Polizisten gehen in Bukarest gegen Anhänger von Calin Georgescu vor, dem Gewinner der ersten Runde der rumänischen Präsidentschaftswahlen, die vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt wurden / picture alliance/dpa/AP | Alexandru Dobre

Die Wahl in Rumänien und europäisches Recht - Wann Wahlen annulliert werden dürfen – und wann nicht

Kurz vor Weihnachten hat das Verfassungsgericht in Rumänien die erste Runde der Präsidentschaftswahlen annulliert. Begründung: massive russische Einflussnahmen. Jetzt hat sich die Venedig-Kommission des Europarates kritisch dazu geäußert. Was bedeutet das?

Volker Boehme-Neßler

Autoreninfo

Volker Boehme-Neßler ist Professor für Öffentliches Recht, Medien- und Telekommunikations- recht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Davor war er Rechtsanwalt und Professor für Europarecht, öffentliches Wirtschaftsrecht und Medienrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Technik (HTW) in Berlin.

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Die Amtszeit des rumänischen Präsidenten Klaus Johannis ist abgelaufen. Deshalb fanden Ende November vergangenen Jahres Präsidentschaftswahlen in Rumänien statt. Das Ergebnis war ein Schock für das politische Establishment. Der prorussische Kandidat Calin Georgescu hatte die meisten Stimmen erhalten, obwohl er in der (analogen) Öffentlichkeit kaum in Erscheinung getreten war. Die Demoskopen hatten seinen Sieg nicht vorausgesehen. Seine große Stärke war der digitale Wahlkampf auf TikTok. Der pro-europäische Gegenkandidat, der amtierende Ministerpräsident, kam nur auf Platz drei. An der Stichwahl hätte er nicht teilnehmen dürfen. 

Das Verfassungsgericht greift ein

Die Stichwahl war schon für Anfang Dezember angesetzt. Aber es kam anders. Der rumänische Verfassungsgerichtshof hat die Wahl nach einigem Hin und Her schließlich annulliert. Das kam sehr überraschend. Immerhin hatte das Gericht die Wahl noch wenige Tage vorher ausdrücklich für gültig erklärt. Warum hatten die Richter ihre Meinung geändert? Das lag wohl an neuem Material der rumänischen Geheimdienste. Aus diesem ergeben sich Hinweise auf einen „aggressiven russischen hybriden Angriff“ auf die Wahl – sagen die Richter. Sie sehen eine Manipulation der Wähler und eine Verletzung der Chancengleichheit aller Bewerber durch digitale Technologien und künstliche Intelligenz (KI). Mehr Einzelheiten verraten sie der Öffentlichkeit nicht. Das können sie wohl auch nicht. Das Material gibt nicht viel her. Es stellt nur Behauptungen auf, die kaum belegt werden

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Klaus Lehmann | Di., 18. Februar 2025 - 13:35

Aber das ist doch das Wesen des Wahlkampfes. Soll der jetzt verboten werden?

Klaus Lehmann | Di., 18. Februar 2025 - 13:51

soll ja auch hierzulande beim Parteienverbot helfen. Wahrscheinlich haben die "Belege" unseres VS gegen die AfD eine - eher rumänische - Qualität. Was bisher an Belegen bekannt wurde ist ja eher eine Lachnummer, nach der man wahrscheinlich auch das Verbot fast jeder anderen Partei in Erwägung ziehen könnte. Mal sehen, wenn das Verbotsbegehren wieder aufflammt. Schade, dass Vance nichts dazu gesagt hat...

Jens Böhme | Di., 18. Februar 2025 - 14:40

Der Europarat - nicht mit EU verwechseln, gehört nicht der EU an - ist/war (?) ein russisch durchseuchter Rat für Verfassung und Menschenrechte in Europa. Als Russland noch zum Europarat gehörte, war dort Rambazamba (bis 2019). Siehe auch Aserbaidshan-Affäre und der "natürliche Tod" des aufgeflogenen, korrumpierten Europarats-Mitglied Karin Strenz 2021. Die Venedig-Kommission scheint mindestens bemüht zu sein, den beträchtlichen Schaden im/des Europarates wiedergutzumachen. Ob der Venedigrat nicht russlandfreundlich ist, wie der übergeordnete Europarat - wird sich zeigen. Erster erfreuliche Ansatz ist die Kritik am russlandfreundlichen, georgischen Gesetz zu ausländischen Agenten. Der verdeckte Krieg Russlands gegen Europa findet länger statt, als viele Deutsche glauben, Russland sei ein friedliebender, unschuldiger Globalplayer, der von nichts Ahnung habe.

