- Anton Holzer: Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg
Parallel zur technischen Entwicklung und Vervollkommnung vermögen Kriegsfotos das Pathos des Sieges und der Niederlage abzubilden – und werden damit, ob gewollt oder ungewollt, selbst zu einer Waffe im Krieg. Seinen Ausgangs- und ersten Höhepunkt erlebte dieser Prozess während des Weltkriegs zwischen 1914 und 1918: Der Konflikt war zugleich auch der erste Propaganda-Krieg, der wesentlich durch Fotos und Filme geprägt war.
Parallel zur technischen Entwicklung und Vervollkommnung vermögen Kriegsfotos das Pathos des Sieges und der Niederlage abzubilden – und werden damit, ob gewollt oder ungewollt, selbst zu einer Waffe im Krieg. Seinen Ausgangs- und ersten Höhepunkt erlebte dieser Prozess während des Weltkriegs zwischen 1914 und 1918: Der Konflikt war zugleich auch der erste Propaganda-Krieg, der wesentlich durch Fotos und Filme geprägt war. Zunächst noch unkoordiniert und in den zuständigen Institutionen durch Unsicherheiten im Umgang mit dem fotografierten Krieg geprägt, begann sich die Nutzung der Fronten- und Etappenaufnahmen ab etwa 1916 zu intensivieren. In nahezu allen kriegsbeteiligten Nationen wurden die Entstehung der Fotos und vor allem deren Wege an die massenmediale Öffentlichkeit durch meist militärische Behörden zensiert und kontrolliert. Diese Einflussnahme auf das fotografische Bild des Krieges setzte sich in der Nachkriegszeit fort. So lieferte vor allem die Westfront das Muster für den Krieg der Moderne als Ort der Industrialisierung von Kampf und Schlachtfeld, während die Ostfront bildlich unterrepräsentiert blieb. Der österreichische Fotohistoriker Anton Holzer, Herausgeber der renommierten Zeitschrift «Fotogeschichte», hat nun einen umfangreichen Bild- und Textband vorgelegt, der das Massenmedium «Fotografie» und die aus ihm entstehenden Kriegs- und Nachkriegsbilder zum Thema hat. Seine Hauptquelle ist das Bildarchiv der Propaganda-Abteilung des österreichisch-ungarischen Heeres, des k.u.k. Kriegspressequartiers. Kaum bekannt und erforscht, gehören die hier verwahrten 33.000 Originalglasplatten «zweifellos europaweit zu den wichtigsten erhaltenen Bildquellen zur Geschichte des Ersten Weltkrieges». Mit ihnen und Holzers Auswahl rückt – erstmals in dieser Dichte – die damalige Front in Ost- und Südosteuropa vor das Auge des Betrachters. Allerdings erschöpft sich Holzers Spurensuche nicht in der bloßen, visuellen Reproduktion der Geschichte dieser Kriegsschauplätze in Russland und Serbien, in Montenegro, in Rumänien, Bulgarien oder in Italien, die trotz wissenschaftlicher Untersuchungen immer noch weitgehend vergessen sind. Auch in der soliden Aufarbeitung der zeitgenössischen, propagandistischen Verwertung der Fotos und Fotoserien in der k.u.k. Monarchie liegt der Wert dieser bilderreichen Studie nicht allein. Es gelingt dem Autor darüber hinaus, auch das subjektive Interesse der Kriegsfotografen, ihre Neugier auf Fremdes und Ungewohntes zu entdecken und in einen sorgsam hergestellten historischen Kontext zu rücken – sei es die untergegangene Welt galizischer Dörfer, seien es die zerfurchten Gesichter ruthenischer Juden oder das immer gleich schreckliche und immer neue Antlitz des gewaltsamen Todes. Auf diese Weise ist ein eindrucksvolles Geschichtsbuch entstanden, in dem mit Fotografien und deren Interpretation ein nahezu vergessener Krieg veranschaulicht und die ihn umgebende Welt östlicher Kulturen wiederbelebt wird.
Anton Holzer
Die andere Front. Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg
Primus, Darmstadt 2007. 368 S., 39,90 €
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