Odessa
In Odessa wurden Barrikaden zum Schutz gegen die russischen Angreifer errichtet / dpa

Ukraine-Debatte - Die falsche Alternative

Ob man für Waffenlieferungen an die Ukraine oder aber für eine Verhandlungslösung plädiert, hängt in erster Linie davon ab, wie man die russischen Kriegsziele interpretiert. Es geht in dem Streit also gar nicht um Waffenlieferungen versus Verhandlungen, sondern darüber, was Russland mit diesem Krieg erreichen will: Sicherheit oder Expansion.

Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

So erreichen Sie Thomas Jäger:

In die Diskussion um den richtigen Umgang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine soll hierzulande gerade eine Unterscheidung eingepflegt werden, die auf der einen Seite diejenigen sieht, die die Ukraine mit Waffen in ihrem Abwehrkampf unterstützen wollen, während auf der anderen Seite diejenigen stehen, die eine Verhandlungslösung anstreben. Kurioserweise wird dies auf Clausewitz zurückgespiegelt, so als wären Waffenlieferungen das Primat des Krieges und das Streben nach Verhandlungen das Primat der Politik. Oder ethisch gewendet: die Bösen gegen die Guten. Das ist eine geschickte, diskurstaktisch begründete, offensichtlich jedoch fehlleitende Unterscheidung. Nicht nur, weil sie die Lage auf zwei sich angeblich ausschließende Handlungsalternativen reduziert, sondern auch, weil sie den Kontext nicht reflektiert. Also ist es mehr Gesprächstaktik als ein Beitrag zu einer zielführenden Diskussion auf der Grundlage einer umfassenden politisch-strategischen Analyse.

Vielmehr leitet die ungleiche Bewertung, zu welchem Zweck der Angriffskrieg geführt wird, die unterschiedlichen Einschätzungen an, weil daraus folgt, was zu tun ist, um das zu erreichen, was angestrebt wird. Konkret: Wer Waffenlieferungen unterstützt, interpretiert die russischen Kriegsziele anders als diejenigen, die auf Waffenstillstand und Verhandlungen dringen. Deshalb geht auch die Diskussion aneinander vorbei. Denn eigentlich wird nicht über Waffenlieferungen versus Verhandlungen gestritten, sondern darüber, was Russland mit diesem Krieg erreichen will. Das ist der notwendige Kontext, ohne den die Diskussion keinen Sinn ergibt.

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Warten Sie, bis Sie von einer ehemaligen Grund- und Hauptschullehrerin als "strunzdumm" bezeichnet werden, weil Sie - wie ich - der Analyse Jägers folgen.
Putins verlotterte Soldateska begeht systematisch Kriegsverbrechen. Auch Kulturstätten werden gezielt zerstört.

https://www.sueddeutsche.de/kultur/ukrainekrieg-krieg-in-der-ukraine-ku…

Es geht offenbar darum, in den besetzten Gebieten alles Ukrainische auszurotten. Von daher reden wir hier eigentlich nicht mehr von einem Angriffs-, sondern einem Vernichtungskrieg.

Bernd Windisch | Mo., 11. Juli 2022 - 14:23

sollte unbedingt und sofort zuerst an alle Frontsoldaten und in einem zweiten Schritt den deutschen Micheln zugeleitet werden. Den einen damit sie besser verstehen weshalb sie gerade sterben und den anderen weshalb sie ihren Wohlstand verlieren und im Winter frieren müssen.

Danke! Ich glaube das haben wir dringend gebraucht. Jetzt wird alles leichter!

