- Blackouts als Symptom
Auf Kuba wird diskutiert, ob die jüngsten Stromausfälle auf die Nachlässigkeit der Regierung zurückzuführen sind. Weitgehend ausgeblendet wird, dass viele Probleme struktureller Natur sind – und viele Lösungen unerwünschte Veränderungen mit sich bringen könnten.
Kuba hat eine schlechte Woche hinter sich, selbst für kubanische Verhältnisse. Innerhalb von 48 Stunden kam es zu vier landesweiten Stromausfällen, bevor der Hurrikan Oscar mit voller Wucht zuschlug. Die beiden Ereignisse haben die Unsicherheit der kubanischen Infrastruktur, insbesondere des Stromnetzes, in den Vordergrund gerückt.
Ein Großteil der anschließenden Diskussion konzentrierte sich auf die Ursachen der Stromausfälle und darauf, inwieweit sie auf die Nachlässigkeit der Regierung zurückzuführen sind. Weitgehend ausgeblendet wird dabei, dass viele der kubanischen Probleme struktureller Natur sind – und dass viele ihrer Lösungen für Havanna unerwünschte Veränderungen mit sich bringen könnten.
Kubanische Stabilität
Alfred Thayer Mahan, der geschätzte Marinestratege und geopolitische Theoretiker, lieferte den Rahmen dafür, warum ein so kleines Land wie Kuba so wichtig sein kann. Er argumentierte, dass der strategische Wert eines Ortes auf seiner Nähe zu Operationen (Position), der Verteidigungsfähigkeit von Häfen (militärische Stärke) und seiner Fähigkeit, schnell Nachschub zu sichern (Ressourcen), beruht. Kuba erfüllt alle drei Kriterien.
Es liegt an mehreren Seewegen, auf die sich der US-amerikanische, mexikanische und internationale Handel verlässt. Kuba liegt in der Nähe der Mündung des Mississippi, dem Ausgangspunkt vieler amerikanischer Agrarexporte, in der Nähe der Stadt Colon, wo der Panamakanal in die Karibik mündet, und in der Nähe der Kleinen Antillen, die in den Atlantik münden. Kuba ist somit ein entscheidender Faktor für den Seehandel, die Stabilität der Karibik und den Wohlstand der USA. Aus diesem Grund spielt die kubanische Stabilität in der amerikanischen Außenpolitik eine so große Rolle.
Probleme mit dem kubanischen Stromnetz untergraben die kubanische Wirtschaft und können so die Insel destabilisieren. Die wirtschaftlichen Bedingungen in Kuba sind heute genauso schlecht oder noch schlechter als 1993, dem schlimmsten Wirtschaftsjahr in der Geschichte des Landes. Obwohl sich die Wirtschaft seither leicht erholt hat, waren die letzten 30 Jahre von einer Krise nach der anderen geprägt, einige davon hausgemacht, andere exogen verursacht.
Nachfrage übersteigt Angebot
Die derzeitige Wirtschaftskrise ist ein Überbleibsel der Corona-Pandemie. Die Reisebeschränkungen dezimierten Kubas Tourismusindustrie, was dazu führte, dass die für die Einfuhr lebenswichtiger Güter erforderlichen US-Dollar versiegten. Brennstoffknappheit führte dazu, dass landwirtschaftliche Erzeuger, Elektrizitätswerke, Industrie und Haushalte um ein immer kleineres Stück vom Kuchen konkurrieren mussten.
Es kam zu Nahrungsmittelengpässen, da die Regierung der Erholung des Tourismus Vorrang einräumte. Die staatlichen Investitionen in nicht-touristische Sektoren gingen zurück, wobei die Versorgungsunternehmen im Jahr 2022 gerade einmal 6,6 Prozent der Investitionen erhielten. Wenn man dann noch bedenkt, dass seit 1990 die Nachfrage nach Strom das Angebot übersteigt, wird klar, warum das Netz so marode ist.
Verfall der Infrastruktur
Für Havanna war und ist es schwierig, das Netz zu reparieren und zu modernisieren. Ein Großteil der bestehenden Infrastruktur, einschließlich der Wärmekraftwerke, wurde direkt oder indirekt von der Sowjetunion gebaut, die nach 1975 zur Verdreifachung der Stromerzeugungskapazität des Landes beitrug. Die umfangreiche sowjetische Unterstützung endete jedoch in den 1980er Jahren, so dass selbst die jüngsten kubanischen Kraftwerke etwa 40 Jahre alt sind.
