

Schon bei Überwindung des Kalten Kriegs hat sich für die Nato die seit 1967 geltende Doppelstrategie des sogenannten Harmel-Berichts als politisch leitend und richtig erwiesen. Diese Doppelstrategie sieht die Bereitschaft zu Dialog, Zusammenarbeit und Entspannung auf der Grundlage und abhängig von der Gewährleistung gesicherter Verteidigungsfähigkeit vor. Sie stellt im Kern einen realpolitischen Ansatz dar, den Otto von Bismarck auf die folgende, heute unverändert gültige Formel gebracht hat: „In der auswärtigen Politik sind nicht Gefühle, sondern Interessen und Gegenseitigkeit zur Richtschnur zu nehmen.“

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Hanno Woitek | Mo., 27. Dezember 2021 - 13:02

westlicher Nato Staatschefs gegeben, die zumindest verbal, man konnte ihre Äußerungen immer wieder, auch als authorisierte Zitate, in der Presse lesen und kann es heute noch , wenn man nur will. Es gab suchveröffentlichte und bestätigte Zusagen von Helmut Kohl, dass in der ehemaligen Der keine Bundeswehr stationiert werden würde.
Alles nachgewiesene Wortbrüche der westlichen Politik damals, nur um die Wiedervereinigung einzukassieren.

Insofern kann man Putin nur zustimmen, sich nicht auf weitere Beschwichtigungen zu verlassen und seine Armee an der ukrainischen Grenze aufzustellen. Gebt die Sanktionen endlich auf und garantiert die Natobegrenzung.

Romuald Veselic | Mo., 27. Dezember 2021 - 14:16

dass man nach Gefühlen u. nicht nach Realität gehandelt wird, und zwar aus der selbstgerechten Perspektive, von sich selbst überzeugten Akteuren in D, die glauben, sie haben das Gute/Bessere, Gerechte u. Weltrettende erfunden. An sich kaum überbietende Dummheit, basierend auf der grünen Mentalität.
Als RUS zu Jelzins-Zeit am Boden lag, konnte NATO alles umsetzen, dennoch wurde gg. RUS nicht militärisch vorgegangen. Die RUS Soldaten mussten ihr Kriegsmaterial verkaufen, damit sie sich elementar versorgen konnten, denn der Sold damals blieb aus. Sowie NATO war auf dem Balkan beschäftigt.
Es wird in imperialistischen Kategorien gedacht/gehandelt. Ein 3er ist nicht dazu berechtigt, sich dabei einzumischen, welche Beziehung der 1te u. 2te miteinander eingehen.
Geschichtlich haben RUS-Nachbarn nur schlechte Erfahrungen m. der slawischen Großmacht, quer durch ganz Europa. Das Positive wiederum besteht darin, dass sie die Nazis u. die Osmanen vernichtend schlugen. Und das zählt.

Tomas Poth | Mo., 27. Dezember 2021 - 14:43

Die US dominierte Nato ist der Aggressor, der mit seiner vorgeblichen Politik "Wir sind das Bollwerk der Freiheit" nur andere Staaten bedrängt, angreift und aus den Fugen bringt.
Die Eindämmung des Bolschewismus hatte schon in der Nachkriegspolitik nach 1918 im gesamten Europa versagt.

Christoph Kuhlmann | Mo., 27. Dezember 2021 - 14:48

besteht auf Verträgen. Deutschland ist in Bezug auf die Bedrohung von Russland nun wirklich kein Vorwurf zu machen, Schließlich hat es seine Truppenstärke von 550 000 (NVA+Bundeswehr) auf 180 000 reduziert. Im Übrigen ist es wie die Frage nach der Henne und dem Ei ob erst die Osterweiterung der NATO den antidemokratischen Kräften in Russland auftrieb gegeben hat oder die Rücksichtslosigkeit gegenüber Russland durch die zunehmende Unterdrückung und dem militärisch aggressiven Auftreten in Georgien, Ukraine und Syrien ab 2000 hervorgerufen wurde. Meistens schaukelt sich so etwas hoch. Viele Russen wollen einen starken Mann, was wiederum zum Entstehen einer autoritären Kleptokratie führt, die dann chauvinistische Instinkte zur Stabilisierung des politischen Systems nutzt. Man kann es jedenfalls Polen, Rumänien, Bulgarien, dem Baltikum und anderen nicht verdenken, dass Sie Schutz vor einer militärischen Aggression Russlands in der NATO suchten.

Bernd Muhlack | Mo., 27. Dezember 2021 - 16:27

Ein hervorragender Artikel, Analyse.

Absolut unaufgeregt und objektiv.
Sehr gut Herr Lüdeking.
Gutes Neues Jahr!

