Bach bezog sich in seinen Passionen auf Luther, der die Vertreibung und Vernichtung der Juden forderte / picture alliance

Antijudaismus - Die dunklen Flecken in Bachs Lebenswerk

Johann Sebastian Bach war bekennender Anhänger Luthers und dessen haarsträubendem Antijudaismus. Im Nationalsozialismus dienten einige seiner Werke als Hymnen für die „Entjudung der deutschen Kultur“. Eine Ausstellung setzt sich nun damit auseinander

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Das Lutherjahr 2017 wirft seine Schatten voraus. Und natürlich sind die Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag des Thesenanschlags in Wittenberg, der als Geburtsstunde der Reformation und des Protestantismus gilt, nicht ohne eine Betrachtung des Schaffens von Johann Sebastian Bach (1685-1750) denkbar. Denn der wohl bedeutendste Komponist des Barockzeitalters hat sozusagen den Soundtrack zum Protestantismus geschrieben, wenn auch erst rund 200 Jahre später.

„Luther, Bach und die Juden“ lautet daher der Titel einer Ausstellung, die noch bis zum 6. November im Bachhaus Eisenach gezeigt wird, dem Geburtsort des Komponisten. Anhand von Bildern, Texten und anderen Exponaten aus fünf Jahrhunderten wird dort das Spannungsfeld zwischen Protestantismus, Bachs Werk und dessen Rezeptionsgeschichte umfassend beleuchtet.

Für Jörg Hansen, Direktor des Bachhauses und Kurator der Ausstellung, führt kein Weg an der Auseinandersetzung mit den „dunklen Flecken“ in Bachs Lebenswerk vorbei. „Bach war strammer Lutheraner. Das heißt, die antijüdischen Aussagen, also die Betonung des Judentums als negatives Beispiel für die christliche Gemeinde – das ist das, was Bach auch in seinen Passionen ausgedrückt hat.“

Passionen mit antijudaischen Botschaften

Dabei bezog er sich direkt auf Luther, der unmissverständlich die Vertreibung und Vernichtung der Juden als einzige Lösung für das Christentum forderte. Deutlich wird dies vor allem in zwei der kirchenmusikalischen Hauptwerke des Komponisten, der Matthäus- und der Johannes-Passion. Sie sind nicht einfach Vertonungen der antijudaischen Botschaften der Evangelien, sondern nach allen Regeln der Tonsatzkunst – die Bach in seiner Zeit wie kein Zweiter beherrschte – gestaltete Werke mit enorm emotionalisierender Wirkung.

Gewiss, antisemitsche Verfolgungen gab es schon vor Bachs Zeit. Bereits im 16. und 17. Jahrhundert sind unzählige Judenprogrome dokumentiert, die unmittelbar nach Passionsaufführungen stattfanden.

In den Giftschrank?

Dennoch bleibt die Frage, wie man mit Werken umgehen soll, die im Nationalsozialismus als Hymnen für die „Entjudung der deutschen Kultur“ benutzt wurden. Stellt man sie in den Giftschrank und verbannt sie aus der Aufführungspraxis, wie in den ersten Jahren nach der Staatsgründung in Israel geschehen? Verteilt man bei jeder Aufführung ein aufklärendes Informationsblatt? Oder greift man gar in die Werke selbst ein, zum Beispiel durch neue Textfassungen einiger Arien? So hat es die Plattform „ha'atelier“ initiiert und einige Male zur Aufführung gebracht.

Für Hansen sind das alles verständliche Ansätze, besonders als Reaktion auf die Shoa, die aber der Komplexität des Problems nicht umfassend gerecht würden. Denn ausgerechnet eine jüdische Musikerfamilie hatte die in Vergessenheit geratenen Passionen in Deutschland wiederentdeckt. Moses Mendelssohn verstand Bachs Werk, vor allem die Instrumentalmusik, als vollkommene Synthese von Sinnlichkeit und Rationalität. Sein aufgrund zunehmender Anfeindungen christlich getaufter Enkel Felix-Mendelssohn Bartholdy führte 1829 die Matthäus-Passion erstmals seit Bachs Tod wieder auf – nicht in einer Kirche, sondern in der Berliner Singakademie. Seitdem haben diese epochalen Werke wieder ihren gebührenden Platz im Musikgeschehen – und das bis heute und inzwischen auch in Israel.