Der Zusammenbruch der Sowjetunion und das US-Embargo erschwerten die Bemühungen der Regierung, die für die Aufrechterhaltung und Modernisierung der Elektrizitätsinfrastruktur erforderlichen Materialien zu importieren. Sie erschwerten auch die Einfuhr von Brennstoff, der für den Betrieb der Kraftwerke benötigt wird. Infolgedessen musste Kuba auf einheimisches Rohöl zurückgreifen, das höhere Schwefel- und Wasserkonzentrationen aufwies als importiertes Öl und die thermoelektrischen Kessel und andere Anlagen beschädigte.
Mit anderen Worten: Der Brennstoffmangel und der Verfall der Infrastruktur sind die Hauptursachen für die jüngsten Ausfälle in dieser Woche. Nach vorsichtigen Schätzungen lokaler Analysten wird die Instandsetzung des kubanischen Stromnetzes etwa 10 Milliarden Dollar kosten, was etwa 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Landes entspricht.
Grundlegende Probleme
Sofortige Hilfe mag Kuba kurzfristig helfen, aber sie wird die grundlegenden Probleme des Landes nicht lösen. Dennoch könnte die angebotene Hilfe Aufschluss darüber geben, welche Länder ihren Einfluss in dem Land verstärken wollen. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts führt die kubanische Regierung Gespräche mit mindestens fünf ausländischen Regierungen: Barbados, Kolumbien, Mexiko, Russland und Venezuela.
Das Angebot von Barbados ist als ein Akt der Solidarität zu sehen; das Land ist zu klein, um genug zu bieten, um etwas zu bewegen. Venezuela und Kolumbien fallen insofern in eine ähnliche Kategorie, als sie nur begrenzte Möglichkeiten haben. Kolumbiens Regierung ist mit einem wirtschaftlichen Abschwung, sinkenden staatlichen Mitteln und umstrittenen Reformen beschäftigt, und Venezuela, einst ein wichtiger Öllieferant für Kuba, musste seine Lieferungen aufgrund innenpolitischer und wirtschaftlicher Probleme drastisch reduzieren. (In der ersten Hälfte des Jahres 2024 lieferte Venezuela 27.000 Barrel Öl pro Tag an Kuba, ein Rückgang um fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr.)
Angesichts ihrer strategischen Interessen stechen Mexiko und Russland am meisten hervor. Mexiko grenzt an die Karibik und betrachtet daher die Stabilität Kubas als Sicherheitsfrage. Es hat bereits „humanitäre Hilfe“ als Vorwand für die Lieferung von Öl und anderen Waren an Kuba genutzt. Im Jahr 2022 lieferte es beispielsweise Teile und Ausrüstungen für Kubas thermoelektrische Anlagen im Wert von 700.000 Dollar. (Es ist unklar, ob die neue mexikanische Präsidentin, Claudia Sheinbaum, in die Fußstapfen ihres Vorgängers treten wird.)
Russland wiederum schätzt Kuba als Quelle des Drucks und des Schmerzes für die USA. Moskau hat in den letzten zehn Jahren Kredite im Wert von mehr als 1 Milliarde Dollar an Kuba vergeben, von denen ein Teil für die Verbesserung des Stromnetzes bestimmt war und ein anderer Teil inzwischen gestrichen wurde. Russland ist inzwischen Kubas größter Öllieferant. Das Problem für Russland ist, dass es einen Krieg in der Ukraine führt und durch internationale Sanktionen gelähmt ist.
Die USA an der Seitenlinie
Auffallend ist, dass China nicht auf der Liste steht. Aus strategischer Sicht ist es für China sinnvoll, in Kuba Einfluss zu nehmen, um in der westlichen Hemisphäre ein Druckmittel gegen die USA zu haben. Aus diesem Grund hat China in den 2000er und 2010er Jahren umfangreiche Kreditlinien und Investitionsprojekte auf der Insel eingerichtet. Das Land ist jedoch mit seinen eigenen wirtschaftlichen Problemen beschäftigt, die Kuba vorerst zu einem unattraktiven Partner machen. Die kubanische Regierung schuldet großen chinesischen Unternehmen Hunderte von Millionen Dollar, und Peking hat es satt, darauf zu warten, sie einzutreiben.
