Der niedersächsische Ministerpräsident und SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder sitzt am 24.6.1998 gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG, Ferdinand Piech (l), in einem Prototyp des W 12-Roadsters von VW
1998 sitzt der SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder mit Ferdinand Piech (l) in einem Prototyp des W 12-Roadsters von VW / picture alliance

Ferdinand Piëch - Herr der Ventile und Zylinder

Mit jeder Schraube im Motor schien Ferdinand Piëch bestens vertraut gewesen zu sein. Mit Akribie und autoritärem Stil machte der Ingenieur Volkswagen zum erfolgreichen Weltkonzern, häufte ein Milliarden-Vermögen an und prägte einen ganzen Industriezweig - positiv, wie negativ

Karl-Heinz Büschemann

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Karl-Heinz Büschemann war unter anderem Chefreporter im Wirtschaftsressort der Süddeutschen Zeitung und arbeitet als Wirtschaftsjournalist in München.

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Oft sind es Kleinigkeiten, die Aufschlussreiches über einen Menschen sagen. Bei Ferdinand Piëch ist es die Sache mit der Tür. Piëch, der ein herausragender Autoingeneur war und der den Volkswagen-Konzern prägte wie kein zweiter, hat nur ungern über Persönliches gesprochen. Aber diese Geschichte erzählte er stolz mit seinem manchmal zuckenden Lächeln:

Er hasse weiche Betten, erzählte der Mann mit dem fast kahlen Schädel und der asketischen Erscheinung. Und wenn er in ein Hotel kam, in dem die Matratze nicht seinen Ansprüchen an Härte genügte, hatte der Ingenieur eine rabiate Lösung: „Ich habe die Tür zum Bad ausgehängt und unter die Matratze geschoben.“

Im Positiven wie im Schlechten

Jetzt ist der Mann mit dem Hang zur Härte mit 82 Jahren gestorben. Er hat den Wolfsburger Autokonzern erst vor der drohenden Pleite bewahrt und dann in die Weltliga geführt. Er hat in seinen Jahren als Vorstandsvorsitzender von 1993 bis 2002 und später als Chef des Aufsichtsrates die gesamte Industrie geprägt. Der heutige VW-Konzern ist zum großen Teil das Produkt dieses Österreichers, dessen Großvater der legendäre Autokonstrukteur Ferdinand Porsche war. Das gilt im Positiven wie im Schlechten. Auch die Wolfsburger Krisen und Katastrophen der vergangenen 20 Jahre von bestochenen Betriebsräten, über von der Konkurrenz gestohlenen Daten, bis zur betrügerischen Manipulation bei Dieselmotoren, sind wohl nur mit der Kultur erklärbar, die Piëch in Wolfsburg prägte.

Es war zuletzt ruhig geworden um den Mann, ohne den bei VW lange gar nichts lief. Man munkelte von Krankheit, es war zu spüren, dass die Kraft und der Einfluss des Patriarchen nachgelassen hatten, auch ohne offiziellen Posten noch vom Alterssitz in der Nähe von Salzburg auf das Unternehmen einzuwirken. Zuletzt gab es keine kurzen Anweisungen über die Medien mehr, die manchmal Hinrichtungen waren und bei VW gewaltige Beben auslösen konnten.

Das letzte Opfer war Martin Winterkorn

Piëch hat zahllose Top-Manager im Konzern mit einem einzigen Satz erledigt, den er in den Medien unterbrachte. Zum Beispiel den langjährigen Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Das letzte Opfer war Martin Winterkorn, sein Hausmeier und Vertrauter, der als Konzernchef von 2007 bis 2015 alles tat, um den Willen des „Alten“, wie Piëch im Unternehmen genannt wurde, umzusetzen. Dem Spiegel sagte Piëch im April 2015 völlig überraschend: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“. Bald darauf wurde der Dieselskandal ruchbar, und Winterkorn musste gehen. Doch zuvor wurde Piëch gezwungen, den Chefposten im Aufsichtsrat aufzugeben.

Piëch wurde am 17. April 1937 in Wien in eine großbürgerliche österreichsiche Familie geboren. Großvater war der Autopionier Ferdinand Porsche, der für die Nazis den Volkswagen-Käfer entwickelt hatte und später den Porsche-Mythos begründete. Der junge Ferdinand erbte vom Großvater die Begeisterung für Autos, musste aber durch eine harte Schule gehen. Die Familie war damals nicht reich, aber sie schickte ihn auf ein teures Schweizer Internat, in dem er unter Einsamkeit und seiner Legasthenie litt. Später studierte er in Zürich an der Technischen Hochschule und entwickelte für seine Diplomarbeit einen luftgekühlten 12-Zylindermotor.

