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() Menschenmenge in der Metropole Shanghai
Chinas roter Adel und seine Machenschaften mit ausländischen Unternehmen

Sie sind der „Roter Adel“ oder die „Prinzlinge“ des aufstrebenden Chinas. Die Nachfahren der Gründer der Kommunistischen Partei Chinas gelten als die Türöffner für internationalen Unternehmen und Banken, um auf dem konsumhungrigen Markt im Reich der Mitte Fuß zu fassen. Viele von ihnen lassen sich ihre Dienste bestens bezahlen.

Ende November verwandelte sich Schanghais Finanzzentrum Pudong in eine 3,1 Kilometer lange Rennstrecke für das Finale der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft. Das wäre ohne Ye Jingzi unmöglich gewesen. Mit ihrem Unternehmen „Brilliant Culture Group“ organisierte sie das Event und besorgte die notwendigen Genehmigungen. Brillant an Ye Jingzi ist in erster Linie ihr Netzwerk. Denn sie ist die Enkelin von General Ye Jianying, einem Überlebenden des Langen Marsches und Mitbegründer der chinesischen Volksarmee, von 1978 bis 1983 Staatspräsident. Damit gehört Ye Jingzi zu den „Taizidang“, wie die Gruppe der einflussreichen Nachfahren der ersten und zweiten Generation der Kommunistischen Partei in China genannt werden – Partei der Prinzen. Die Dienste dieses „Roten Adels“ als Türöffner sind in China sehr gefragt, seine Mitglieder aber gleichzeitig extrem öffentlichkeitsscheu. In einem ihrer seltenen Interviews legte Ye Jingzi kürzlich großen Wert auf die Feststellung, „dass mein geschäftlicher Erfolg nicht allein auf meiner Herkunft beruht“. Wie wichtig die familialen Synergieeffekte zwischen Politik und Wirtschaft sind, zeigt ein Bericht, den die staatliche Akademie der Sozialwissenschaften vergangenes Jahr für die chinesische Regierung schrieb und der unter unbekannten Umständen an die Öffentlichkeit gelangte. Demnach sind 91 Prozent der 3220 chinesischen Reichen mit einem Vermögen von mehr als 100 Millionen Yuan (10,8 Millionen Euro) Kinder hoher Beamter. Zwar bezeichnete die Regierung den Bericht umgehend als „Fälschung“, doch das Ergebnis deckt sich nicht nur mit dem Bauchgefühl vieler Industrieller, sondern auch mit einem Bericht der Disziplinarkommission der Partei aus dem Jahr 2002. Demnach hatten 98 Prozent der Ehepartner und Kinder hoher Politiker selbst mächtige Positionen in Behörden oder Unternehmen inne. Die zwölf größten Unternehmen des Landes werden allesamt von Politikerkindern geführt. „Grundsätzlich ist es natürlich nicht ungewöhnlich, dass die Angehörigen einflussreicher Menschen selbst ebenfalls einflussreich sind“, sagt Bo Zhiyue, Politologe an der National University of Singapore, der seit Jahren über die Familienverhältnisse chinesischer Politiker forscht. „Aber in China haben wir eine besondere Situation: Der Wohlstand ist innerhalb einer sehr kurzen Zeit entstanden und in wenigen Händen vereint worden.“ 0,4 Prozent der chinesischen Bevölkerung verfügen über 70 Prozent des chinesischen Wohlstands, lautet das Ergebnis einer anderen Regierungsstudie. Ye Jingzis Karriere ist beispielhaft für viele Kinder kommunistischer Kader. Aufgewachsen in den siebziger Jahren, besuchte sie eine Eliteschule für die Kinder der Parteiführung in Peking. Mit 14 ging sie auf ein privates Mädcheninternat in der Nähe von New York. Den Platz dort besorgte ihr ein alter Bekannter der Familie – Henry Kissinger, der ehemalige US-Außenminister. „Meine Eltern wollten mir ermöglichen, eine normale Kindheit zu erleben“, sagt Ye. In China wäre sie immer wie eine kleine Prinzessin behandelt worden. „Viele der sogenannten Prinzlinge sind durchaus qualifiziert, denn sie haben an den besten Universitäten studiert und waren häufig im Ausland“, räumt auch der Politologe Bo ein. „Trotzdem gelangen sie häufig auf Positionen, für die Tausende andere rein fachlich gesehen die besseren Qualifikationen hätten.“ Oft versuchen mittlere Kader bei der Parteispitze zu punkten, indem sie deren Kinder förderten. So protegierte der ehemalige Parteichef von Schanghai, Huang Ju, in den Neunzigern die Söhne des damaligen Staats- und Parteichefs Jiang Zemin – wenig später wurde er Vizepremier. „Ob es da eine direkte Verbindung gibt, kann man nicht beweisen, aber ohne den Einfluss ihres Vaters hätten Jiangs Söhne ihre Position nie bekommen“, sagt Bo. Auch viele westliche Unternehmen bemühen sich um Kontakte zu den Politikerkindern. „Prinzlinge können Türen öffnen, die kein anderer aufbekommt“, erzählt ein deutscher Unternehmer in Peking. „Sie an Bord zu haben, ist wie eine Versicherung gegen Schikanen der Behörden, denn kein Beamter legt sich mit den Kindern von einem hohen Politiker an.“ In einem Markt, in dem ausländische Unternehmen zunehmend über Benachteiligung bei Genehmigungsverfahren und anderen bürokratischen Abläufen klagen, sind derartige Verbindungen viel wert – und gut bezahlt. Aus dem gleichen Grund sind zahlreiche Kinder ranghoher Kader erfolgreiche Investmentbanker, viele von ihnen bei ausländischen Banken. Zhu Yunlai, der Sohn des ehemaligen Premierministers Zhu Rongji, arbeitete nach seinem Studium in den USA zunächst für Credit Suisse First Boston in New York, bevor er bei der chinesischen Großbank China International Capital anheuerte. Seine Schwester Zhu Yanlai ist stellvertretende Geschäftsführerin der Bank of China in Hongkong. Gerade bei Anlagen im chinesischen Staatssektor können sie mit besten Konditionen rechnen – zumindest für sich persönlich. Wer die Prinzlinge einsetzt, läuft aber immer Gefahr, in die undurchsichtigen Machtkämpfe der chinesischen Politik hineinzugeraten, wenn der starke Mann einer Familie gestürzt wird. Ye Jingzi präsentiert sich im Gespräch als bescheidene Sauberfrau. Ihr Familienname dürfe nicht beschmutzt werden durch das Anhäufen riesiger Vermögen mithilfe windiger Geschäfte. Wie auswendig gelernt fügt sie hinzu: „Die Aufgabe meiner Generation ist es, mit unserer Arbeit für die Gesellschaft die Erinnerung an meinen Großvater hochzuhalten.“

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