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Karin Kohlberg

Designer Thom Browne - „Männerhaut ist sexy“

Der New Yorker Designer Thom Browne über Uniformen, Michelle Obama und die Mode der Verknappung

Autoreninfo

Claudia Steinberg lebt seit 1980 in New York. Sie schreibt unter anderem für Die Zeit, die FAZ sowie für die New York Times über Kunst, Architektur und Design

So erreichen Sie Claudia Steinberg:

Herr Browne, Sie tragen einen engen grauen Anzug mit schmaler grauer Krawatte und weißem Hemd – wie immer?
So ziehe ich mich jeden Tag an. Diese Sachen mache ich nur für mich, die Kollektionen sind für die anderen. Der klassische graue Anzug – das bin ich, das ist meine Uniform. Ich mag die Idee der Uniformität und des Selbstvertrauens, das die Uniform verlangt. Sie ist ein sehr mächtiges Kleidungsstück.
 
Soll die Uniform nicht eher Selbstvertrauen verleihen statt es vorauszusetzen?
Es liegt eine ganz reale Macht darin, seiner Identität zu trauen und sich darauf zu verlassen, dass man interessanter ist als das, was man anhat.
Die Kluft für den Mann, der Anzug, wurde vor rund 200 Jahren etabliert und hat sich kaum verändert, wohingegen sich die weibliche Kleidung ungeheuren Wandlungen unterzogen hat. Wo finden Sie Ihren klassischen Ansatz für die Frauenmode?
 
Mein Ansatz ist der gleiche für Männer- und Frauenmode: Ausgangspunkt sind klassische Hemden und Jacken, die ich dann weiterentwickle. Ich verwende auch sehr gerne typische Herrenstoffe wie Flanell in der Frauenmode und umgekehrt, zum Beispiel Brokat für Herren.
Ihr Vater trug seinen Anzug ganz souverän und hat Sie stark beeinflusst – gibt es für Frauen auch ein Kleidungsstück, das so selbstverständlich Macht vermittelt?
Das Ensemble aus Kleid und Mantel, das ich für Michelle Obama entworfen habe, sollte diese Power vermitteln, und das ist mir auch gelungen. Ein präzise geschneidertes Kleidungsstück strahlt immer mehr Macht aus als lose, weniger definierte Garderobe.
 
Die Macht sitzt also in den exakten Nähten. Aber unterminieren Sie mit Ihren kurzen Hosenbeinen und den knappen, kurzen Jacketts nicht die traditionelle Autorität des Herrenanzugs?
Ich sehe das eher unter dem Gesichtspunkt des Selbstvertrauens, das sich durch individuelle und ungewöhnliche Sachen überträgt. Mir geht es darum, dass die Sachen sitzen. Die meisten Leute tragen sie nicht so eng wie ich, aber grundsätzlich kreiere ich einen Anzug, der nicht so überwältigend und damit so unmodisch ist, wie die traditionelle Version es nun schon so lange ist. Mit seiner Masse passt der gängige Anzug nur zur Arbeit, zum Ausgehen ist er nicht gedacht. Mein Anzug funktioniert immer.
 
Europäer assoziieren mit kurzen Anzughosen das Image des typischen Amerikaners aus Filmen der fünfziger und sechziger Jahre – einer Ära, die Sie inspiriert.
Ich beziehe mich gern auf eine Zeit, die einfacher war als die unsere. Und ich finde dieses knappe Stückchen Haut bei Männern auch sexy.
 
Nicht für Frauen – die wurden wieder in die häusliche Sphäre verbannt, nachdem sie sich während des Krieges in der Berufswelt bewährt hatten.                                                  
Ich politisiere meine Arbeit nicht. Für mich ist es interessanter, ein Kleid aus dieser Epoche für eine zeitgenössische junge Frau so zu gestalten, dass es ihr Power gibt, als davor zurückzuschrecken, was es einmal bedeutet haben mag. Michelle Obama ist das perfekte Beispiel: Sie trägt köpernah geschnittene, taillierte Kleider mit einem etwas weiteren Rock voller Selbstbewusstsein, und sie ist zweifelsohne eine mächtige Frau.
 
Was hat Sie dazu bewogen, in die Frauenmode einzusteigen?                                                                                                                                
Ich brauchte Zeit, um eine Kollektion zu entwickeln. Das Letzte, was die Welt braucht, ist mehr weibliche Mode: Ich empfinde es als Herausforderung, Kleider mit einer hieb- und stichfesten Existenzberechtigung zu entwerfen. Ich wünsche mir, dass Frauen diese Kleider ihr Leben lang besitzen. Das tue ich mir an.
 
Sie sehen sich als Provokateur?                                      
Ich konfrontiere Leute gern mit Ideen, die sie herausfordern. Das ist meine Aufgabe. Wie meine weißen Tennissocken, die aus den Schuhen herausgucken. Und wenn auf einmal meine Sachen allen gefielen, würde ich mir auch Sorgen machen. Schließlich will ich meinen Stachel nicht verlieren.  
 
Sie leben in einem spartanischen Apartment und zugleich aber arbeiten Sie für eine höchst materialistische Industrie. Wie passt das zusammen?                                        
Ich will nur ein paar wenige, gut konzipierte und gut gemachte Dinge besitzen. Viel zu haben und zu konsumieren, interessiert mich nicht.
 
Sie haben keine exzessiven Tendenzen?                        
Ich trinke manchmal zu viel. Ich lebe gut, aber ich kann mich kontrollieren. Humor ist die schwierigste Attitüde in der Mode – es ist nur ein kleiner Schritt von der Ironie zur Lächerlichkeit. Ironie und Lächerlichkeit liegen dicht nebeneinander, ebenso wie Mode und Kostümierung nicht weit voneinander entfernt sind. Ich nehme alle meine Ideen und Bezugspunkte ernst, aber ich will es mit leichter Hand tun – wenn man die Dinge zu ernst nimmt, wird alles sehr langweilig.
 
Das Gespräch führte Claudia Steinberg 

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