Die Piëchs waren halt nur die Piëchs

Ein privilegierter junger Mann, der in emotionaler Armut aufwuchs und der mit dem Malus leben musste, nicht Porsche zu heißen, sondern nur ein Piëch zu sein. Sein Vater Anton Piëch hatte eine Tochter von Ferdinand Porsche geheiratet, und wurde später zum Chef des Wolsburger VW-Werkes. Aber die Piëchs waren halt nur die Piëchs. Familienmitglied zweiter Klasse zu sein, war einer der Antriebe für Ferdinand, seinen zahlreichen Cousins zu zeigen, wer der bessere Erbe des Großvater ist.

Erst einmal ging der autoverrückte Ingenieur in die Firma des Großvaters, doch bald wurden alle Familienmitglieder bei Porsche verdrängt. Piëch ging zu Audi und machte sich dort als Entwicklungschef ein Namen. Er wurde später Chef bei der Marke mit den vier Ringen, die er – bei Personenwagen vorher undenkbar – mit einem Allrad-Antrieb erfolgreich gemacht hatte. Kaum ein Automanager wusste soviel über Autos wie dieser Ingenieur mit dem Hang zur Perfektion und Kompromisslosigkeit. Diskussionen waren seine Sache nicht. Piëch ordnete an, und wer nicht folgte, musste gehen. „Wer nicht spurt oder meine Kreise stört, hat es verspielt“, hat Piëch in seiner Autobiographie freimütig über seinen Führungsstil verraten.

Mit jeder Schraube bestens vertraut

Das war der Grund für den technischen Erfolg bei Audi und später bei Volkswagen. Aber er legte damit auch den Grundstein für eine autoritäre Firmenkultur, die allem widersprach, was für modernes Management steht. Aber der Erfolg gab ihm oft recht. Piëch verdoppelte in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender den Umsatz und sorgte für sprudelnde Gewinne. Unter Piëch ging es in Wolfsburg ständig aufwärts. Wer wollte als kleiner Wolfsburger Ingenieur einem Konzernchef widersprechen, der selbst mit scheinbar jeder Schraube im Motor bestens vertraut ist?

Es gelang diesem Getriebenen, VW ganz groß zu machen, und zudem macht er seine Familie märchenhaft reich. Ob Porsche oder Piëch: Die beiden Sippen mögen zerstritten gewesen sein. Dass sie als Großaktionäre von Volkswagen zu Milliardären wurden, verdanken sie allesamt der Energie und dem Ehrgeiz von Vetter Ferdinand, der die beiden Mythen der Autoindustrie, Volkswagen und Porsche, unter ein Dach und in den Besitz der Familien brachte. Ferdinand Piëch hatte es allen gezeigt.

Ohne Piëch gäbe es VW vielleicht nicht mehr

Die Zeit des Ferdinand Piëch ist auch in Wolfsburg abgelaufen. Der große Wolfsburger Dirigent und Anhänger des Verbrennungsmotors konnte sich nie für Elektroautos begeistern. Dass VW so spät in die Entwicklung neuer Antriebe einstieg, hat auch mit Ferdinand Piëchs Begeisterung für Ventile und Zylinder zu tun und mit seiner Verachtung für Stromautos. Inzwischen zieht eine neue Kultur in Wolfsburg ein.

Aber ohne Ferdinand Piëch sähe VW heute anders aus, vielleicht gäbe es den Konzern gar nicht mehr.

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Sebastian Niemeyer | Di., 27. August 2019 - 11:31

Es wird sich zeigen, ob der Verbrennungsmotor zum alten Eisen gehört.

Die Batterie ist als Energiespeicher notorisch ineffizient.
Es ist eine dreifache Verschwendung, erst energie beim Laden der Batterie zu verlieren, dann beim entladen. Dazu die enormen Kosten, für die Produktion der Batterie. Knappe Rohstoffe und das hohe Gewicht.

Flüssigkeiten speichern Energie effektiver.
Synthetische Brennstoffe werden die Zukunft sein.

Viele große Antriebe haben einen Diesel zur Energieerzeugung und einen E-Motor zum Antrieb.

Es gibt keinen Grund dieses Konzept nicht auch im Fahrzeug zu übernehmen.

Yvonne Walden | Di., 27. August 2019 - 18:29

Antwort auf von Sebastian Niemeyer

Eine Alternative zum Verbrennungsmotor dürfte die Wafferstofftechnologie, die Brennstoffzelle, sein.
Das hat sicherlich auch Herr Piäch gewußt. Aber seine Zeit war abgelaufen und seine Nachfolger sollten alles tun, um das Autofahren sicherer und sauberer zu machen.