Christoph Kuhlmann | Mo., 11. Juli 2022 - 14:50

der weiß dass da permanent übelste Kriegshetze läuft. Es gibt auf arte eine emigrierte russische Journalistin, die sich das den ganzen Tag antut und ein Magazin dafür hat. Irgendwo auf Tracks: https://www.arte.tv/de/videos/106757-009-A/tracks/ Das System in Russland hat seit Jahrzehnten Willkür und Gewalt gegen die aufgeklärten Teile der Gesellschaft ausgeübt und das ganze jetzt auf das Niveau einer Diktatur gebracht. Die Unzufriedenheit der Gesellschaft z. B. wegen des stagnierenden pro Kopf Einkommens lässt sich nur noch mühsam durch Wahlfälschungen kaschieren. Also versucht das System sich Legitimation durch den Kampf gegen einen äußeren Feind beschaffen. Es ist völlig gleichgültig ob Russland verhandelt oder nicht. Die Diktatur ist nicht in der Lage ein vergleichbare Steigerung des pro Kopf Einkommens zu organisieren, wie es zum Beispiel Polen seit dem EU-Beitritt hat. Deshalb kann es keine friedlich prosperierende Ukraine, als Beweis der eigenen Unfähigkeit dulden.

Gerhard Lenz | Mo., 11. Juli 2022 - 14:57

Tja wie interpretieren wir denn die russischen Kriegsziele?

So, wie es uns der Kreml weismachen will?

Geht es darum, die Nazis an der Spitze des ukrainischen Staates "zu eliminieren"?

Das Territorium des Staates "Ukraine", irgendwie eine "staatliche Mißgeburt" wieder heim ins russische Reich zu holen?

Mal eben den Osten der Ukraine abzuspalten, auf den Putin aufgrund der überwiegend russischsprachigen Bevölkerung ein "natürliches Anrecht" hat?

Überhaupt die Befindlichkeiten von Vladimir Putin I. als Maßstab jeglicher Ost- nein Weltpolitik zu machen, von Putinisten gerne "Realismus" genannt? Damit allen Interessierten im Osten Europas den Zugang zu NATO und EU zu versperren?

Gegenfrage: Wann konkret hat die NATO Russland bedroht?

Antwort: Nie.

Putin ist ein Psycho, der sich permanent im Kampf wähnt. Der ewige Agent, dauerhaft damit beschäftigt, Feinde in Schach zu halten.

So einer gehört gar nicht in irgendeine Regierung.

Was soll man da noch interpretieren?

Helmut Bachmann | Mo., 11. Juli 2022 - 15:09

Stimmt, so einfach ist es, die ganze Naivität der Putinfans und derer, die angeblich nur am Frieden interessiert sind, offenzulegen. Wie kann man ernsthaft an die Propagandalügen glauben und die Augen vor dem Offensichtlichen Verschließen? Jemand der nicht an imperialen Gelüsten leidet, hätte keinen Angriff befohlen. Jemandem, der sich ernsthaft von der NATO bedroht fühlte, könnte man auch gar nicht trauen, denn er ist offensichtlich paranoid. Wäre es nur um die Länge des Gemächts gegangen (wovon ich zunächst ausging), hätte es gereicht, die Ukraine zu umzingeln, um in Verhandlungen um den Status einzusteigen. Es gibt schlicht keinen Grund, Putins "Begründungen" zu trauen. Es gab auch nie einen Grund, ihm unsere Versorung anzuvertrauen. Dass er ein ewiger kalter Krieger war und ist, war immer sichtbar.

Petra Horn | Mo., 11. Juli 2022 - 15:25

Nach 1989 und während der für die Russen beschämenden 90er Jahre, in der ein Trunkenbold die Reichtümer des Landes verschenkte, hatte Rußland versucht auf den Westen zuzugehen, war jedoch nicht nur brüsk abgewiesen worden, sondern die Nato näherte sich von allen Seiten an die russischen Grenzen an.
Das bekannte 5 Mrd. Investment von Victoria Nuland and Friends zur de facto Einverleibung der Ukraine, war für Rußland das Fanal, daß es aufrüsten mußte.
Und wie bei Tarifverhandlungen wird man weitergehen, als man selbst erhofft zu bekommen. Das heißt, möglicherweise gibt sich Putin mit der Eroberung der Ostukraine zufrieden, aber schon aus psychologischen Gründen wird er versuchen weiter zu gehen, um noch weitere Zugeständnisse zu erhalten.