Walter Bühler | Mi., 29. Dezember 2021 - 16:17

Antwort auf von Bernd Muhlack

... und wünsche allen ein friedliches neues Jahr bei bestmöglicher Gesundheit.

Inflation, Pandemie und verlotterte Staatsverwaltung bereiten Sorgen genug. Es ist viel Platz in den Geschichtsbüchern, wo sich jeder aktive Politiker eintragen kann, der tatsächlich etwas zur Lösung der realen Probleme des Landes beiträgt. Militärische Helden gibt es bei uns außerdem auch gar nicht mehr, auch wenn manche Journalisten sich so in Szene setzen.

Erst die Hausaufgaben erledigen, bevor man anderen etwas vorschreiben will.

Günter Johannsen | Mo., 27. Dezember 2021 - 16:58

"... ein Verkennen russischer Interessen trägt zur Eskalation bei - dabei ist es völlig egal, wer moralisch auf der richtigen Seite steht."
Dem kann ich voll zustimmen, lieber Herr Lüdeking.
Hätte man sich an die Abmachungen mit Gorbatschow nach 1989 gehalten und die Nato nicht an die russische Grenze vorrücken lassen, wäre Putins Russland Deutschland und Europa heute wohlgesonnener. Davon bin ich nach wie vor überzeugt. Aber die arrogante selbsternannte Moral-Elite, der die Bevormundung innerhalb der EU wohl nicht mehr ausreicht, greift nun auch (ohne Rücksicht auf Verluste) in Regionen außerhalb ihres Machgebietes zu? Ich kann verstehen, dass Putin keine Bevormundung auch nur im Ansatz zulässt!

Werner Peters | Mo., 27. Dezember 2021 - 17:10

Danke für diesen guten Artikel. Eine Wohltat bei der Fülle der säbelrasselnden deutschen Medien. Zwei Anmerkungen: Ich habe als politisch interessierter Mensch die Wiedervereinigung aktiv verfolgt. Natürlich war damals die Rede davon, dass für den Abzug der Russen aus der DDR im Gegenzug keine Erweiterung der NATO Richtung Osten erfolgen dürfe. Eigentlich selbstverständlich. Jetzt zum Argument, Länder wie die Ukraine sollten selbst entscheiden, ob sie in die NATO wollen oder nicht: Diese Sichtweise verkennt, dass es zwei Parteien sind, die solch eine Aufnahme befürworten müssen. Neben der Ukraine eben auch die NATO selbst. Und hier sprechen die von Herrn Lüdeking vorgetragenen Argumente ein klares NEIN. Ein Verteidigungsbündnis (!) darf kein Interesse an einer militärischen Zuspitzung haben, das ist ein Anachronismus an sich.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 27. Dezember 2021 - 17:15

spannend.
Ich bin "Europaversteher*" und würde meinen, dass die Ukraine nach Russland und Weissrussland erst recht "russisch/slawisch" ist.
Deshalb möchte ich sie nicht in der EU, sowenig wie Russland oder Weissrussland.
Die Balten "sind" Ur-Skandinavier, die Polen sind Polen und wie die Tschechen, Slowaken und ...die Balkanländer Europäer.
Evtl. an der gesellschaftlichen Zu-ordnung/Organisation und Sprache/Mythen zu erkennen.
Und wer "weiss" das?
Die Prussen, denn die hatten ja egal gegen wen, keine Chance auf sich selbst:(
So kommt man aber durch die Welt und muss sich überall behaupten, bzw. bestenfalls überall integrieren.
Ich vermute, dass ich deshalb so sehr an Zusammenarbeit und Zusammenleben hänge.
Vielleicht hätte "ich" anders nicht überlebt?
Beschwören würde ich es allerdings nicht, könnte aber erklären, warum die Ostukraine lieber zu Russland als zum Westen will?
Ich gebe mir wenigstens Mühe zur Verständigung.
Was ich in den letzten Jahren gesehen habe, Dilettantismus pur.

Rob Schuberth | Mo., 27. Dezember 2021 - 19:10

zudem der Autor über ein fundiertes Wissen verfügt.

Die EU muss endlich erkennen u. anerkennen, dass es wichtig ist mit RUS, dem größten Land dieses Kontinents, gute diplomatische Beziehungen zu führen.

Also das Gegenteil von der Politik der letzten Jahre.

Die US-Politik ist knallhart u. rein Int.gesteuert. Was man ihnen gar nicht als falsch auslegen sollte (so macht es doch jedes Land).

Aber die Unart, wer nicht mehr ins Konzept passt wird fallen gelassen (wie z. B. die Kurden in Syrien), sollte uns Europäern zu Denken geben.

