Demonstranten protestieren gegen das offizielle Wahlergebnis / dpa

Unruhen in Venezuela - Maduros Pyrrhussieg

Die Wahlbehörde hat Nicolás Maduro zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt. Doch dieser ist teuer erkauft – wütende Protestler und Oppositionspolitiker werfen dem Amtsinhaber massive Wahlfälschung vor. Noch nie stand Maduros Macht auf wackligeren Beinen.

Autoreninfo

Allison Fedirka arbeitet als Analystin für die Denkfabrik Geopolitical Futures. Sie hat mehrere Jahre in Südamerika gelebt. 

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Der Nationale Wahlrat Venezuelas hat Nicolás Maduro zum Sieger der Präsidentschaftswahlen vom 28. Juli erklärt. Nach den offiziellen Ergebnissen erhielt er 51 Prozent der Stimmen, während der Kandidat der Opposition, Edmundo Gonzalez Urrutia, 44 Prozent der Stimmen erhielt. Das Ergebnis kommt wenig überraschend, da Maduro, der nun in seine dritte Amtszeit geht, regelmäßig Wahlen zu seinen Gunsten manipuliert hat. Doch Kontinuität für Maduro bedeutet nicht unbedingt Kontinuität für die Regierung oder Venezuela. Stattdessen wird sie die Schwachstellen der Regierung verstärken und das Land auf einen Weg in eine viel ungewissere Zukunft führen.

Wenn überhaupt, dann hat die Wahl Maduro deutlich gemacht, dass er nicht mehr die Unterstützung der Bevölkerung genießt. Seine politische Basis stützte sich in hohem Maße auf Menschen, deren Lebensunterhalt von der Regierung abhing – sei es durch Beschäftigung, öffentliche Hilfen oder andere Formen der Klientelpolitik. In dem Maße, wie sich die finanzielle und wirtschaftliche Lage des Landes verschlechterte, sank auch die Fähigkeit der Regierung, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. 

Meinungsumfragen deuteten darauf hin, dass dieser Trend bereits vor der Wahl im Gange war. Da die Umfragen jedoch von Nichtregierungsorganisationen oder der Opposition nahestehenden Organisationen durchgeführt wurden, konnte die Regierung die Ergebnisse leicht ignorieren. Dennoch unterstützte Caracas die Wahlen uneingeschränkt und ließ die Teilnahme der Opposition zu. Oppositionsvertreter, lokale Analysten und einige ausländische Medien gehen davon aus, dass die Opposition 70 Prozent der Stimmen erhalten hat. Die überraschend starke venezolanische Zivilgesellschaft verbreitete diese Schätzungen sowie aktuelle Informationen über improvisierte Proteste gegen die Regierung.

Opposition fechtet die Wahlergebnisse an

Maduro mag gewonnen haben, aber er muss sich nun dem systematischen Vorgehen der Opposition zur Delegitimierung der offiziellen Ergebnisse stellen. Ihre Behauptung, die Ergebnisse seien gefälscht, stützt sich auf die Überprüfung der Stimmen. Vor der Überprüfung werden die Stimmzettel in jedem Wahllokal ausgezählt. Die Stimmabgabe in Venezuela erfolgt elektronisch, so dass bei jeder Stimmabgabe ein Beleg ausgedruckt und in die Wahlurne eingeworfen wird. Bei der Auszählung der Stimmen werden die auf den einzelnen Geräten abgegebenen Stimmen zusammengerechnet. Die Behörden der einzelnen Wahllokale leiten die Ergebnisse an den Nationalen Wahlrat weiter. Von dort aus werden die Stimmen überprüft, indem die einzelnen Quittungen in der Wahlurne mit dem Ergebnis der Stimmenauszählung verglichen werden. Ungefähr die Hälfte aller Wahllokale durchläuft diesen Überprüfungsprozess. 

Es gab viele Berichte über Fehler bei der ordnungsgemäßen Übermittlung der maschinellen Auszählungen, was der Regierung die Möglichkeit eröffnete, den Sieg auf der Grundlage nicht überprüfbarer Gesamtzahlen zu erringen. Die Opposition kennt sich mit diesem Verfahren sehr gut aus – ihre Strategie war immer, innerhalb der Institutionen des Landes zu arbeiten. Die Anfechtung der Wahlergebnisse aus technischen Gründen zielt darauf ab, das Maduro-Regime zu schwächen. Die Opposition weiß zwar, dass sie die Ergebnisse des Nationalen Wahlrats nicht rückgängig machen kann, hofft aber, andere venezolanische Institutionen in Zweifel ziehen zu können.