Ernst-Günther Konrad | Di., 18. Februar 2025 - 15:10

Wenn das rum. Verfassungsgericht entschieden hat, auch wenn es gegen europäisches Recht verstößt, sollen das doch die Rumänen selbst regeln. Und dann hängt sich UvdL noch rein und macht das, was sie immer macht, nämlich den Vorgang zu verwässern, indem sie die Schuld bei TikTok sieht? Das macht sie doch nur, weil sie ein Verbot/Zensur von TikTok für ganz Europa durchsetzen will, da bietet sich der unbewiesene Vorwurf in Rumänien bestens. Nur Herr Boehme-Neßler, wer die deutschen Politiker hört kann eindeutig wahrnehmen, dass man bereits mit einer Annullierung der BT-Wahl gedanklich jongliert, sollten die falschen zu viel Stimmen bekommen. Und ja, dieses BVerfG würde nach meiner Einschätzung einer Annullierung zustimmen, wenn die Wahlbehörde behauptet, die Wahlen wären manipuliert. Man bemüht sich ja bereits Russland als Wahlmanipulator auszurufen. Für Merkel hatte die rechtswidrige Annullierung der TH-MP-Wahl keine Konsequenzen und die würden es wieder machen ohne Skrupel.

Hans Schäfer | Di., 18. Februar 2025 - 15:32

>>Völlig undenkbar wäre es aber, dass die Richter in Karlsruhe sich – wie ihre Kollegen in Rumänien – bei einer solchen Entscheidung ausschließlich auf zweifelhaftes Material von Geheimdiensten stützen, das nicht geprüft werden kann. >>

Es ehrt Sie Herr Prof. dass Sie das bezogen auf die Richter in Karlsruhe ausschliesen.
Mir fehlt der Glaube.
Das Urteil des Oberverwaltungsgericht, gezüglich der Einordnung der AfD, basiert auch nur auf Geheimndienst-Berichte. Das Urteil des Landesverfassungsgerichtshof TH bezüglich der Wahl zum MP in TH, wirft nicht zu Unrecht Fragen im Hinblich einer Befangenheit einzelner Richter auf. Sollte die Altparteien weiter in der Lage sein die Reg zu stellen, behaupte ich werden wir einige dieser Richter als Vefassungsrichter in Karlsruhe wiedersehen.

Heidemarie Heim | Di., 18. Februar 2025 - 15:40

Was soll man sich darunter vorstellen geehrter Herr Prof. Boehme-Neßler? Das muss doch irgendwo bzw. irgendwie näher präzisiert bzw. in Stein gemeißelt sein. So wie alles andere was bis auf das letzte Satzzeichen ausformuliert ist und sozusagen als gerichtsfest? gilt. Oder sprechen wir hier dem Begriff nach von "Gummiparagraphen";), die eine flexible Auslegung gestatten? Und weiter gefragt, wie korrespondiert dies mit den damaligen Vorgängen in Thüringen? War das keine Beeinflussung o. rückgängig machen einer Wahl weil das Ergebnis wie Sie sagen "unerträglich" und deshalb als inakzeptabel erachtet und mittels massivem politischen Druck annulliert wurde? Reicht es nicht, dass wir inzwischen in einem Staat angelangt sind, wo man mittlerweile wählen kann was man möchte als politisch liberal-konservative Bürgerin, jedoch wohl demnächst aus Gründen "unerträglicher Wahlfehler" weiter das genaue Gegenteil bekommt? Trotzdem Danke für dieses weitere Lehrstück in Sachen Demokratie! MfG

Wolfgang Kröher | Di., 18. Februar 2025 - 19:54

“ Aber ist TikTok wirklich der Kern dieses Problems? Wohl kaum.“
Zumal max. 4% der Rumänischen Bevölkerung einen Tik-Tok Account haben.

G. Fischer | Mi., 19. Februar 2025 - 11:39

Vielleicht sollte man mal akzeptieren, dass das, was früher am Stammtisch diskutiert wurde, inzwischen im Netz statt findet. Damit wird der Austausch von Meinungen oder vermeintlichen Tatsachen nicht gefährlicher oder schlechter, er bekommt nur eine enorme Reichweite. Jeder (auch der Staat) kann, wenn er will und Zeit hat, dabei sein oder auch den Stammtisch wecheln, wenn es einem zu blöd wird. Ich finde, man sollte diesen "Stammtisch-Austausch" den "Stammtisch-Usern" überlassen, auch die Richtigstellung von fehlerhaften Aussagen. Und sich auf Ergebnisse eines Verfassungsschutzes zu verlassen, war noch nie zielführend.