- Zwischen Traum und Albtraum
Otfried Preußler als Märchenonkel erleben, Primo Levi begleiten zu Orten des Grauens und sich in den "American Dream" der 1940-er Jahre einfühlen. Zur (abgesagten) Leipziger Buchmesse verrät Klaus Ungerer seine Hörbuch-Favoriten.
Böhmisch, Bairisch, Butterweich
Irgendwann in den frühen Sechzigern stockte bei Otfried Preußler die Arbeit am „Krabat“, jener düsteren Zaubergeschichte, die bedrohlicher und spannender war als all die anderen Preußler-Geschichten. Er kam hier nicht recht weiter. Aber der 2013 gestorbene Preußler war ein kluger Mann. Er legte also den „Krabat“ zur Seite und schrieb zur Abwechslung etwas, das nur so aus ihm herausfloss, das war der famose, lustige „Räuber Hotzenplotz“: Hier war der Autor in seinem Element wie ein Wassermann im sprudelnden Mühlenbach. Dass er kein Mann der Dunkelheit ist, erlebt man mit diesem Hörbuch. Otfried Preußler liest selbst, in seinem knarzenden, rollenden Bairisch-Böhmisch, seine Erzählhaltung schwebt zwischen Buchvorleser und Ad-hoc-Geschichtenerzähler, der vielleicht gar nicht an allen Buchstaben kleben bleiben will, gern wedelt er Stellen weg, die jeder Darsteller mit besonderer Eindringlichkeit vorgetragen hätte. Vor allem aber hört man gut: dass Preußler, in seiner Modulation, in seinem Timbre, mit seinen oft butterweich schmeichelnden Satzenden doch ein recht, recht gutartiger Märchenonkel ist, in dessen Stimme man sich einmummeln und der uns in den Schlaf gurren will, nicht unnötig aufpeitschen. Wir hören „Krabat“, und wir hören den „Kleinen Wassermann“ mit.
Otfried Preußler: Krabat. Gekürzte Autorenlesung. Silberfisch, Hamburg 2020. 3 CDs, 3 Stunden und 19 Minuten, ca. 15 €
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