- „Öko ist mehr, als nur Joghurtbecher zu sortieren“
Die Piraten haben „null Bock auf Öko“ und würden die Umweltbewegung gefährden, schrieb Vera Gaserow jüngst in einem Kommentar. Stimmt nicht, entgegnet der Berliner Umweltpolitiker Philipp Magalski in einem Beitrag für CICERO ONLINE. Grüne Themen hätten bei den Piraten den gleichen Stellenwert wie die Freiheitsagenda der Partei
Wussten Sie, dass die Piratenpartei bislang über mehr Initiativen zu den klimaschutzrelevanten Themen Umwelt, Verkehr und Energie abgestimmt hat, als zum Bereich Digitales, Urheberrecht und Datenschutz?
Die jüngeren Parteien der Bundesrepublik haben einen zentralen Gründungsgedanken, welcher die Mitglieder zusammengeführt hat und der deshalb nicht weniger als Sinn gebend für die jeweilige Partei ist. Dass die Piratenpartei in Deutschland sich gründete, um Anlauf auf die Parlamente zu nehmen, liegt an der Zuversicht ihrer Gründungs- und Neumitglieder, dass durch die digital vernetzte Welt andere Formen von Politik möglich und nötig sind. Was vorher fehlte, war eine politische Repräsentanz, welche sich neue Formen von Partizipation, Teilhabe und Mitbestimmung ins Programm schrieb.
Was den Grünen in der bis dato vorhandenen politischen Landschaft fehlte, war die Repräsentation von Umweltschutzthemen in der Politik. Das heißt nicht, dass die Mitglieder der Piratenpartei Umweltpolitik nicht interessiert; das heißt nur, dass das Thema Umwelt nicht konstituierend für die Gründung der Bewegung der Piraten war. Und überhaupt: Würde die Piratenpartei Umweltpolitik zu einem großen Schwerpunkt erklären – wozu bräuchte es dann noch die Grünen?
Die zahlreichen Initiativen zum Thema Umweltpolitik im „Liquid Feedback“ belegen dies eindrücklich. Natürlich wird in diesem Themenbereich kontroverser unter Piraten diskutiert als unter Grünen. Niemand würde Parteimitglied der Grünen, der den Atomausstieg fragwürdig fände und der Meinung wäre, in Deutschland müsse der Ausbau der Autobahnen vorangetrieben werden, um Wirtschaftskraft und Infrastruktur zu stärken. [gallery:Die Piratenpartei. Ein Landgang auf Bewährung]
Die Politisierung derjenigen, die in die Piratenpartei eintreten, ist anders begründet. Wir begeistern viele Menschen erstmals dafür, sich überhaupt an politischen Prozessen zu beteiligen. Anderen, die sich von der Politik schon frustriert abgewandt haben, geben wir Hoffnung: hier wird mir zugehört, hier kann ich mitbestimmen – und holen sie so zurück zur demokratischen Teilhabe. Eben da wir die Menschen wieder mehr für Politik und die Möglichkeiten, an ihr zu partizipieren, interessieren können, heißt das automatisch auch, dass wir wieder mehr Menschen für politische Inhalte sensibilisieren. Der Zuspruch für die Piraten ist eine riesengroße Chance, den Diskussionsprozess in allen Politikfeldern neu zu entfachen und voranzubringen. Dazu gehört auch die Umwelt- und Energiepolitik.
In denjenigen Wahlprogrammen, mit denen die Piratenpartei bereits in Parlamente eingezogen ist – und demnächst einziehen wird – hat Umweltpolitik einen hohen Stellenwert. Die Sorge um unseren Planeten steht für die Piraten auf derselben Ebene wie die Möglichkeit der freien Entfaltung jedes Individuums und einer solidarischen Gesellschaft.
Seite 2: „Die Abschaffung von Massentierhaltung ist ein Kernaspekt in Sachen Klimaschutz“
Für das Programm meines Landesverbandes, mit dem wir in das Berliner Abgeordnetenhaus eingezogen sind, ist die Abschaffung der Massentierhaltung besonders hervorzuheben. Ein Kernaspekt in Sachen Klimaschutz! Durch die Gülle der Mastbetriebe werden das Grundwasser verunreinigt und die Meere verschmutzt. 18 Prozent des weltweiten CO²-Ausstoßes sind auf die Nutztierhaltung zurückzuführen. Auch der Energieverbrauch, der während der übermäßigen Fleischproduktion durch Anbau und Transport der Futtermittel sowie der anschließenden Verarbeitung und Lagerung des Fleisches anfällt, darf nicht unterschätzt werden. Bisher wird die Landwirtschaft viel zu wenig in die notwendigerweise geführte Klimadebatte mit einbezogen.
Dies zu ändern ist ein maßgebliches Ziel der Piratenfraktion.
Wir als Fraktion haben im Kleinen begonnen: Der uns vom Berliner Abgeordnetenhaus zur Verfügung stehende Fahrdienst wird von der Piratenfraktion nicht in Anspruch genommen. Stattdessen hatten wir Dienstfahrräder beantragt, was leider abgelehnt wurde. Derzeit arbeiten wir intensiv daran, das Konzept zum fahrscheinlosen öffentlichen Nahverkehr in den Details auszuformulieren. Wir gehen fest davon aus, dass diese Umstellung viele Autofahrer dazu bringen würde, künftig verstärkt Busse und Bahnen zu nutzen. Sieben Abgeordnete der Berliner Piratenfraktion waren beim jüngsten Castortransport in Gorleben, um die Anliegen der Protestierenden zu hören und zwischen ihnen und den Ordnungskräften zu vermitteln.
Als erste Piratenfraktion in einem Landesparlament fangen wir hier in Berlin im Kleinen an. Im Großen, als Bundespartei und als internationale Piraten-Bewegung, geht es uns aber um wesentlich mehr als darum, Joghurtbecher richtig zu sortieren. Zwischen Armut und Umweltverschmutzung besteht insbesondere global gesehen ein Zusammenhang, der für Mensch und Klima fatale Ausmaße erreicht. Hier ist die Beteiligung von vielen, wenn Sie so wollen: von Schwarmaktivität und Schwarmintelligenz gefragt. Die Menschen müssen erst wieder politisiert werden, damit Utopien von einer gerechteren Welt mit weniger sozialer Ungleichheit und folglich besseren Chancen, den Klimawandel zu bremsen, in Programme und politische Maßnahmen umgesetzt werden können. [gallery:Die Kosten der Energiewende]
Die Piratenpartei Deutschland ist noch keine sechs Jahre alt. Wir haben noch kein Programm, das die Welt rettet. Aber unsere Mitglieder haben in Liquid Feedback eine Plattform, auf der jeder Einzelne seine Ideen einbringen, diskutieren und durch die Gemeinschaft zum Programm erheben kann. Die entsprechenden Ergebnisse werden wir dann auf dem nächsten Programmparteitag im November in Bochum zu sehen bekommen.
Philipp Magalski (@Piratenbaer auf Twitter) ist umweltpolitischer Sprecher der Piratenfraktion Berlin und sitzt u.a. im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt. Foto: Berthold Stadler/Piratenfraktion
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.