Bachs universelle Bedeutung, auch für Juden

Auch zeitgenössische Musiker sind sich der Problematik von Bachs Passionen bewusst. Der Dirigent Daniel Barenboim plädiert dafür, die Texte historisch einzuordnen in die Epoche, in der sie entstanden seien. Man könne „den Antisemitismus des 16. und 17. Jahrhunderts nicht mit dem Antisemitismus der Hitler-Zeit gleichsetzen“. Bach sei der erste Komponist gewesen, der eine universelle historische Bedeutung habe.

Diese Art jüdischer Absolution erübrigt jedoch keineswegs die Auseinandersetzung mit Bachs Antijudaismus. Dazu dienen – gerade im Vorfeld des Luther-Jahres – Ausstellungen wie die im Bachhaus Eisenach: mit Akribie kuratiert, ohne erhobenen Zeigefinger, dafür aufklärend. Und genau in diesem Geist sollte man auch heute die beiden großen Passionen von Johann Sebastian Bach hören.

Die Ausstellung „Luther, Bach und die Juden“ ist noch bis zum 6. November im Bachhaus Eisenach zu sehen.

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Ulrich Sahm | Fr., 26. August 2016 - 18:32

Sehr geehrter Herr RAINER BALCEROWIAK
Sie haben einen sehr guten und wichtigen Kommentar geschrieben. Gleichwohl befremdet es mich, dass Sie ausgerechnet Daniel Barenboim als jüdischen Kronzeugen zitieren. Der hat sich mir seinem vertragsbrüchigen Wagner-Konzert in Jerusalem 2001 (ich war als einziger Journalist dabei) und Eklats in der Knesset bei Israelis und Juden sehr disqualifiziert. Ohne zu vergleichen würden Sie doch wohl einen Horst Mahler auch nicht als Kronzeugen deutscher Kultur erwähnen.
Barenboim wird von Manchen als selbsthassender Jude und so auch als jüdischer Antisemit gesehen. Kein Wunder, wenn der dem Anti-Judaismus des Bach oder Luther seine Absolution gibt.
mfg
Ulrich Sahm

Ihr Beitrag, Ulrich Sahm, kurz zusammengefasst: Barenboim, ein vertragsbrüchiger Jude, der sich bei Israelis und Juden gleichermaßen durch seinen Anti-Judaismus disqualifiziert hat, als jüdischer Antisemit und selbsthassender Jude, den Sie „vergleichen ohne vergleichen zu wollen“, mit einem wegen mehrfacher Volksverhetzung, Terrorismus und Raubes verurteilten Neonazi, namentlich: Horst Mahler.

Die Frage, wer hier jetzt der einzige „Juden-Hasser“ ist, Barenboim oder Ulrich Sahm, erübrigt sich.

P.S. für den geneigten, hassfreien Leser:
Was Daniel Barenboim in konservativen Kreisen in Israel bis heute nicht verziehen wurde ist schlicht dies:
https://de.wikipedia.org/wiki/West-Eastern_Divan_Orchestra
http://www.daniel-barenboim-stiftung.org/d/

Ruth Falk | Fr., 26. August 2016 - 18:37

Bin zwar mit Barenbäums Eistellung selten einverstanden, aber die Musik Bachs gehört, trotz Missbrauchs durch die Nazis, zum Kulturerbe. Wenn man puristisch allen Antisemitismus aus der Kunst entfernen wollte, blieben auch Shakespear, Goethe, usw. auf der Strecke. Es wäre wesentlich wichtiger, die heutige Jugend in Schulen und Vereinen gezielt vernünftig zu informieren, wieso die Kirchen den Antisemitismus über 2000 Jahre geschürt und für ihre eigenen Zwecke missbraucht hat. Letztendlich ist die einzige Quelle über die Kreuzigung bei Tacitus zu finden, der den "Chresten" gegenüber nicht gerade wohl gesinnt war, und sie mit dem Brand Roms in 63 in Verbindung bringt.