Die Kurden hatten "Pech" da die USA sie nicht mehr brauchte. Denn um Erdogan etwas milder zu stimmen, da der bereits russ. Boden-Luft-Abwehrraketen gekauft hatte, gewährte man ihm die nun schlecht ausgerüsteten Kurden "abzuschlachten".

Im Osten hat die NATO m. E. nichts zu suchen.

Juliana Keppelen | Di., 28. Dezember 2021 - 12:46

auch mal ein sachlicher Beitrag zu lesen bekommt. Oder anders ausgedrückt, schön dass sich jemand traut auch mal einen sachlichen Artikel wenns um Russland geht zu schreiben und noch schöner, dass der Artikel auch veröffentlicht wird. (Kommt wegen der Presse- und Meinungsfreiheit bei uns nicht oft vor. Ironie off)

Gerhard Weißenberger | Di., 28. Dezember 2021 - 18:03

Der Hauptgrund der gegenwärtigen Ukrainekrise ist die seit längerer Zeit betriebene
Schaukelpolitik Kiews. Man will die russischen fossilen Energieträger, wozu ein gutes Verhältniszu Russland zwingend nötig ist, will aber auch gerne EU-Gelder indem man
mit einem Beitritt kokettiert, was dann wiederum in den USA Blütenträume eines NATO-Beitritts Kiews reifen ließ, die bis zu einer Vereinnahmung Sewastopols und Balaklavas durch die NAVY gingen. Zum dritten hat Kiew dann noch einen Vertrag über ein großes Hafenprojekt an der Krim mit China geschlossen, was dazu führte, dass Moskau die Krim Monate später zurückholte. Wäre dies nicht geschehen, so hätte sich eine dritte Großmacht im schwarzen Meer breit gemacht und die Ukraine langfristig ein Vasallenstaat Chinas geworden. Die Krim wäre für Russland für immer verloren gewesen und die Blütenträume der kalten Krieger der NATO im Winde zerstoben.

Juliana Keppelen | Mi., 29. Dezember 2021 - 12:53

Antwort auf von Gerhard Weißenberger

dass die Nato und vor allem die USA mit der 1. Orangenen Revolution versuchten die Ukraine aus dem Einflußbereich Russlands heraus zu lösen. Das hat damals nur halb geklappt die gekauften Lakaien waren nicht sehr erfolgreich. Aber steter Tropfen höhlt den Stein, nun kam die EU ins Spiel mit einem Assoziierungswerk das goldene Zeiten versprach natürlich nur wenn man sich von Russland abwendet. Der demokratisch gewählte Präsident war skeptisch und wollte prüfen ob Russland mehr bietet das passte so gar nicht in das Konzept von Obama, Kerry, Merkel und Barosso hatte man doch schon etliches in eine 2. orangene Revolution investiert und die Lakaien waren auch schon ausgewählt Frau Merkel wollte Klitschko und Obama "Jaze". Nun mit einem blutigen Putsch wurde der demokratisch gewählte aber den goldenen Versprechen des Westens gegenüber sehr skeptische Präsident hinweggefegt und es kamen die auserkorenen Lakaien in Amt, Lohn und Brot.
Auf die goldenen Zeiten wartet das Volk noch immer.

Ich kann Ihren beiden Kommentaren i. T. zustimmen.
M. E. sind die auch nicht gegensätzlich sondern erfassen den Ist-Zustand nur in anderen Worten u. leicht veränderten Kausalitäten.

Denn die Krise in der die Ukraine sich seit vielen Jahren (schon vor der Krim-Annektion) befindet ist ja z. T. hausgemacht (Oligarchen, Korruption bis ganz nach oben).
Und ja, es gab u. gibt da versteckte u. offene Int. der USA, der EU u. der NATO.

Jeder intrigiert dabei gegen jeden u. spielt nach außen vor dessen Freund zu sein.

Da ist mir das klare u. eindeutige Handeln Putin doch lieber. Da weiß man immerhin woran man ist.

Ach ja, danke für die Info bzgl. des beinahe chin. Hafens auf der Krim. Davon höre ich hier zum ersten Mal.
Komisch, dass das unseren MSM entgangen zu sein scheint.

Fritz Elvers | Di., 28. Dezember 2021 - 19:08

Das ist nicht schwer zu verstehen (Putin). Die Aufnahme der Rest-Ukraine würde den Frieden in Europa engültig gefährden. Putin sollte als Gegenleistung die Ostukraine endlich an den Verhandlungstisch befehlen, um eine Förderation zu erreichen.

Ein Einmarsch der Russen würde zu einem Wirtschaftskrieg führen, an dessen Ende Europa ohne Gas und überlebenswichtige Rohstoffe dastehen würde. Nicht auszumalen, was dann geschehen würde!

Noch lässt es sich vermeiden.