Interne Konkurrenten könnten Maduro herausfordern

Maduro wird auch mit Herausforderungen innerhalb des komplizierten Machtgefüges der Regierung konfrontiert sein. Obwohl er als Autokrat gilt, übt Maduro keine absolute Macht aus. Er kontrolliert große Teile der Regierung – wie den Wahlrat –, aber nicht das ganze Land. Unabhängig zu handeln – zum Beispiel Garantien gegenüber den USA abzugeben – ist sowohl schwierig als auch riskant. Verteidigungsminister Vladimir Padrino Lopez zum Beispiel arbeitet eng mit Maduro zusammen. Er kontrolliert die Streitkräfte, die ihm unterstellt sind, sowie einige der kritischen Auslandsbeziehungen des Landes, insbesondere die zu Russland. Maduro muss Padrino auf seiner Seite halten, um einen möglichen Putsch des Militärs zu verhindern. 

Es gibt auch informelle Machtmakler, vor allem Diosdado Cabello, der einen Großteil der illegalen Geschäfte und des Drogenhandels des Landes kontrolliert. Er nimmt innerhalb der Regierung nur wenig Raum ein, profitiert aber von dem Spielraum, den Caracas ihm gewährt, solange er das Regime nicht gefährdet. Maduro, Padrino und Cabello sind alle Gegenstand von Gesprächen und werden von Dritten beeinflusst – seien es die USA, Russland oder Drogenkartelle.

Internationale Kritik an den Wahlen wächst

Hinzu kommt, dass die Regierung mit Gegenreaktionen der internationalen Gemeinschaft rechnen muss. Während des größten Teils der Amtszeit von Maduro – und davor von Hugo Chavez – vertrat die Regierung eine politische Ideologie, die sich aus der bolivarischen Revolution ableitet, den Kapitalismus kritisiert und die USA als antithetisch zu den venezolanischen Idealen verteufelt. Natürlich hat sie sich eher auf die Seite der Länder gestellt, die gegen die US-Politik sind, wie Iran, Russland und China. Doch in den letzten zwei Jahren, als die Suche von Caracas nach Erleichterung vom wirtschaftlichen Druck die Vorstellung zerstreute, dass ein Regimewechsel unmöglich sei, begannen sich die Beziehungen zwischen den USA und Venezuela zu verbessern, wenn auch nur geringfügig. Viele dieser Verbesserungen hingen davon ab, ob die Wahlen vom Sonntag demokratischen Verfahren folgten. 

Dies wird nun stark angezweifelt. Das Vereinigte Königreich, Panama, Chile, Spanien, Peru und Argentinien haben allesamt Zweifel am Ergebnis geäußert. Brasilien hat eine größere Transparenz der Ergebnisse und Überprüfungen gefordert, um die Legitimität der Regierung zu gewährleisten. Selbst der scheidende mexikanische Präsident Andres Manuel Lopez Obrador erklärte, er werde die endgültige Auszählung der Stimmen abwarten, bevor er sich zu den Wahlen äußert. Die USA ihrerseits erklärten, dass sie dem Ergebnis nicht vorgreifen würden, stellen aber die Richtigkeit der Ergebnisse in Frage. Mit anderen Worten: Die Länder, die sich langsam für Venezuela erwärmen, könnten sich wieder zurückziehen.

Brennende Barrikade in Caracas: Regierungsgegner liefern sich bereits Straßenschlachten mit der Polizei und Maduro-Unterstützern / picture alliance

Maduro befindet sich in einer noch prekäreren Lage

Dies ist eine harte Nachricht für eine Regierung, die noch immer mit dem jahrelangen wirtschaftlichen Abschwung zu kämpfen hat. Angesichts der Zweifel an der Einhaltung demokratischer Prozesse wird Washington höchstwahrscheinlich sein Sanktionsregime gegen Venezuela überdenken und möglicherweise die primären und sekundären Sanktionen gegen das Land erhöhen. Dass Venezuela auf wackligen Beinen steht, dürfte auch dazu führen, dass Unternehmen, die sonst an der Verlängerung oder dem Abschluss neuer Verträge mit dem Land interessiert sind, ihre Pläne überdenken. Beide Umstände sind problematisch, da die venezolanische Wirtschaft auf Finanzmittel von außen angewiesen ist, um sich wirklich zu erholen. Maduro sagte, er wolle ein Anti-Blockade-Gesetz einsetzen, um Finanzmittel von anderen Akteuren anzuziehen, aber er wird nicht viele Abnehmer finden, zumal Geschäfte mit Caracas mit den US-Sanktionen in Konflikt geraten könnten.