Thomas Nichterlein | Fr., 26. August 2016 - 18:56

Bach war Mystiker.
Bach musste kein Judenhasser sein, denn schon seine meditative Basis, Das Neue Testament ist per se antijüdisch, als gegen die Juden als Volk, nicht gegen die Einzelnen gerichtet. Da kommen wir auch mit Ausstellungen nicht drum herum.

Vieles was man hier lesen kann, ist schlicht unzutreffend. Wer mal selbst ein wenig im neuen Testament liest, stellt fest, dass Jesus selbst Jude war und dass auch die Jünger allesamt Juden waren sowie auch viele der ersten Christen Juden waren... . Hier von einem antijüdischen Buch zu sprechen ist somit ziemlicher Quatsch! Ich empfehle allen, einfach mal selbst im neuen Testament nachzulesen, heutzutage ja für jeden frei verfügbar... :-)

Christa Wallau | Fr., 26. August 2016 - 19:43

Der große BACH, ja, natürlich war auch er ein Kind seiner Zeit. Das ist eine Binsenweisheit. Was aber soll das ganze Getue darum h e u t e ?

Ich nehme an, daß 99% der Menschen, die sich an seinen Passionen erfreuen, mit der in ihnen vertretenen Sicht auf die Juden nichts mehr am Hut haben und überhaupt nicht darüber reflektieren, während sie der wunderbaren Musik lauschen. Die Mehrzahl der Zuhörer - so möchte ich behaupten - kann nicht einmal mehr mit den vom Judentum völlig unabhängigen, christlichen Kernaussagen der Passionen und Oratorien aus innerer Glaubensüberzeugung etwas anfangen, was bedauerlicher ist.
Lassen wir doch Bach in Ruhe. Er war Musiker, nicht Theologe.
H e u t e sollte man darauf achten, die Balken in den eigenen Auge zu finden, statt sich mit den Splittern in Bachs Augen zu beschäftigen.
Das wäre sinnvoller.

Dimitri Gales | Fr., 26. August 2016 - 21:09

Wenn ich Bach höre oder auf dem Klavier spiele, dann zählt für mich das Werk - nur das ist wichtig. Die Nazis haben bedeutende Persönlichkeiten der Geschichte für ihre demagogischen Zwecke istrumentalisiert - so what. Mich berührt nur die Kunst Bachs, was geht mich der Rest an.

Bernd Meyer | Sa., 27. August 2016 - 11:09

Ich habe nur zwei Fragen!

Warum kann man um Gotteswillen nicht einfach die wunderbare Musik genießen. Was soll dieser permanente Haß auf alles was einmal in Deutschland entstanden und weltweit bewundert wurde?

Bonga Rottanina | Sa., 27. August 2016 - 16:52

Wer Christen und Juden in Europa verneint, ist kein Europäer. Außerdem haben wir mit Atheisten die größte Religion in Europa und wenn eine Gefahr auf diese 3 Hauptreligionen kommen wird, ist das der Islam, weil für dieser sind alle Ungläubige. Und wer das vergessen sollte, vernichtet er Europa selber mit. Außerdem würde mich interessieren, wann das Buch von Herrn Wendt: Deutschland in Gefahr hier kommentiert wird?

Karola Schramm | Sa., 27. August 2016 - 17:13

Ein informativer Artikel.

"Oder greift man gar in die Werke selbst ein, zum Beispiel durch neue Textfassungen einiger Arien? So hat es die Plattform „ha'atelier“ initiiert und einige Male zur Aufführung gebracht."
Ich habe mir den Text durchgelesen und sehe keineswegs, dass es hier um eine Verbesserung des Textes, weil antijüdisch, geht, sondern um Verstärkung des Textes durch Weglassen mit Beiträgen von jüdischen, arabischen und persischen Dichtern verbindend ergänzt wird.

