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Heiliger Geist, Maria und der Teufel - Was Papst Franziskus wirklich will

Während Benedikt XVI. ein Meister des Denkens, der Theorie war, setzt der Nachfolger Papst Franziskus seinen missionarischen Hoffnungen stärker auf die Volksfrömmigkeit. Die Ökumene oder die westliche Reformagenda berührt all dies nicht

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Die drei Personen, von denen der neue Papst bisher am meisten gesprochen hat, sind der Heilige Geist, Maria und der Teufel. Ergo hat er vermutlich nirgends tiefer in sein Inneres blicken lassen als in der ersten Predigt nach dem Konklave. Dort zitierte er den französischen Schriftsteller Léon Bloy, einen 1917 gestorbenen radikalen Außenseiter der Kirche und radikal Glaubenden zugleich, mit den Worten „Wer nicht zum Herrn betet, betet zum Teufel.“ Wenn man, fuhr Papst Franziskus fort, Jesus Christus nicht bekenne, „bekennt man die Weltlichkeit des Teufels, die Weltlichkeit des Bösen.“

Léon Bloy verbrachte ein Leben in bitterer Armut und unfassbarer Aktivität. Er hinterließ ein wildes Werk aus Romanen, Erzählungen, Briefen und Essays. Sein Tagebuch umfasst mehrere tausend Seiten. Er war ebenso ein Genie des Hasses wie der Liebe. Besonders ausdauernd hasste er die Reichen. Henkersknechte nannte er sie, Dummköpfe und Mörder. Gott sei ein Gott der Armen und für die Armen. Das Geld nannte er „das Blut der Armen. Seit Jahrhunderten lebt und stirbt man daran. Es fasst ausdrucksvoll allen Schmerz zusammen.“ Niemand habe „ein Recht auf Überflüssiges, außer der menschgewordene Sohn Gottes.“ Er kritisierte die Kirche, die von dem „schlechten Reichen“ predige, „als ob es auch gute geben könnte.“

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Begeistert hätte Bloy Franziskus zugestimmt, als dieser nun eine „arme Kirche für die Armen“ forderte. Beifall wäre dem neuen Pontifex Maximus auch gewiss für die demonstrative Bereitschaft zur Demut, den Verzicht auf offene Gesten der Macht. Jedem Christen, so Bloy, gezieme es, „vor den schwächsten Mitmenschen so demütig zu sein wie ein Würmchen, aber so verwegen wie Satan, wenn er sich an den Allmächtigen wendet.“ Und dass Satan nie schläft, verbindet ebenfalls Bloy und Bergoglio und, zwischen beiden stehend, Benedikt XVI. Die „Weltlichkeit des Teufels“ spürte Bloy am eigenen, vielfach geschundenen Leib. Er kannte auch „jene Verbitterung, die der Teufel uns jeden Tag bietet“ und vor der Franziskus in seiner Audienz für die Kardinäle warnte.

In Bloys „Auslegung der Gemeinplätze“ findet sich unter der Nummer 80 das Zitat, das Papst Franziskus wohl meinte: „Wenn wir nicht zu Gott oder für Gott sprechen, ist es der Teufel, zu dem wir sprechen, und er hört uns in fürchterlichem Schweigen zu.“ Wenige Seiten später schreibt er böse: „Die Kanaillen ehren, die das Geld oder die Macht haben – das ist die Summe des bürgerlichen Gewissens.“ Gewiss wird sich Franziskus keinen Bloy’schen Hass und keinen Bloy’schen Verwerfungsfuror zueigen machen. Wie der Franzose aber sieht er die Welt als dramatischen Kampf zwischen Satan und seinem Gegenspieler, dem Heiligen Geist, und er sucht sich seine Bataillone eher bei den Armen und den Arbeitern als bei den Mächtigen. In seinem Fastenhirtenbrief 2013 rief Kardinal Bergoglio die Katholiken seines Bistums auf, sich „in Arbeiter zu verwandeln, die die Gnade und die Möglichkeit empfangen, das menschliche Leben wieder aufzubauen.“ Aufbauen war dann auch ein Schlüsselwort in seiner ersten päpstlichen Predigt.