Trotz seines „Sieges“ befindet sich Maduro nun in einer noch prekäreren Lage. Die regierungsfeindlichen Proteste haben bereits zugenommen, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie in Umfang, Ausmaß oder Aggressivität nachlassen. Außerdem wird eine weitere Welle venezolanischer Auswanderung erwartet, was die Beziehungen Venezuelas zu anderen Ländern der Region noch mehr unter Druck setzen wird. Es wird ein schwieriger Monat werden, da sich die Regierung auf die nächste Runde der Kommunalwahlen vorbereitet.

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Thomas Hechinger | Mi., 31. Juli 2024 - 08:39

Manche Revolutionen gelingen, andere scheitern.

Als die Studenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 gegen die kommunistische Diktatur protestierten, sah es für einen Moment so aus, als könnte das Regime stürzen. Aber es schlug brutal zurück und restituierte seine Macht. Und es ist immer noch da.

Vorgestern kommentierte die NZZ: „Erdöl, Kontrolle, Repression: Venezuelas Diktator Maduro steht im Zenit seiner Macht.“ Nun ja. Heue nun dieser Bericht im „Cicero“, wonach Maduros Regime wackelt. Nun ja. Oder um es mit dem großen deutschen Philosophen F. B. zu sagen: Schau mer mal!

Johannes Renz | Mi., 31. Juli 2024 - 08:52

Der Begriff Pyrrhussieg passt hier nicht. Denn damit ist trotz aller Nebenwirkungen ("noch so ein Sieg und ich bin verloren!") ein objektiv feststellbarer Sieg gemeint, was so auf Maduro gar nicht zutrifft...

Keppelen Juliana | Mi., 31. Juli 2024 - 09:15

dass Wahlen die nicht so ausgehen wie gewünscht selbstverständlich immer gefälscht sind. Ich kann nicht beurteilen was in Venezuela wirklich abläuft aber es läßt sich nicht verleugnen, dass die CIA schon Jahre versucht Morales loszuwerden sogar mit einem Kopfgeld hat man es schon versucht ach und wer denkt noch an Guaido den großen Hoffnungsträger der USA. Ich denke ein Wechsel wäre bitter nötig nur ob dann alles besser wird kann man bezweifeln. In Südamerika herrscht in allen Ländern Armut und Misswirtschaft egal ob rechts oder links ob Diktatur oder Demokratie. Man schaue sich nur mal Haiti oder Puoerto Rico an.

1. Mit welchem Recht besitzen die Venezolaner „unser“ Öl?

2. Ein Land, dass zu viel „unserer“ Rohstoffe besitzt muss umgehend mit unserer regelbasierten Demokratie konfrontiert werden.

3. Ab heute sind alle oppositionellen Kräfte, egal welcher Couleur, Demokraten, - die anderen per Definition Diktatoren und Autokraten.

4. Truppen vollzählig?
Stillgestanden, …
Rechts um …
Marsch!

5. Hier ist die regelbasierte Satire zu Ende.

Putin, Xi und die Hisbollah haben Maduro zu dessen Wahlsieg gratuliert. Höchste Zeit, dass Sie das ebenfalls tun, finden Sie nicht?
So, so. In Chile herrscht Armut, und Haiti und Puerto Rico liegen in Südamerika. Danke, wieder was gelernt.

Keppelen Juliana | Do., 1. August 2024 - 09:53

Antwort auf von Kai Hügle

mir ist es vollkommen wurscht wer in Venezuela regiert. In ganz Süd- und Mittelamerika ist es wurscht wer regiert den Menschen geht es überall gleich schlecht ob Demokratie oder Diktatur ob rechts oder links. Und dass die CIA in allen Südamerikanischen- und Mittelamerikanischen Ländern ihr dreckiges Spiel spielt ist nicht meine Erfindung sondern handfeste Realität.