Ob man nun auch noch eine Auseinandersetzung mit der religiösen Ausrichtung Bachs anzetteln muss, halte ich für sehr fragwürdig.
Kann man ihm weil er in dieser Zeit lebte, einen Vorwurf für seine Haltung machen mit Daumen rauf oder Daumen runter ?
Wer darauf abhebt, hat von Gott, Glauben, Bach, Musik und Zeitgeschehen keine Ahnung und ist blind.

Wichtig ist die Musik, die Grenzen sprengen kann, damit wir "Barmherzigkeit und Güte füreinander eintreten lassen", was die neuen Texte aufzeigen wollen.

Rudolf Stein | Sa., 27. August 2016 - 17:33

Misstrauisch, wie ich nun mal geworden bin, sehe ich in den Angriffen auf Bach ein weiteres Indiz für einen tobenden Kulturkampf. Diesmal nicht in Richtung Islam (einen solchen Kampf gibt es überdies nicht im politisch-korrekten D) , sondern
mit dem Ziel, die deutsche Kultur um einen weiteren bedeutenden Bestandteil zu dezimieren, einen Bestandteil, der diesem oder jenem dazu dienen könnte, sich selbst als Deutscher zu legitimieren. Irgendwann wird man einen deutschen Bürger, der sich auf seine Kultur berufen will, süffisant fragen: welche Kultur? Und wenn es keine deutsche Kultur mehr gibt, wird es auch sinnlos sein, sich Deutscher zu nennen. Möglicherweise wird eine solche persönliche Einordnung dann auch verboten sein.

Ich gebe Ihnen vollkommen Recht.

Eine kleine Anmerkung zu Ihrem Satz "irgendwann wird man einen deutschen Bürger, der sich auf seine Kultur berufen will, süffisant fragen: welche Kultur?". Vor einigen Jahren wurde hierzulande eine Diskussion über die deutsche Leitkultur geführt. Die Obergrüne Roth sagte dazu sinngemäß: "Welche Kultur meinen Sie? Ballermann und Schlagermusik?".

Der Satz von Roth kommt mir jedesmal in den Sinn, wenn ich ein Kulturdenkmal (vor ein paar Tagen z.B. das Schloss Bruchsal) besichtige.

Ich halte es daher für dringend erforderlich, derartigen Versuchen energisch entgegenzutreten. Wir Deutsche haben allen Grund, auf unsere Kultur stolz zu sein.

Nun wenn schon der Vorsitzende des ZdJ Schuster vom "angeblichen Kulturvolk der Deutschen" spricht, ist die Sache klar.

Leyendecker, Volker | Sa., 27. August 2016 - 18:07

Wie viel Zeit braucht Ihre Zensur Kommentare zu Schalten ?? 27.08.2016

Jens Richter | Sa., 27. August 2016 - 19:14

...gehörte in diesen Zeiten zum guten Ton vor allem bei Kirchenangestellten aller Art. Das war noch zu Nietzsches Zeiten nicht anders (der verabscheute Antisemitismus übrigens). Dieser nur im historischen Kontext zu rezipierende Antijudaismus hatte so gut wie nichts zu tun mit dem erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Antisemitismus. Der frühe Luther war glühender "Philosemit", weil er davon ausging, dass die "gelehrten Juden" sofort und mit Hurra seinen Prostestantismus annehmen würden (ganz analog zum "Mekka-Mohammed" übrigens). Erst als die Juden kein Interesse an einer Konversion zeigten, wandelte sich Luther zum Judenhasser (enttäuschte Liebe sozusagen). Trotzdem gebe ich Ihnen Recht: einige der Bachlibretti (etwa Johannespassion) sind nur schwer erträglich.

André Hoppe | So., 28. August 2016 - 08:07

Es ist absurd, Bach irgend eine Art von Antisemitismus zu unterstellen. Seine Passionen spiegeln deutsche Hochkultur wider. Der Text der Passionen ist weitergehend aus dem neuen Testament. Wird als nächstes die Bibel umgeschrieben?