Die USA beobachten derweil von der Seitenlinie aus. Washingtons ultimatives Ziel ist es, das Castro-Regime durch eine US-freundlichere Regierung zu ersetzen, die es dem Land ermöglichen würde, den verlorenen Einfluss zurückzugewinnen. In den letzten Jahren wurden auf niedriger Ebene Gespräche mit Havanna geführt, aber grundlegende Differenzen haben wesentliche Veränderungen verhindert. Das Einzige, was eine Änderung des Status quo herbeiführen könnte, sind öffentliche Unruhen, die Washington wahrscheinlich unterstützen würde.
Es wurde über Proteste als Reaktion auf die Stromausfälle berichtet, und eine breitere soziale Unzufriedenheit ist spürbar. Alle verfügbaren Berichte deuten jedoch darauf hin, dass es den kubanischen Sicherheitskräften gelungen ist, die Unruhen unter Kontrolle zu halten. Außerdem ziehen es die kubanischen Bürger nach wie vor vor, das Land zu verlassen, anstatt in Massen zu mobilisieren.
Stabilisierung von innen
Allein zwischen 2022 und 2024 werden schätzungsweise 850.000 Kubaner in die USA einreisen. Ein führender kubanischer Wirtschaftswissenschaftler und Demograf schätzt, dass die Bevölkerung Kubas seit 2022 um 18 Prozent gesunken ist, was bedeutet, dass die derzeitige Bevölkerung auf der Insel bei etwa 8,62 Millionen Menschen liegt und nicht bei den von der Regierung angegebenen elf Millionen. Unter diesen Umständen ist es unwahrscheinlich, dass die USA Kuba bei seinen Netzproblemen helfen, obwohl sie die Bemühungen Mexikos stillschweigend unterstützen könnten, da ihre Interessen übereinstimmen.
Unterm Strich bedeutet dies, dass Kubas Notwendigkeit, sein Stromnetz zu überholen, die Tür für externe Gönner öffnet. Die Erneuerung der Energiematrix der Insel erfordert eine Umstellung auf erneuerbare Energiequellen, insbesondere Solarenergie. In dieser Hinsicht könnten China, die USA, Brasilien und einige europäische Länder zu wertvollen Partnern werden, da sie über tiefere Taschen und Unternehmen verfügen, die bereit sind, die Rechnung zu bezahlen.
Eine bessere Regierungsführung, ein besseres Ressourcenmanagement und eine makroökonomische Stabilisierung müssen von innen kommen, nicht von außen. Wer auch immer Kuba beim Wiederaufbau seines Stromnetzes helfen wird, wird einen der Schlüssel zur wirtschaftlichen Erholung der Insel und zum Einfluss in der Karibik in der Hand halten.
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Die letzten Kommunisten haben keine Chance. Während RGW-Zeiten diente die Insel hauptsächlich als Lieferant von Zucker, Tabek und ein paar tropischen Früchten, im Gegenzug wurde den Menschen das Überleben auf der im Grunde schon immer armen Insel durch üppige Hilfen aus Moskau ermöglicht. Heute verbindet die letzten Kommunisten in Havannah und Putins Faschisten in Moskau höchstens noch die Feindschaft zur USA. Und selbst die variiert und hängt davon ab, wer im White House residiert. Trump hat viele Wähler unter oftmals wohlhabenden Exilkubanern; am liebsten würde er die Insel völlig von der Außenwelt abschliessen und die Kubaner aushungern. Die vorsichtige Öffnung unter den Demokraten widerum macht die Kubaner mißtrauisch- sie fürchten, durchaus zu Recht, dass eine Rückkehr besagter Exilkubaner zu sozialen Spannungen und Verarmung großer Bevölkerungsteile führen könnte. Letzte Verbündete sind das marode Venezuela und Chinesen, die sich Einfluß verschaffen...
Wäre die Grenze zu den USA beidseitig ganz offen, würden sehr viele Kubaner dem Anschein nach die USA bevorzugen. Das scheint mir ein deutliches Votum gegen die Regierung in Kuba.
