- „Ich kenne den Tod besser als das Leben“
Was der Filmemacher und Schriftsteller Oskar Roehler an seinem letzten Tag machen würde
Ich hatte erst überlegt, ob ich meinen Roman „Herkunft“ besser „Die Quellen des Todes“ hätte nennen sollen, weil ich beim Schreiben des Buches gemerkt habe, dass ich mich mit dem Tod und mit Abschieden besser auskenne als mit dem Leben.
So hätte ich vielleicht den Wunsch, schnell noch mal zu diesem verwunschenen, einsamen Ort auf Sizilien zu fliegen, wo meine Frau Alexandra und ich eine sehr glückliche Zeit verbracht haben.
Aber solche Gedanken gibt es viele. Und im Grunde ist das alles mehr oder weniger nur Gewäsch. Auf all das käme es nicht wirklich an. Ich glaube, wenn ich schön sterben könnte, wenn ich auf eine gute Art in den Tod gehen könnte, dann würde ich das ja gerne mitmachen.
Ich weiß noch, wie der Schlingensief an seiner schrecklichen Krankheit im Krankenhaus gestorben ist. Aber die Aino, seine Frau, hat ihm die Hand gehalten, sie war die ganze Zeit dabei. Und auch er hat ihr bis zum Schluss immer die Hand gedrückt. Da waren die ganzen Apparate um ihn herum, sein Herz funktionierte nicht mehr so gut – aber offenbar kriegst du auch in dieser Situation immer noch einiges mit. Daran muss ich oft denken.
Das Wichtigste für mich ist eigentlich, dass ich die letzten Stunden mit Alexandra verbringe. Sie hat mir das letzte Viertel meines Lebens versüßt. Mit ihr möchte ich irgendwo zusammensitzen und Bilanz ziehen. Mich bis zum Ende über alles austauschen, was wir erlebt haben, was wichtig war, was schön war und was uns unsere Zufriedenheit und unser Glück gegeben hat. Und dann würde ich mit ihr auch noch ganz gerne über die Möglichkeit reden, ob man sich noch irgendwo wiedertreffen kann oder nicht.
Und umarmen möchte ich sie die ganze Zeit, so lange, bis ich nicht mehr bin. Und dann kann ich mir sagen, okay, es war schön, es hat sich gelohnt, trotz aller missratenen Versuche hat das eigentlich wirklich Spaß gemacht, das Leben.
Filme wie „Die Unberührbare“ (2000) und „Elementarteilchen“ (2006) machten Oskar Roehler, Jahrgang 59, zu einem der bekanntesten Regisseure des Landes. Diesen Herbst ist er mit seinem verstörenden Debütroman „Herkunft“ (Ullstein-Verlag) in Erscheinung getreten.
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