Stephan Müffler | Di., 30. August 2016 - 11:44

Antwort auf von André Hoppe

Das ist schon unter"Reichsbischof" Müller passiert. Es gab ein "entjudetes" Neues Testament. Viel wichtiger fände ich es, wenn die Musikverlage endlich aufhörten, ihre alten Vorlagen aus den 1930ern weiter zu benutzen. Beispiel? Aus "Dir, dir, Jehova, will ich singen" hat man "Dir, dir, o Höchster, will ich singen" gemacht. Außerdem geht es in den Libretti bei Bach und den Texten in den Passionen nicht um die verstockten Herzen derer, die das Heilsangebot Jesu nicht nur ausschlugen, sondern in ihm eine Gefahr für das damalige Establishment sahen und ihn unter falschen Anschuldigungen an ihre eigene Feinde auslieferten, damit er beseitigt wurde. Es geht um Wahrheit und um dunkle Machenschaften. Das hat nichts mit Luthers (aus persönlicher Enttäuschung gespeisten) Antijudaismus zu tun. Wie die Stadträte zu Bachs Lebzeiten: Ignorant und hochmütig! Jetzt fehlt nur noch der getaufte F. Mendelssohn-B.! Entschuldigung, aber ich kann diesen säkularen Betroffenheitskultes nicht mehr ertragen!

Wolfgang Tröbner | So., 28. August 2016 - 13:08

Wenn man Ihren Artikel, Herr Balcerowiak, liest und ansonsten noch nie mit Bach und seiner Musik in Berührung kam, müsste man unweigerlich eine direkte Linie von Luther + Bach zu Hitler ziehen. Bach also direkter Vorgänger und damit mitverantwortlich für alle Nazi-Verbrechen?
Ihre Sprache deutet darauf hin. „Bach war strammer Lutheraner“ – da denke ich doch sofort an ein „strammes NSDAP-Mitglied“. Und die Matthäus- und der Johannes-Passion sind „nicht einfach Vertonungen der antijudaischen Botschaften der Evangelien, sondern nach allen Regeln der Tonsatzkunst gestaltete Werke mit enorm emotionalisierender Wirkung“. Wie perfide von Bach.

Im Mittelpunkt der Passionen von Bach steht die Leidensgeschichte von Jesus, so wie sie im neuen Testament überliefert wurde. Also das Leiden eines Menschen. Nicht, wie von Ihnen suggeriert, der Hass gegen die „Juden“. Der mag tatsächlich vorkommen, geht aber vermutlich nicht über das hinaus, was damals in der Theologie herrschende Meinung war.

Wolfgang Tröbner | So., 28. August 2016 - 13:12

Selbst wenn Bach ein bekennender „Juden“-Hasser gewesen sein sollte (schriftliche Belege dafür gibt es nicht, allenfalls Indizien), muss man nicht auch ein wenig die Tatsache berücksichtigen, dass die Nazi-Verbrechen Jahrhunderte nach Bach begangen wurden und er keine Kenntnis davon haben konnte? Dass er einfach ein Kind seiner Zeit war? Könnte man Bach nicht auch unterstellen, dass, wenn er gewusst oder geahnt hätte, was in Zukunft passiert, er auch seine Haltung geändert hätte? Sie beurteilen Bach mit dem Wissen von heute nach heutigen Maßstäben. Wie Ihr Artikel zeigt, ist das nicht ganz frei von Problemen.

Und noch eines. Sie gehen auf die grandiose Musik von Bach kaum ein. Mir scheint, Sie mögen die nicht wirklich, oder? Mit einem rein ideologischen Blick erhalten Sie vermutlich auch keinen Zugang.

Ich jedenfalls lasse mir "meinen" Bach nicht nehmen. Er gehört mit zu dem Besten, was die deutsche Kultur hevorgebracht und der Welt geschenkt hat.

