- Fans für den Feldzug
Mit exzessiv zur Schau gestellten Militärgrüßen kehrt ausgerechnet unter Recep Tayyip Erdogan die Symbolik soldatischen Gehorsams zurück. Tatsächlich war das militärische Moment der Türkei nie wirklich weg. Aber der türkische Präsident schürt bewusst einen provozierenden Nationalismus
Der Torjubel von Fußballern hat sich mittlerweile zu einem eigenen Genre entwickelt. Da werden nach erfolgreichen Torschüssen pantomimisch Babys geschaukelt, Herzen verteilt, die Säge rausgeholt, Saltos gesprungen oder Comic-Helden imitiert. Jetzt haben die Spieler der türkischen Nationalmannschaft bei ihren jüngsten Länderspielen eine politische Aktion daraus gemacht: Sie salutierten in Reih' und Glied, so wie in der Armee üblich. Es war ein solidarischer Gruß an die türkischen Truppen, die wenige Tage zuvor in Nordsyrien einmarschierten.
Für alle Sportfreunde und Gegner dieser Invasion war das eine Provokation. Fußball sei unpolitisch, ist oft das Argument. Das ist eine berechtigte, aber auch naive Aussage, denn der Sport und vor allem der kommerzielle Fußball sind auch Faktoren der nationalen Identitätsstiftung geworden. Dass sich der Fußballverband nun mit diesem Regelverstoß beschäftigt und ihn vielleicht sanktioniert, ist reine Symbolpolitik. Aber was steckt hinter dem Salut der Nationalspieler?
Soldatischer Gehorsam ist Teil der Türkei
Der Gruß der Spieler zeigt beispielhaft, was unter türkischer Identität verstanden wird. Kemal Atatürk, vor fast hundert Jahren der Begründer der Republik Türkei, und auch seine Nachfolger im Präsidentenamt haben dem Land eine bürgerliche, säkulare Verfassung gebracht. Aber sie haben die Türkei auch nach militärischen Prinzipien organisiert: An der Spitze steht der Oberbefehlshaber, dem die Industrie, die Landwirtschaft, das Erziehungs- und Bauwesen bereitwillig folgen. Die Herrschaft des Militärs begann erst im Jahre 2002 zu bröckeln, als der jetzige Präsident Erdogan an die Macht kam. Diese Entwicklung endete vorerst mit dem gescheiterten „Putsch“ im Jahr 2016.
Die Mentalität eines soldatischen Gehorsams, bei gleichzeitiger Überhöhung der eigenen Stellung, grub sich im Laufe der Zeit tief in das türkische Selbstverständnis ein. Selbst der wöchentliche Fahnenapell an den Schulen wird wie ein militärisches Ritual inszeniert. Deshalb hält wohl auch der türkische Botschafter in Deutschland, Ali Kemal Aydin, Kritik am militärischen Gruß für ungehörig, denn die Nähe zum Militär gehört zum republikanischen Verständnis der Türkei. Dies zu kritisieren, grenze „wirklich an Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Rassismus“, so Aydin.
Die Militäroffensive erhält große Unterstützung
Der Salut der Fußballer ist auch ein Ausdruck der breiten Zustimmung der türkischen Bevölkerung bezüglich der Invasion in Syrien, dessen Ziel es sein soll, die syrischen Flüchtlinge umzusiedeln und gleichzeitig zu verhindern, dass sich ein selbstverwaltetes kurdisches Gebiet, ein kurdischer Staat, etabliert. Auch wenn es in Deutschland kaum vorstellbar ist, eint Erdogan mit der Militäraktion die meisten Türken: Alle Parteien, von den MHP-Faschisten über die Islamisten der AKP, bis zu der republikanischen CHP haben dem Einmarsch zugestimmt. Die einzige Partei, die nicht dabei ist, ist die von Kurden dominierte HDP.
Die Invasion mag die Mehrheit Türken hinter Erdogan, dem Kämpfer für die Sache Gottes, eine Zeit sammeln. Das Volk der Türkei könnte aber trotzdem tiefer denn je gespalten werden. Denn die Kurden, fast 15 von über 80 Millionen Staatsbürgern, werden von diesem Gemeinschaftsgefühl ausgeschlossen. Es sind Kurden, gegen die in Syrien gekämpft wird, es sind die Kurden, die verjagt werden sollen. Dies ist ein politischer und militärischer Feldzug gegen ihre Bestrebungen, einen eigenen kurdischen Staat zu gründen.
Die Kurden versöhnten sich nie mit der Türkei
Der Gründer der republikanischen Türkei, Kemal Atatürk, wollte die Völker Anatoliens – die Griechen, Türken, Armenier, Tscherkessen, oder Kurden – unter einer Flagge vereinen. Der Preis war die Vertreibung und Unterdrückung derjenigen, die sich nicht fügten. Geeint hat es das Land damals nicht. Die Mehrheit der Kurden hat sich nicht, wie die Tscherkessen, zur Türkei bekannt. Denn viele Kurden glaubten damals an Atatürks Zusage, ihr Volk würde Autonomie erhalten – doch sie wurden enttäuscht. Viele lebten weiter in ihren Stammesstrukturen, wandten sich gegen Reformen der Republik. Eine separatistische Gruppe von Kurden radikalisierte sich und bildete die PKK, ein gefährliches Organ der kurdischen Identität.
Die Abneigung ging so weit, dass die Kurden einen Guerillakrieg gegen den türkischen Staat führten. Von der Türkei selbst kam meist auch nur Misstrauen und Antipathie. Dass Erdogan jetzt nach der islamischen Karte, die nationalistische Karte spielt, zeigt wie dünn der Firnis der Einheit ist.
Wenn sich jetzt die türkische Öffentlichkeit einig ist, dass die Kurden aus der Grenzregion in Nordsyrien vertrieben werden müssen, um das eigene Land vor Terror zu schützen, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist der Wunsch im Land, dass die ehemals als „Brüder und Schwestern“ begrüßten und nun für viele zur Belastung gewordenen Syrer auf Kosten der in Nordsyrien lebenden Kurden umgesiedelt werden sollen. Dann hätte Präsident Erdogan mit der Militäroffensive zwei Probleme auf einmal gelöst.
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sollen sie doch in einem deutschen Fußballstadion diesen provozierenden Militärgruß vollführen, dann werden sie ein gewaltiges Pfeifkonzert ernten... Ich freu mich drauf!
Dies türkische Militär-Fußballmannschaft muss man nicht für Nationalspiele zulassen - andere Länder sollten ihre Fußballer nicht mit dieser türkisch-islamistischen Mannschaft spielen lassen. Boykott JETZT!
Da wird nicht nur der militärische Gruß gezeigt. Wenn man sich das Bild genau anschaut erkennt man das über dem Kopf des Grüßenden ganz links eine Hand zum Wolfssymbol geformt befindet. Das ist das Zeichen der "Grauen Wölfe", einer widerlichen rechtsextremistischen Bewegung aus der Türkei.