Kai Hügle | Do., 1. August 2024 - 10:53

Antwort auf von Keppelen Juliana

Südamerika ist heterogen. Der Lebensstandard z. B. in Chile ist eher auf europäischem Niveau, während Venezuela vollkommen heruntergewirtschaftet wurde von Chavez und speziell von Maduro. Aber gut, eine glühende Putin-Bewundererin, die karibische Inseln nach Südamerika verlegt, die schreibt natürlich lieber über die CIA als über das eigentliche Thema. Geschenkt.

Jens Böhme | Mi., 31. Juli 2024 - 10:07

Zukünftig werden alle Wahlverlierer Wahlergebnisse anfechten, als gefälscht darstellen, Protestdemos veranstalten. Demokratie neigt sich dem Ende. Siehe die Schlammschlachten der letzten zwei US-Wahlauszählungen oder die lustige Berlin-Marathon-Wahl 2021 (gesperrte Wahllokale, keine Wahlzettel, falsche Wahlzettel).

Keppelen Juliana | Mi., 31. Juli 2024 - 10:47

allerdings hatte die CIA auch mit Morales ihre Probleme. Zur Erinnerung die Zwergpinscher an der Leine von Onkel Sam (also die EU) haben auf Druck der CIA Herrn Morales den Überflug verweigert er durft schließlich in Wien zwangsweise landen um der CIA die Durchsuchung des Flugzeuges zu ermöglichen.

Albert Schultheis | Mi., 31. Juli 2024 - 11:21

Venezuela, eines der reichsten Länder der Erde! Beglückt mit unendlichen Ressourcen, außergewöhnlicher landschaftlicher Schönheit. Dennoch hungern die Menschen dort, die medizinische Versorumg ist zusammengebrochen, es herrschen Zwietracht und Gewalt. Viele Menschen fliehen in benachbarte Länder, nach Spanien. - Die ganze Latte zwangsläufiger Desaster, die alle nur, egal wo sie auftreten, eine Ursache haben: Sozialismus!
Über Jahre sind deutsche Politikberater, Politologen und Soziologen der einschlägigen staatlichen und "nicht-staatlichen" Organisationen nach Venezuela ausgeschwärmt, um die dortigen Machthaber zu belobhudeln, ihnen unsere Solidarität zu übermitteln, und natürlich sich mit Geldgeschenken einzuschleimen. Und wieder ist ein sozialistisches Großprojekt katastrophal gescheitert. Ein reiches Land bis auf die Knochen ruiniert. Aber wir kennen das ja in Deutschland. Wenn der Grüne Sozialismus nicht freiwillig flutscht, dann werden die Glacé-Handschuhe eben ausgezogen.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 31. Juli 2024 - 13:33

Da liest man die unterschiedlichsten Einschätzungen und Analysen zu diesen Wahlen. Dass die wahrscheinlich beeinflusst sind zweifle ich nicht an. Nur sollten die Venezolaner nicht den Fehler begehen, auf das Ausland zu sehr zu bauen. Jeder der im Artikel genannten Staaten hat vor allem immer irgendwelche eigenen Interessen und will die eigene Einfluss Sphäre ausbauen und ggfls. den geputschten Staat unterwandern und selber lenken. Spezialisten gerade in der USA wissen was ich meine. Mag das Volk vor allem mit seinen eigenen Mitteln versuchen, die Wahlen halbwegs korrekt zu überprüfen. Nur muss man wissen, das egal wie ein Opposition heißt, wahrscheinlich auch bei den Auszählungen schummelt, wenn es für sie knapp wird. Wie lange Maduro das so hinnimmt und nicht mit dem Staatsapparat zurückschlägt bleibt abzuwarten. Der wird nicht ewig zuschauen, wie er demontiert wird. Es sein denn, das Militär übernimmt und wohin dann die Reise geht ist fraglich. Eine vertrackte Situation.

Das hat schon der Genosse Stalin gewusst. (Zitat)

„Die Menschen, die bei einer Wahl ihre Stimme abgeben, entscheiden gar nichts. Die Menschen, die die Stimmen weiterleiten und auszählen, entscheiden alles.“

Aber in der Anwendung ist es bestimmt noch weiter verbreitet.

MfG

das ist der Sinn von Wahlen sonst bräuchte man ja keine Wahlkämpfe. Und wie gesagt ich kann die Lage nicht beurteilen aber dass schon Jahre ein Land ganz besonders daran arbeitet diesen unwillfährigen Maduro loszuwerden ist ja nun kein Geheimnis. Dabei sind die Mittel und der Ablauf immer der gleiche.