Wer vollbringt letztlich den Aufbau des Reiches Gottes? Der Heilige Geist, sagte Bloy, sagt Bergoglio. Eine Akzentverschiebung deutet sich an zu einem pneumatischen, vielleicht gar charismatisch zugespitzten Katholizismus. Vatikan-Experte George Weigel sieht bereits das Wetterleuchten eines „evangelikalen Katholizismus“. Ob es dazu wirklich kommt, bleibt fraglich. Auf jeden Fall ist für Papst Franziskus der Heilige Geist – der Paraklet, wie er auch genannt wird, – der „oberste Protagonist jeder Initiative und Äußerung des Glaubens“, so abermals zu den Kardinälen. In einem Interview aus dem Jahre 2007 nannte Bergoglio den Heiligen Geist den besten Schutz vor einer selbstreferentiellen Kirche, die um sich kreist. Der Geist „führt uns zur Mission“, indem er dazu antreibt, „unsere Gewissheiten“ zu verlassen, das Gefängnis der „vorgefassten Methoden“ und „korrekten Meinungen“. Der Geist, heißt das, macht unruhig und kreativ, missionsbereit und streitlustig. Bloy sah allein in den Unglücklichen die „Herde des Paraklets, des Trösters, des Heiligen Geistes“. Papst Franziskus setzt seine missionarischen Hoffnungen stärker auf die Volksfrömmigkeit als auf die Vernunft – das ist der größte Unterschied zu Benedikt XVI. Der Vorgänger war ein Meister des Denkens, wie er es an den Universitäten gelernt und gelehrt hat, einer der klügsten Köpfe überhaupt. „Du musst dein Denken ändern“, war das Motto seines Pontifikats. Bergoglio ist ein Virtuose der Einfachheit, der, obwohl jesuitisch gebildet, lieber an Maria als an Augustinus sich wendet. „Der mächtigen Fürsprache Marias, unserer Mutter und Mutter der Kirche,“ empfahl Franziskus sein neues Amt. Die „selige Jungfrau Maria“ nannte er den „Stern der Evangelisierung“. Schon zuvor, in besagtem Interview von 2007, lobte Bergoglio die Volksfrömmigkeit überschwänglich. Er bezog sich dabei auf das Schlussdokument der 5. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik, in dem es heißt: „Wir haben vielmehr den Wunsch, dass alle Mitglieder des gläubigen Volkes Maria und alle Heiligen täglich mehr nachahmen, wenn sie ihr Zeugnis anerkennen.“ In der Volksfrömmigkeit „finden und entdecken wir einen eindringlichen Sinn für Transzendenz, eine spontane Fähigkeit, sich auf Gott zu verlassen, und eine wirkliche Erfahrung göttlicher Liebe.“ Maria sei „beispielhaftes Modell für Humanität. (…) Dieses marianische Verständnis der Kirche ist das beste Heilmittel gegen eine bloß funktionale bzw. bürokratische Kirche.“ Franziskus wird also das Entweltlichungsprogramm Benedikts ebenso fortsetzen wie dessen Bemühen um eine missionarische Kirche. Er wird dabei die Volksfrömmigkeit ins Zentrum rücken und den Dialog von Glaube und Vernunft ins zweite Glied verweisen. Er wird sich den Armen in einer betont marianischen Perspektive zuwenden und im Christentum stärker eine Arbeit sehen denn eine intellektuelle Herausforderung. Er wird den Heiligen Geist aufrufen im Kampf gegen dämonische Kräfte innerhalb wie außerhalb der Kirche. Bei diesen Anstrengungen ist weder die Ökumene zentral noch die westliche Reformagenda. Wie sagte er doch als Kardinal? Die Klerikalisierung der Laien sei ein Problem, bei dem Priester und Laien in „sündiger Komplizenschaft“ zusammen wirkten. Allein die Taufe genüge.

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