- Gehören Politiker in Aufsichtsräte?
Klaus Wowereit hat die Baustelle des BER-Flughafens nicht im Griff, Peer Steinbrück steht wegen seiner Rolle bei Thyssen-Krupp in der Kritik. Gehören Politiker in Aufsichtsräte?
In privaten, börsennotierten Unternehmen ist die Sache klar: Deutsche Aktiengesellschaften müssen laut Gesetz einen Aufsichtsrat haben, in dem Vertreter der Anteilseigner, bei Unternehmen einer bestimmten Größe Arbeitnehmervertreter sowie sonstige Persönlichkeiten sitzen. Letztere können auch politische Mandatsträger sein – und hier fängt das Problem häufig an. Der deutsche Corporate Governance Kodex schlägt zwar verschiedene Anforderungen an das Persönlichkeitsprofil, die fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse sowie die Loyalität der Aufsichtsratsmitglieder vor. Diese Kriterien werden aber bei Politikern häufig sehr großzügig ausgelegt.
Und im Fall der öffentlichen oder halböffentlichen Unternehmen greift der (freiwillige) Kodex gar nicht. Hier werden Politiker und frühere Amtsträger gern mit Aufsichtsratsposten belohnt – von Stadtwerken über Landesbanken bis zu Flughafengesellschaften.
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Experten fordern deshalb schon lange transparente und klar definierte Regeln für die Nominierung von Politikern: „Gerade in öffentlichen Unternehmen werden zu selten Experten in die Aufsichtsräte gewählt, sondern nach parteipolitischen Überlegungen Kandidaten bestimmt“, kritisiert Tobias Weitzel, Vorstand der Financial Experts Association (FEA), ein Berufsverband für Mitglieder von Aufsichtsgremien. Politisches Engagement sei gesellschaftlich wertvoll, qualifiziere allein aber noch nicht für Aufsichtsratsarbeit. „Wir brauchen klar definierte Prozesse – und keine Fragen an die Fraktion, wer denn gerade Lust auf einen Aufsichtsratsposten hat“, sagt Weitzel. Idealerweise bringe der Mandatsträger die nötige Qualifikation mit – „andernfalls muss er sie sich aneignen, bevor er in die engere Wahl des Nominierungsausschusses kommt“. Die Qualität der Aufsichtsräte und der Aufsichtsratsarbeit sollten durch externe Audits regelmäßig überprüft werden. Jedem Vorstand oder jedem Geschäftsführer sollte (in seiner jeweiligen Funktion) nach FEA-Vorstellung ein Experte im Aufsichtsrat gegenüberstehen.
So unterschiedlich die Fälle Steinbrück und Wowereit auch sein mögen, weil es sich in dem einen Fall um ein Aufsichtsratsmandat in einem privaten Großunternehmen und in dem anderen um ein mit öffentlichen Geldern finanziertes Bauprojekt geht - an den zwei Beispielen bündeln sich die Hauptargumente, die gegen das Engagement von Politikern in Aufsichtsräten vorgebracht werden: Sie verfügen in der Regel nicht über ausreichende Fachkompetenz, um die überaus komplizierten betriebswirtschaftlichen Vorgänge in dem jeweiligen Unternehmen oder Bauprojekt zu durchdringen, mithin können sie ihrer Kontrollfunktion, gerade wenn sie im öffentlichen Interesse liegt, nicht ausreichend nachkommen. Sie haben eigentlich nicht genug Zeit, um neben dem politischen Vollzeit-Job der Aufgabe im Aufsichtsrat angemessen nachzugehen (in Expertenkreisen wird etwa ein Tag pro Woche für die Aufsichtsratstätigkeit veranschlagt). Und: Sie unterliegen immer der Versuchung, von dem jeweiligen Unternehmen für Lobbyarbeit vereinnahmt zu werden.