ingo Frank | Mo., 11. Juli 2022 - 16:02

Verhandeln sollen?
Sie sitzen schlicht und ergreifend an dem längeren Hebeln die den Gas und Ölhahn bedienen.
Und wenn ich das Gedöne unserer „Grünen Eliten“ höre und lese, gerade gegenüber Russland den Gashahn selber zu drehen zu wollen, lacht sich der Herr im Kremel samt seines Außenministers kaputt. Die Chance Deutschland und der EU eine „Lektion“ zu erteilen ….. darum bracht man Putin nicht mehrfach (wie von unseren zwei beliebtesten Politikern oft genug getan) zu bitten. Eröffnet NS 2 nicht und lasst NS1 geschlossen! Mal sehn wer den längeren Atem hat. So einfach ist Politik wenn kein Plan vorhanden ist.
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Tomas Poth | Mo., 11. Juli 2022 - 16:53

... der Russen-Jäger solche rhetorischen Fragen stellt. Aber wer so liebedienerisch den US-Doktrien, Russland zu isolieren, die Stange hält kann wohl nicht anders.
Die Chance einer Zusammenarbeit mit Russland zum Nutzen ganz Europas wurde seit 1990 vertan und von den US-Boys hintertrieben.
Die Ukraine, ganz Europa zahlt jetzt dafür.

Kai Hügle | Di., 12. Juli 2022 - 08:41

Antwort auf von Tomas Poth

Herr Prof. Jäger ist also ein "Russen-Jäger"...
Wenn es argumentativ nicht reicht, wird es halt platt.
Ebenso verhält es sich mit dem "strunz-dumm", das Frau Wallau Andersdenkenden entgegenschleudert. Gossensprache in einem Magazin für politische Kultur. Man ist offenbar völlig runter mit den Nerven hier.
Herr Prof. Jäger nimmt es hoffentlich mit Humor...

Tomas Poth | Di., 12. Juli 2022 - 12:24

Antwort auf von Kai Hügle

Hr. Hügel, waren Sie schon an vorderster Front, um den Ukrainern zu helfen. Wieviele russische Soldaten haben Sie schon getötet, einen, zehn, hunderte und wieviel russisches Kriegsmaterial haben Sie dabei zerstört?
Wieviel Gelände haben Sie dabei schon für die Ukraine zurückgewonnen, und sind Sie schon bis zu russischen Grenze vorgestoßen?
Stellen Sie doch bitte mal Ihre Pläne für die Kriegsbeendigung und einen Frieden dar.
"strunz-dumm", die Steigerung davon ist Kriegstreiberei, denken Sie mal darüber nach.

Kai Hügle | Di., 12. Juli 2022 - 15:49

Antwort auf von Tomas Poth

In dem Artikel wird ziemlich genau erklärt, dass und warum Russland im Grunde nicht verhandlungsbereit ist. Viele westliche Politiker sind im Januar/Februar nach Moskau gereist und haben versucht, zu verhandeln. Sie wurden von den Machthabern im Kreml nach Strich und Faden belogen.
Bevor Sie jemandem wie Jäger oder wem auch immer "Kriegstreiberei" vorwerfen, sollten Sie erst einmal darüber nachdenken, wer wessen territoriale Integrität bereits seit 2014 massiv verletzt und wer wo einmarschiert ist, Städte in Schutt und Asche legt und Zivilisten ermordet.
Was Sie mit Ihren Fragen bezwecken (und der Schreibweise meines Namens), weiß ich nicht. Ich schätze, ich habe genau so viele Tage an der Front gekämpft wie Sie mit Putin und Lawrow "verhandelt" haben. Was soll dieser infantile Unsinn eigentlich?

