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Liberalismus - Nur der Markt schafft Freiheit

Kisslers Konter: Freiheit ist den Deutschen kaum etwas wert. Besonders schwer hat es der Markt. Das ist gefährlich, denn die Marktwirtschaft ist die Voraussetzung für alle demokratischen Errungenschaften

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Die Deutschen sind ein kurioses, ein angeknacktes Völklein. Der Knacks, den sie haben, heißt Freiheit. Ihr trauen sie nicht über den Weg. Freiheit klingt in den Ohren vieler Deutscher nach Risiko und Gefahr – und das mögen sie nicht; klingt nach Eigenverantwortung, Markt und Wettbewerb – und das mögen sie auch nicht. Stattdessen soll der Staat es richten, soll zuteilen und wegnehmen, ausschütten und enteignen, vor Unbilden im Lebenslauf schützen. Vor allem aber soll er dafür sorgen, dass der Nachbar nicht mehr hat als man selbst, und dass jede Anstrengung wider das Mittelmaß in der Bürokratie versandet. Solche staatlichen Tauschoperationen hören auf den Namen „soziale Gerechtigkeit“.

Keine Überraschung war darum jüngst der „Freiheitsindex 2013“. Laut den Erhebungen des Heidelberger „John Stuart Mill Instituts für Freiheitsforschung“ sank die Attraktivität der Freiheit in Deutschland abermals. Der entsprechende Wert verschlechterte sich auf der Basis einer „Medieninhaltsanalyse“ von minus 0,7 auf minus 2.7. Man muss in Kältegraden rechnen, um die ungeliebte Freiheit messen zu können. Gleichheit, Gerechtigkeit, Sicherheit, so die Forscher, stünden in einem besseren Ruf als die arme Freiheit. Auch gebe es große Zustimmung in der Bevölkerung für weitere Regulierungen, etwa von hohen Parteispenden, Pornofilmen, Glücksspielen. Eine Tageszeitung titelte prompt: „Die Deutschen wünschen sich mehr Verbote.“

Omnipräsenter Staat, der den Menschen erzieht


Insofern hat ein derzeit im Internet um Unterstützung werbendes „Freiheitsmanifest“ zwar gute Argumente, aber auch denkbar schlechte Karten. Die Initiatoren nehmen die fast widerspruchslos abgenickte Beweislastumkehr in den Blick: „Die Bürger werden dem Staat gegenüber rechenschaftspflichtig.“ Nur umgekehrt könnte Freiheit entstehen. Dem „heutigen Wohlfahrtsmodell“ liege die falsche „therapeutische Prämisse“ zugrunde, „wonach im Grunde alle Menschen (…) von einem omnipräsenten Staat (…) beraten, betreut und zu einem gesünderen und besseren Lebensstil erzogen, verführt oder gedrängt werden müssen.“ Auch sei die liberale „Kultur der Kontroverse“ geschwunden, ebenso die Überzeugung, dass der Mensch in seinem Denken und Handeln frei ist: „Die übermäßige Betonung vermeintlicher natürlicher oder sozialer Ursachen des Verhaltens erschwert den Individuen, ihr Leben als rationale und voll verantwortliche Akteure in die eigene Hand zu nehmen.“

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Die Autoren sind klug genug, nicht in die Falle blinder Markteuphorie zu tappen. Der „Trend zur regulativen Menschenverwaltung“ erhebt wahrlich nicht nur auf überregulierten und dadurch untauglich gemachten Märkten sein Haupt. Freiheit und Marktfreiheit sind nicht identisch. Der Markt aber ist der Meridian sämtlicher Freiheiten. Wenn es Menschen verwehrt wird, mit anderen Menschen frei in Kontakt zu treten, um sich zu einem beide Seiten verpflichtenden Handel zu verabreden, Güter zu tauschen, Dienstleistungen anzubieten, hat die Freiheit auch in anderen Sektoren Sendepause. Die Einschränkung freier Märkte (und privaten Eigentums) ist das erste Erkennungsmal sämtlicher Unrechtssysteme. Frei sind Märkte dann, wenn es verlässliche Rahmenbedingungen gibt, ein stabiles Rechtssystem also, und wenn weder Kartelle noch Staaten Konkurrenz verhindern.

Markt und Moral schließen sich nicht aus


Wie aber kommt die Moral in den Markt? Ganz ohne Moral soll zumindest der Nachbar ja nicht leben dürfen. Ganz einfach: Indem der Mensch all seine Freiheit, all seinen Mut aufbringt und selbst moralisch handelt. Sei es als Konsument, sei es als Unternehmer, sei es als Arbeiter. Wer die weitere Einschränkung der Märkte und eine weitere ethische Regulierung fordert, der traut sich wie den anderen kein moralisches Verhalten zu. So wird er aber beides verlieren: die Freiheit und die Moral. Nirgends wuchern mehr Korruption, Ausbeutung und Betrug als auf unfreien Märkten. Man schaue nur nach Venezuela, Bolivien oder Kuba. Und je stärker ein Markt reguliert wird, desto leichter haben es Lobbyisten.

Freiheit gibt es nicht geschenkt, nicht abgepackt, nicht zugeteilt. Da hat Goethe unübertroffen recht: „Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss.“ Schlimmer ist darum kein Selbstbetrug als das Märchen vom Staat, der Freiheit schafft, indem er Freiheiten beschneidet; vom Staat, der Gerechtigkeit erzwingt, indem er ungerecht wird; vom Staat, der sozial wird, indem er nivelliert und Neidkomplexe nährt. Stattdessen sollte die Losung Wilhelm Röpkes gelten: „Wenn wir zur Marktwirtschaft stehen, so deshalb, weil sie eine der unerlässlichen Voraussetzungen für Freiheit, Recht, Menschenachtung, Friede und Gerechtigkeit ist.“

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