Generell bestehe bei Politikern in Aufsichtsräten „natürlich die Gefahr der Interessenskollision“, gesteht der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß, ein. Dass man dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück jedoch einen Vorwurf daraus mache, dass er als Aufsichtsratsmitglied des Stahlkonzerns Thyssen-Krupp politische Unterstützung im Kampf gegen zu hohe Strompreise zugesagt habe, hält Poß für „obskur“. Steinbrück habe lediglich eine Meinung vertreten, die auch die SPD vertritt. Poß selbst sitzt bei der RAG Deutsche Steinkohle AG auf Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat. Davon, dass Politiker generell nichts in Aufsichtsräten zu suchen haben, hält er wenig. Im Gegenteil: „Nach meiner Erfahrung lernt man in Aufsichtsratsposten eine Menge Dinge, die einem in der Politik weiterhelfen und auch mal den Blickwinkel verändern.“ Es diene der Verstärkung des politischen Mandats.
Seite 2: Rückendeckung für Steinbrück aus der FDP
Selbst viele Politiker aus der Union halten Steinbrücks Verhalten im Fall Thyssen-Krupp für „absolut sauber“. Kritisiert wird lediglich, dass er offenbar seine Aufsichtsrats-Termine nicht ausreichend wahrgenommen habe. Rückendeckung für Steinbrück kommt auch aus der FDP. Bundestags-Vizepräsident Hermann Otto Solms sieht in dessen Aufsichtsratstätigkeit bei Thyssen-Krupp „keinen unzulässigen Interessenskonflikt“. Jeder Bundestagsabgeordnete, der ein Aufsichtsratsmandat annehme, verpflichte sich damit auch, die Interessen des Unternehmens wahrzunehmen, sagte Solms dem Tagesspiegel. Das sei „völlig selbstverständlich“, solange es transparent sei. „Und Peer Steinbrück hat die Öffentlichkeit über seine Tätigkeit bei Thyssen-Krupp informiert.“
Die Grünen-Abgeordnete und haushaltspolitische Sprecherin Priska Hinz ist Aufsichtsratsmitglied in der staatlichen Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Dort sitzen Haushälter jeder Fraktion. „Wir haben eine reine Kontrollfunktion“, betont die Ex-Staatsministerin. Hinz hat auch keine Probleme damit, wenn Politiker in Aufsichtsräten von privatwirtschaftlichen Unternehmen sitzen. Nur dürfe die Tätigkeit nicht mit dem politischen Mandat verknüpft werden. Ihr Parteifreund Thomas Gambke ist Unternehmer und Mittelstandsbeauftragter der Fraktion. Er wechselte nach einer Rechtsformänderung des Unternehmens MSG Lithoglas vom Aufsichtsrat in den Beirat. Es sei zwar „kritisch, wenn Politiker in Aufsichtsräten von privaten Unternehmen sitzen – ausgenommen, wenn sie einen beruflichen Hintergrund in dem betreffenden Unternehmen haben“, sagt Gambke. Der Grünen-Politiker ist Mitgesellschafter der in der Halbleitertechnologie tätigen Firma.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), hat Ende November sein Aufsichtsratsmandat bei der Biotech-Firma mosaiques diagnostics und therapeutics AG in Hannover niedergelegt. Es sei ihm „bewusst geworden, wie sensibel Beteiligungen und Mandate bei Unternehmen, die im Gesundheitswesen tätig sind, öffentlich wahrgenommen werden“. Er wolle „schon den Anschein möglicher Interessenkonflikte vermeiden“. Zu dieser Einsicht verholfen hat dem CDU-Politiker freilich erst der Ärger, den er mit einer anderen Unternehmensbeteiligung hatte. Spahn war zwischen 2006 und 2010 zu 25 Prozent an der Firma „Politas“ beteiligt, die mit der Beratung von Klienten aus dem Medizin- und Pharmasektor Geld verdiente. Sein Mandat bei dem privaten Krankenversicherer Signal-Iduna hatte Spahn niedergelegt, als er gesundheitspolitischer Sprecher wurde. Im Verwaltungsrat der Sparkasse Westmünsterland aber sitzt der CDU-Politiker weiterhin. Das, so argumentiert er, habe „schließlich nichts mit Gesundheit zu tun“.
Karl Lauterbach, ebenfalls gesundheitspolitischer Sprecher, aber bei der SPD, sieht keinen Grund, sein Aufsichtsratsmandat bei den privaten Rhön-Kliniken zurückzugeben. Ein Aufsichtsrat sei schließlich „kein Lobbyist“. Persönlich trenne er diesen Job streng von seiner politischen Arbeit. mit sc/asi/ks/sib/raw
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