Urban Will | Mo., 11. Juli 2022 - 17:39

umzusetzen wäre.
Selbst wenn Russland d komplette Ukraine erobert, einen Krieg gg d NATO wird es nur unter dem Risiko der eigenen Vernichtung beginnen können.
Auch konventionell.
Weiterhin wird Putin und seinen Leuten wohl schon vor dem Angriff klar gewesen sein, dass sich die NATO an ihren Ostgrenzen verstärken würde. Alles andere wäre naiv.
Wenn ich richtig gelesen habe, gab es „Maximalziele“ der Russen: die Krim, Unabhängigkeit d Provinzen Luhansk und Donezk, sowie keine NATO – Mitgliedschaft d Ukraine.
Da war Selenskyj auch schon mehr oder weniger.
Dann war Funkstille.
Dann d Eroberung all der Gebiete seitens d Russen.
Und nun redet Selenskyj von d „Rückeroberung“, man ließt, es begänne bald eine Gegenoffensive mit einer Mio (!) Soldaten.
Ich habe immer mehr den Verdacht, dieser Krieg „darf“ einfach noch nicht enden und Interpretationen sind völlig fehl am Platze, da täglich neue möglich sind.
Ich befürchte, es müssen noch viele 100tsd Menschen sterben, bis man schlauer ist.

WD Hohe | Mo., 11. Juli 2022 - 18:32

Im Grundsätzlichen stimme ich Ihnen zu, Herr Jäger, aber eines zeigt nicht nur das letzte Jahrhundert.
Aus Schwäche heraus wird man für einen Angreifer dieser Kategorie kein ernst zu nehmender Verhandlungspartner .
Zeigen nicht nur die 1930er Jahre
Da wurde angefüttert.
Getätschelt und Leckerlis verteilt.

Martin Falter | Mo., 11. Juli 2022 - 19:15

ja das ist traurig und beschämend und ich befürchte, das einige es noch immer nicht verstanden haben.

Liegt es daran, dass diese Leute die Zusammenhänge wirklich nicht verstehen oder wollen sie es bloß nicht verstehen?

Letztendlich ist es aber egal, denn sie sägen an dem Ast auf dem sie selber sitzen.
Und es ist eine laute Minderheit mit wenig oder keinem Einfluss.

Brigitte Simon | Di., 12. Juli 2022 - 13:05

Es wird Zeit, daß der Westen Selenskyj als das sieht was er ist, wie Putin nicht nur ein Imperialist, sie sind Autokraten. Es ist höchste Zeit, daß der Westen S. als diesen begreift. S. fordert und er-
presst D. Und unsere Regierung vergißt, sein ei-genes Volk zu schützen und nicht vernichtet werden zu lassen. Der Westen muß sich die Frage stellen, ob er mit seinen Waffenlief-erungen diesen Krieg künstlich verlängern will.

Daß Putin alles Erdenkliche unternimmt, um die Ukraine zu besetzen und eine Regierung in Kiew zu installieren ist bekannt. Weitere Sanktionen könnten brandgefährlich werden und eine nukleare Eskalation zur Folge haben kann. Was kann der Westen dann noch tun?

Wir müssen uns überlegen, ob wir die Uklraine in ihrem heldenhaften aber aussichtslosen Kampf unterstützen wollen oder nicht. Jetzt ist die Stunde für Nüchternheit und Realpolitik . Das ist nicht kaltherzig , sondern vom Ende her gedacht. Das muß die Ukraine selbst entschei-den. Hat S überhaupt eine Strategie?

Eckhard Lüth | Di., 12. Juli 2022 - 23:05

Bei dem Szenario bleibt maximal eine Rumpf-Ukraine mit bis zu 15 Mio. Flüchtlingen nach Westeuropa. Uns bliebe dann nur Russland als imperialistische Macht und eine Art Nordkorea zu betrachten und zu behandeln mit hermetischen Ausschluss aus Europa. Den Ukrainern bliebe nur die Russen weltweit für vogelfrei zu erklären und zu einem asymmetrischen Krieg unbekannten Ausmaßes überzugehen.