Winfried Krafft | So., 28. August 2016 - 19:45

Den Sinn der Ausstellung im Bachhaus Eisenach, in der es darum geht, bei dem genialen Musiker Johann Sebastian Bach antijüdische Ideen nachzuweisen, erschließt sich mir nicht. Wohl aber beklage ich den Geist unserer Zeit, der bemüht ist in der vita der Jubilare „dunkle Flecken“ zu finden und damit möglichst deren historische Bedeutung zumindest zu reduzieren. Auf der einen Seite wird der Antijudaismus von Luther und Bach, deren Lebenszeit rund 200 Jahre auseinander liegt, aus heutiger Sicht verurteilt, was meistens zu Ungerechtigkeiten führt.
Die deutsche Zeitgeschichte wird dabei sträflich vernachlässigt, wenn man an die Amtsträger der Bundesrepublik mit braunen Flecken in ihrer vita denkt. Aus meiner Sicht ist es sehr suspekt, dass „Mein Kampf“ wieder verlegt wird und der 75. Jahrestag des Einmarschs des „Deutschen Wehrmacht“ in die damalige Sowjetunion nicht zur Kenntnis genommen wird.

Leyendecker, Volker | Mo., 29. August 2016 - 00:25

Ich dachte Cicero wär ein gutes Blatt und nicht nur ein weiteres Propagandablatt für links. Wo ist die Objektive Berichterstattung über Erdogan und die einseitigen Berichte

franz wanner | Mo., 29. August 2016 - 13:38

Antwort auf von Leyendecker, Volker

weder als Presse, noch als Partei, noch auf Podesten oder in Denunziationen.
Und auch nicht als Haltung aus Prinzip.
Drehen Sie Ihren Satz. Propaganda stimmt jedenfalls.

franz wanner | Mo., 29. August 2016 - 09:58

Auseinandersetzung ist sicher immer gut. Aber...
Entweder ist die Musik gut oder nicht.
Da gilt es Werk von Person zu trennen.
Beschäftigt man sich aber mit der Person im historischen Kontext, dann sei die frage mal andersherum formuliert: Hätte die Person sein Werk erbringen können, OHNE dem (fortschrittlichsten) Teil des Zeitgeistes so verbunden zu sein?
Nein!
Das "moderne" Kritikastertum erweist sich da als Sinnwebe der Vergangenheit. Aber Bewahren ohne Zukunft ist heute ja wieder ganz ultramodern.
Auf allen Podien wird ja heute jede Zukunft abgelehnt, die nicht wie das gute Gestern ist.

Monika Medel | Mo., 29. August 2016 - 13:51

Bach hat für seine Kantaten und Passionen vorhandene Texte aus dem NT übernommen. Problematisch ist dabei vor allem das Johannesevangelium wo immer wieder im Zusammenhang mit dem Tod Jesu von "den Juden" gesprochen wird. Diese Texte entstammen einer Zeit als die Judenchristen aus der Synagoge ausgeschlossen wurden mit der Folge dass sie nun nicht mehr vom Kaiserkult dispensiert waren, mit tödlichen Folgen. Natürlich ist der daraus erwachsende Antijudaismus erschreckend und hatte für die Betroffenen schimme, oft ebenfalls tödliche Folgen. Um eine nüchterne und differenzierte Darstellung sollte man sich schon bemühen, statt einfach draufloszuhauen. Und auch solches hat Bach ja vertont:"Der Löwe von Juda kömmt siegend gezogen!" ( triumphaler Schlusschor des Osteroratoriums). Im Übrigen stimme ich Herrn Stein zu, dass es wohl um einen Kulturkampf geht mit dem Ziel einen genialen deutschen Komponisten madig zu machen.

Peter Hofstetter | Mo., 29. August 2016 - 14:20

Vielleicht befassen Sie sich damit dann auch mal.

Der Kommunismus forderte seit 1917 etwa 100 Millionen Opfer.
(Ohne die Kriegen, die die kommunistischen Staaten gegen andere Staaten führten, z.B. den sowjetischen Überfall auf Polen, das Baltikum usw.)

Erna Schmidet | Mo., 29. August 2016 - 17:59

Der Autor des Artikels ist nicht einmal in der Lage das Wort Pogrom richtig zu schreiben, will uns aber hier auf dunkle Flecken von damals und jetzt hinweisen wollen...

