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R&B-Sängerin Lisa Fischer - Am Rampenlicht

Weiße Rockmusik und schwarze Background-Damen: Die R&B-Sängerin Lisa Fischer verkörpert Musikgeschichte

Autoreninfo

Claudia Steinberg lebt seit 1980 in New York. Sie schreibt unter anderem für Die Zeit, die FAZ sowie für die New York Times über Kunst, Architektur und Design

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Bei ihrem ersten Soloauftritt verlor sich Lisa Fischer so tief in ihrem Gesang, dass man sie schließlich sanft um ein Ende der Darbietung bitten musste. Diese Episode, die sich vor rund 50 Jahren in einem Kindergarten in Brooklyn vor einem Publikum von Fünfjährigen ereignete, würde ein Psychologe vielleicht als Auslöser für Fischers Abneigung begreifen, allein im Scheinwerferlicht zu stehen. Denn anstatt die „monströse Begabung“, die ihr Musiker wie Bruce Springsteen und Sting bescheinigen, für einen Solo-Höhenflug zu nutzen, wählte Lisa Fischer eine Karriere, die sich nur mit einem Oxymoron benennen lässt: Sie wurde zum Background-Superstar.

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Genauer, sie verbrachte den größten Teil ihres Berufslebens „20 Feet From Stardom“, wie der Titel eines passionierten Dokumentarfilms von Morgan Neville die Position selbst der talentiertesten Background-Sänger definiert. Doch im Unterschied zu vielen ihrer Kolleginnen legte Lisa Fischer nie großen Wert darauf, im vollen Rampenlicht zu stehen: „Ich liebe es, andere Künstler zu unterstützen, und wehre mich gegen die Ansicht, dass man nach mehr greifen soll, wenn man bereits exzellente Arbeit leistet“, meint die klassisch ausgebildete Sängerin, deren melodische Sprechstimme jeden Satz mit Emotionen füllt – weiche Seufzer, kleine Lacher und gedehnte Ausrufe steigen und fallen über eine ganze Oktave hinweg.

Sexy, aber unantastbar


Mit ihrer mächtigen Stimme überzeugte sie auch Mick Jagger, als sie 1989 zum Vorsingen im Studio erschien. Sie ließ sich auch nicht aus der Fassung bringen, als er um sie herumzutanzen begann, und hat die Rolling Stones seither auf jeder Tournee begleitet. Wenn sich bei „Gimme Shelter“ das melancholische Heulen aus ihrer Kehle, mit dem der Song beginnt, zu einem Rock-and-Roll-Sturm verdichtet, tritt sie dann auch als Micks Partnerin ins volle Rampenlicht, zugleich konfrontativ und unterstützend, sexy, aber unantastbar.

Lange bevor sie mit den Rolling Stones tourte, mit Tina Turner oder Sting, sang Lisa Fischer zu den alten Motown-Platten ihrer Mutter. Erst an der Musik-Highschool stellte sie dann fest, dass sie auch ein ganzes Repertoire klassischer Musik im Kopf hatte: Dank der Soundtracks der beliebten „Looney Tunes“, Cartoons aus dem Hause Warner Brothers, hatte sie Beethoven, Tschaikowski, Wagner und Strauss gehört. Ihren Plan, Opernsängerin zu werden, gab sie wegen der hohen Unterrichtskosten auf. Wie die meisten Background-Sänger hatte sie ihre wichtigste Gesangsausbildung längst in der Kirche erhalten: „Ich bin in einer Baptistengemeinde in Brooklyn aufgewachsen, mein Großvater war Pastor.“

Ihr offenes Ohr machte sie empfänglich für die Verwandtschaft zwischen Motown und dem Call-and-Response-Wechsel schwarzer Kirchenmusik, der ihr aus ihrem Gospelchor von jeher vertraut war. Ray Charles war ein Meister dieser Tradition und der einzige Musiker, dessen Konzerte Lisas Idol, die legendäre Background-Sängerin Merry Clayton, mit elterlicher Erlaubnis besuchen durfte. So eindeutig basierte seine Musik auf dem für die afroamerikanische Messe typischen Dialog zwischen Priester und Gemeinde – auch wenn Charles in diesem Format in erster Linie über Sex sang.

„Twenty Feet From Stardom“ eröffnet dann auch mit dem Refrain von Lou Reeds „Walk on the Wild Side“ – „… and the colored girls go Doo do doo do doo do doo …“, wobei das Wort „farbig“ 1972 in der Musikindustrie als provokativer Verweis auf die gängige Rollenverteilung zwischen weißem Star und schwarzem Chorus galt. Die ersten Background Girls der frühen sechziger Jahre waren manierliche, zugeknöpfte weiße Mädchen mit hölzernen Bewegungen. Bald wurden sie von schwarzen Sängerinnen mit unwiderstehlichen Hüftschwüngen ersetzt. Sie verstanden die Hintergrundharmonien als jenen hochflorigen Tonteppich, auf dem sich der Solist entfalten konnte: „Diese Melodien stiften den Zusammenhang.“ Und sie kreieren den Sound, was vor allem die britischen Musiker der Siebziger und Achtziger, angeführt von David Bowie, erkannten.

Im Hintergrund heimisch gefühlt


Obwohl sich Lisa Fischer immer im Hintergrund heimisch fühlte, versuchte sie es einmal mit dem Alleingang. 1991 erschien ihr Debutalbum „So Intense“, sie wurde für die Single „How Can I Ease the Pain“ mit einem Grammy ausgezeichnet. Die Trophäe fristet seither ein Dasein zwischen anderen Souvenirs ihrer turbulenten Biografie in ihrer Wohnung mit Blick auf Manhattan, der man Fischers seltene Anwesenheit anmerkt. Sie ist kaum mehr als eine Zwischenstation auf ihrer ewigen Reise. „Meine Platte ist damals zum richtigen Zeitpunkt rausgekommen, sie markiert das Ende einer Epoche, in der es noch Harmonien und Melodien gab“, erklärt sie bescheiden.

Heute ist das Genre des Background-Gesangs nahezu ausgestorben, da Studioproduktionen nicht mehr mit dem gleichen Aufwand entstehen: Anstelle zeitraubender und kostspieliger Proben gibt es bei Tonaufnahmen nun meist ein Budget für elektronisches „Tuning“. Bei einem Studio-Gig hat Fischer kürzlich alle fünf Backgroundpartien separat selbst eingesungen, bevor sie digital zu einem Klangkörper verschweißt wurden. Nichts konnte sie besser über einen solchen unfreiwillig narzisstischen Vorgang hinwegtrösten, als anlässlich der Dreharbeiten zum Dokumentarfilm ihre großen Vorbilder zu treffen. Noch diesen Herbst soll es zu einem Konzert in New York kommen, bei dem Lisa Fischer und ihre Soulsisters alle ganz vorn auf der Bühne stehen werden. 

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