Christian J. | Di., 27. August 2019 - 22:34

Antwort auf von Sebastian Niemeyer

Obwohl Sie mit einigen Ihrer Kritikpunkte (hohe Kosten, hohes Gewicht, knappe Ressourcen) recht haben, sollte man den unterirdisch schlechten Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren (im praktischen Einsatz) nicht vergessen. Die entstehenden Verluste stellen die Lade- und Entladeverluste von Batterien locker in den Schatten. Sogar konventionelle Brennstoffzellen arbeiten effektiver zur Elektroenergieerzeugung als Verbrennungsmotoren (wie Dieselaggregate) und produzieren außer Wasserdampf keine Abgase.

Wolfgang Brauns | Do., 29. August 2019 - 12:29

Antwort auf von Christian J.

...dass bei einem "Durchmarsch" der Brennstoffzelle der Wasserdampf - wegen der vierfach höheren sogenannten Klimasensitivität - als größter Klimazerstörer gebrandmarkt wird.
Ohnehin ist es schon heute verwunderlich, warum alle Welt von CO2-Vermeidung redet, aber Wasserdampf überhaupt nicht "auf dem Schirm" hat.
Nicht, dass ich falsch verstanden werde, beide Gase zu erzeugen kann der Mensch weder verhindern, noch "killt" er damit das Klima.

Christian Jäschke | Do., 29. August 2019 - 15:56

Antwort auf von Wolfgang Brauns

Ich hatte bei meiner Argumentation eher die Vermeidung der Abgasprobleme im städtischen Bereich (Stickoxide, Feinstaub, ...) im Auge. An die Treibhausgasproblematik habe ich nicht direkt gedacht. Vor allem, da es auf "erneuerbarem" Weg (und ohne die Nutzung der Kernenergie) sowieso sehr ambitioniert wäre, genügend Energie für die Wasserstoffelektrolyse des Verkehrssektors bereitzustellen.
Die "Wasserdampfproblematik" ließe sich vielleicht durch den Einsatz von Kondensatoren vermeiden. Ob es dann sinnvoll wäre das Wasser aufzufangen oder direkt an die Umwelt abzugeben, müsste man entscheiden, wenn (oder falls) sich die Brennstoffzellentechnologie im Verkehr durchsetzt.

Hans Jürgen Wienroth | Di., 27. August 2019 - 12:49

Dieser Nachruf auf Piëch scheint mir doch sehr durch die Süddt.-(Porsche?)-Brille gesehen. Sicher hat er das Unternehmen autokratisch geführt, das ging nicht anders. Es war der einzige Weg aus der Krise. Dabei wird nicht immer fair gekämpft. Die mächtigen Betriebsräte wurden zu Managern gemacht, um den „Karren aus dem Dreck zu ziehen“. Sollte Wiedeking nach dem gescheiterten Übernahmeversuch Porsche-Chef bleiben?
Als Piëch Anfang 2015 davon Wind bekam, dass etwas in den USA mächtig schieflief (ich bin überzeugt, er hätte es nie zugelassen) ging er auf Distanz zu Wiko. Jetzt kam die Zeit der Rache für Porsche und den Betriebsrat. Man überzeugte Weil, das Wiko das „Problem“ in den Griff bekomme. Piëch wollte damit nichts zu tun haben, zog sich und sein Geld zurück. Seinen Plan, das Unternehmen VW dauerhaft abzusichern, gab er auf.
Ich bin kein „Insider“, habe das Geschehen aber interessiert verfolgt. Dem Unternehmen fehlt heute der Visionär, der nicht nur der Politik gehorcht.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 28. August 2019 - 08:34

dass keine Kommentare freigeschaltet werden, denn Herr Piech war einer der ganz Großen auch für die Bundesrepublik Deutschland.

Jürgen Scheit | Mi., 28. August 2019 - 15:19

...wäre dringend nötig, um den an bunten Ideologen übervollen Augias-Stall Deutschland endlich auszumisten und in allen wichtigen öffentlichen Bereichen (Bildung, Energie, Verkehr, Kommunikation, Gesundheit, Wohnen, Zuwanderung, etc.) gut funktionierende Strukturen zu implantieren, welche sich konsequent an dem Verfassungsziel 'Wohlstand für Alle' ausrichten und einem strikten Partei-unabhängigen Qualitätsmanagement unterliegen.
Also vergleichbar allen lebendigen natürlichen Systemen & Organismen, die sich selbst organisieren, sich ständig weiter entwickeln und verbessern durch die 3 LebensPrinzipien: Lernen, Korrigieren, Anpassen an die Umwelt. Alle Lebewesen (incl. der Mensch) folgen diesen Prinzipien, ausgenommen einige chronisch lernresistente Ideologen (Theo-/Sozio-/Polito-/Greta-logen & Sponsoren), die jetzt das Weltklima ihren egoistischen Träumereien anpassen wollen.
Piëch wäre als Ingenieur gigantisch gescheitert, statt VW zu sanieren die Autofahrer zu ideologisieren.