Petra Wilhelmi | Mo., 29. August 2016 - 18:43

Ich fasse es nicht, jetzt kommt nun der Bach dran. In dieser Zeit war es eben so, wie es war. Warum sollte Bach als Kind seiner Zeit anders denken, wie der Rest der Menschen zu dieser Zeit? Luther hatte in dieser Zeit auch keine Einzelmeinung zum Judentum. Hat Bach vielleicht auch rotes Fleisch gegessen und den Grundstein für die Erderwärmung gelegt? Sezieren wir nun auch unsere Eltern, Großeltern, Urgroßeltern? Waren auch sie etwa im Gleichschritt mit der allgemeinen Meinung des sog. 3. Reiches? Und was wird mit den vielen Menschen heutzutage, die die jetzt vorgeschriebene Ideologie vertreten? Ziehen unsere Enkel und Urenkel dann auch die Stirn kraus und fragen sich, wie man so denken konnte, wie jetzt gedacht werden soll? Was ist nur aus diesem Land geworden? Wissenschaft geht anders. Hier wird uns Ideologie verkauft und ich weiß wie Ideologie sich anfühlt, weil ich 40 Jahre in so einem Land lebte.

Johann Griegl | Mo., 29. August 2016 - 19:44

Das Johannesevangelium gilt fuer Cicero als antisemitisch, weil es in der deutschen Uebersetzung den Begriff "die Juden" fuer die Gegner Jesus Christus' verwendet?
Ich hatte vorher eine neutrale Meinung zu Cicero. Ich habe meine Meinung geaendert. Es ist ein normales Irrsinnigenblatt.

Vitali Müller | Mo., 29. August 2016 - 20:25

Vielleicht sollte sich der Herr mal eher mit Karl Marx und Hitler beschäftigen.Denn das "Judenfrage" von der Karl Marx schrieb hatte es Adolf sehr angetan....auch war Hitler Anhänger der SPD(die SPD verhinderte auch das er abgeschoben wurde!)bis sie den Versailler Vertrag akzeptierte.

Markus Vorzellner | Mi., 7. September 2016 - 00:29

Es ist erstaunlich, wie weit die schwer pathologische Seuche der "political Correctness" geht! Jetzt wird Bach als düsterer Vorläufer Hitlers gebrandmarkt. Aber gut: Macht bitte so weiter, ihr "Politisch Korrekten", in der Intensivierung eurer Lächerlichkeit, dann wird es der AfD noch leichter fallen, das politische Feld zu erobern! Ad multas absurditates!

Johannes Jünger | Do., 8. September 2016 - 13:34

Mir ist völlig unklar wie es dieser Artikel an der Chefredaktion von Cicero überhaupt vorbeigeschafft hat!? Wie man auch dem übergreifenden Tenor der Leserrückmeldungen entnehmen kann, entbehrt der Artikel bei genauer Betrachtung jeglicher sachlicher Grundlage. Daraus kann man nur schließen, dass das Anliegen des Artikels eine ideologisch getriebene, absichtliche Beschädigung von Bach sein soll. Ist das auch die Zielrichtung, die in der Chefredaktion von Cicero verfolgt wird, eine absichtliche Beschädigung des wahrlich reichen Erbes der christlich-abendländischen Kultur, auf deren Basis doch so viel positives entstanden ist? Ehrlich gesagt hatte ich die Chefredaktion von Cicero bisher nicht dermaßen geschichtsvergessen eingeschätzt! Unsere Väter und Mütter würden sich vermutlich im Grabe umdrehen, wenn sie wüssten, wie selbstzerstörerisch und achtlos wir mit unserem kulturellen Erbe umgehen...

Nicolas Linkert | Di., 13. September 2016 - 16:58

Genau, gar nichts. Gottfried Benn war mindestens ein Jahr lang leidenschaftlicher Unterstützer der Nazis - und er hat trotzdem einige der tiefsten und schönsten deutschsprachigen Gedichte geschrieben.

Das gilt es auszuhalten.