Für mich eine spannende Fragen ist, inwieweit es "nur" die Regierung ist oder auch ein Misstrauen in die wirtschaftliche Funktionsfähigkeit (nicht die menschliche) der Gesellschaft selber (unabhängig von der Regierung). Die andere für mich wichtige Frage ist, wie es aussähe, wäre Kuba keinerlei Handelseinschränkungen unterworfen und könnte ganz frei importieren und exportieren.
Das ist natürlich kaum zu beantworten, aber Abschätzungen dazu fände ich interessant.
So ein hundert Jahre Kredit, der nie bedient wird und China zugriff auf die Ressourcen des Landes garantiert. Die Chinesen stehen auf so etwas. Insbesondere wenn sie dafür ihre Solarzellen loswerden. Sie werden immer günstiger. Jetzt fehlt nur noch ein Dummer, der die Sache zahlt. Mit einer grünen Regierung wäre das gar nicht so ausgeschlossen. Es gibt ja diese Co2 Zertifikate mit denen die europäische Industrie ihre Co2 Bilanz aufhübschen kann. Man baut Solaranlagen dort wo die Sonne scheint und bekommt Zertifikate dafür. Natürlich vorzugsweise in Ländern, die im globalen Korruptionsindex die hinteren Plätze belegen. In China stehen 45 von 60 Projekten nur auf dem Papier. Falls man mehr als eine alte Hühnerfarm erwartet, ohne Solar versteht sich. Die Zertifikate werden von der EU anerkannt und die Zeche zahlen die Verbraucher der EU. Das funktioniert bestimmt gut als Dreieckslösung zwischen China, Kuba und Europa. Habeck findet so etwas toll. Baerbock auch.
"Washingtons ultimatives Ziel ist es, das Castro-Regime durch eine US-freundlichere Regierung zu ersetzen, ..." "Das Einzige, was eine Änderung des Status quo herbeiführen könnte, sind öffentliche Unruhen, die Washington wahrscheinlich unterstützen würde." Man höre, aber staunen braucht man nicht. Man stelle sich vor, Obamas UA-Beauftragter u./o. seine Vorgänger hätten diese Linie gefahren-abwegig!
Sowohl in Brasilien als auch in Angola (Erdöl) sind z.Z. Kräfte an der Regierung, deren Vorgänger einst "kub. Solidarität" genossen (Militärhilfe mit kub. Soldaten vor Ort, medizinische Hilfe u.a. mit kub. Ärzten vor Ort). Vllt. sind diese Kräfte den z.Z. in Kuba Regierenden geneigter als die USA (Lt. heutiger Dlf-Auslandspresseschau äußerte sich eine führende ang. Zeitung i.S. einer Orientierung der Länder Afrikas in Richtung BRICS).
Sollte die Nichterwähnung der kub. Nickel- und Kobaltförderung bedeuten, dass diese inzwischen volkswirtschaftlich (Export) nicht mehr relevant sind?
Bei einem möglichen Auslandseinsatz laufen mehr als 20 Prozent der beruflich und sportlich gut gebildeten Kubaner und Kubanerinnen davon.
Für diverse Sextouristen, Männer wie Frauen, aus Frankreich, Italien und Deutschland bleibt seit Jahrzehnten Kuba ein preiswertes Ziel. Wenn es dem nordamerikanischen Bürger möglich ist, so auch hier analog.
Sollte sich der schleichende Umbruch fortsetzen, so dürfte sich auch die amerikanische und westeuropäische Drogenmaffia bereits ihre vorab abgesteckten Ansprüche und erneuerten profitablen Bordelle zurückholen. Millionen Porno-Liebhaberinnen aller Altersgruppen würden ihre Lustbarkeit auf der Insel befriedigen. Für alle auswärtigen Einkommensgruppen würden sich Marktanteile anbieten.
Wie auch im vormaligen „sozialistischen“ Osteuropa, so ist es auch den wenigen verbliebenen Sozialrevolutionären Kubas nicht gelungen, nach dem osteuropäischen Konsumrausch um 1989/1990 eine Basis in der kubanischen Bevölkerung aufrechtzuerhalten.