Gedenkkundgebung zum 1000. Tag des russischen Einmarsches auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz / dpa

Ukraine-Krieg - Die letzten 1000 Tage

Der Krieg gegen die Ukraine begann nicht 2022, sondern 2014 mit der Annexion der Krim. Erst mit der Eskalation durch den russischen Einmarsch vor 1000 Tagen setzte sich im politischen Berlin die Erkenntnis durch, dass man ungewollt den imperialistischen Ambitionen Putins Vorschub geleistet hat.

Autoreninfo

Thomas Urban ist Journalist und Sachbuchautor. Er war Korrespondent in Warschau, Moskau und Kiew. Zuletzt von ihm erschienen: „Lexikon für Putin-Versteher“.

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„1000 Tage Krieg”. So hieß es in fast allen Nachrichtensendungen und Kommentarspalten. Es ist eine schlicht falsche Zahl. Denn der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begann Ende Februar 2014 mit dem Aufmarsch der „grünen Männchen” auf der Halbinsel Krim wenige Tage nach dem Ende der Olympischen Winterspiele in Sotschi, die wegen der dreisten Betrügereien auf russischer Seite in die Sportgeschichte eingegangen sind. Der Krieg erreichte erste Höhepunkte wenig später mit den allerdings gescheiterten Versuchen der russischen Geheimdienste FSB und GRU, die Kontrolle über die Metropolen Charkiw und Odessa zu übernehmen, und vor allem mit dem Einmarsch russischer Einheiten in das Industriegebiet Donbass.

Doch die meisten deutschen Medien haben unkritisch die Saga von den „Separatisten” übernommen, angeblichen Selbstverteidigungskräften der angeblich von Kiew unterdrückten russischsprachigen Bevölkerung im Donbass. Kaum ein Echo fanden in Deutschland die Dokumentationen der während des ersten Tschetschenien-Krieges 1994 entstandenen Komitees der Soldatenmütter. Sie konnten nachweisen, dass bis Mitte 2015 im Donbass mindestens 15.000 Soldaten der russischen Streitkräfte unter falscher Flagge im Einsatz waren. Prompt erklärte der Kreml die Soldatenmütter zu „ausländischen Agenten“. Ebenso wurden fast alle Schlüsselpositionen in den Armeen und Geheimdiensten der „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk mit Staatsbürgern der Russischen Föderation besetzt, von denen die meisten Geheimdiensthintergrund hatten.

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Tomas Poth | Mi., 20. November 2024 - 15:32

Der Krieg begann mit dem Maidan-Putsch und der Vertreibung des damaligen, demokratisch gewählten Präsidenten, durch eine vom "Westen" unterstützte Gruppe von Bandera-Ukrainern, quasi die Westukraine gegen die Ostukraine.
Die Spaltung der Ukraine in westlich orientierte Westukrainer und russisch orientierte Ostukrainer ist in vielen Umfragen, vor 2014, des Razumkov-Zentrums in Kiew dokumentiert.
Infolgedessen entwickelte sich der Bruderkrieg nach dem Maidan-Putsch im Donbas seit 2014.
Der Versuch der Minsker Friedensvereinbarungen war seitens des Westens nur ein Täuschungsmanöver, wie Merkel später bekundete. Die Ukraine sollte für einen Krieg mit Russland fit gemacht werden.
Der Einmarsch der RF Februar 2022 ist natürlich eine Völkerrechtsverletzung. Und was ist der vorher 8 Jahre tobende Krieg der Bandera-Ukraine gegen die Ostukraine?
Urban setzt hier seine Desinformationen als Troll der Banderaristen und der US-Nato/Imperialisten kontinuierlich fort. Shit Happens.

Jens Böhme | Mi., 20. November 2024 - 15:54

Die Liste der Angriffe ist unvollständig. 1939/40 der Angriff der Sowjetunion auf Finnland mit Teilbesetzung Kareliens, die Besetzung Ostpolens und Bessarabiens 1939 infolge des Hitler-Stalin-Zusatzprotokoll. Desweiteren die imperiale Aufteilung des militärisch schutzlosen Polen mit russischer Beteiligung 1772, 1793 und 1795 unter Katharina II. Nicht vergessen sei auch die Russländisch-Amerikanische Kompagnie, die Alaska und Teile Kaliforniens für Russland im 19.Jahrhundert kolonialisierten.

Dr. Oliver Strebel | Mi., 20. November 2024 - 15:54

2004 hatte ich während der orangenen Revolution in der Ukraine eine denkwürdige Diskussion mit einem Kollegen. Der meinte, dass, wenn die Ukraine sich von Russland wirtschaftlich löst, Russland wirtschaftlich ruiniert wäre. Die Löslösung nach dem Maidan 2014 ergab einen Einbruch der russischen Wirtschaftsleistung von 2013 auf 2015 um 40%. Daher sehe ich den Westen als dunkelgrau an.

Russland ist für mich seit April 22 schwarzgrau, weil nach dem russ. Sieg sowie einer Filtration die Ukrainer entweder nach Sibirien kommen oder eine untergeordnete (!) Rolle in der Ukraine spielen sollen. Ausserdem verheizt Russland seine Soldaten in unglaublich dummer Manier. Ekelhaft!

Der Teufel hat fette Beute auf Erden eingefahren, denn so groß ist der Unterschied zwischen schwarzgrau und dunkelgrau ja nun auch nicht.

Walter Bühler | Mi., 20. November 2024 - 16:04

... ist nicht auf Russland, Weißrussland und Serbien begrenzt.

In der Ukraiine wird Bandera verehrt, und Präsident Selenski verlängert seine Amtszeit, ohne sich (echten) Wahlen zu stellen.

Dieser slawische Bürgerkrieg ist so überflüssig gewesen wie ein Kropf.

Die Auflösung von Imperien (Irland aus GB, Ukraine usw. Ukraine, Baltikum aus der UdSSR) ist historisch nur dort gut gegangen, wo man allseits so klug war, sich gegenseitig alss Nachbarn mit einer gemeinsamen Geschichte zu akzeptieren. Das kommunistische Imperium der UdSSR hat ja nicht nur Ukrainer, Balten, Georgier, Juden, Armenier usw. unterdrückt, sondern eben auch die Bevölkerungsmehrheit, die (Groß-) Russen.
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Zum Erfolg von Propaganda: Es war doch ungeheuer, wie die Propaganda des Moskauer Komikers und Medienunternehmers Selenski von der NATO vollkommen kritiklos übernommen und von den "westgebundenen" Parteien ebenso kritiklos zu eigen gemacht worden ist.
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Einsicht fehlt vor allem Ihnen selbst, Herr Urban.

Manfred Sonntag | Mi., 20. November 2024 - 16:15

Zu diesem Text hätte ich doch einige Fragen an Herrn Urban. Gehe ich richtig in meinem Verständnis Ihres Textes, dass nur Putin keine imperialistischen Ambitionen haben darf, alle anderen schon? So haben die USA, Frankreich und GB Libyen 2011 überfallen und ins Mittelalter gebombt ohne das dieses Land irgendwelche Annexionsansprüche gegen andere Länder hatte. Also typischer Imperialismus. Herr Urban, wo war damals Ihre Stimme? Oder der 2. Irakkrieg wo behauptet wurde, dass der Irak Massenvernichtungswaffen lagern würde. Alles Lügen, alles klassischer Imperialismus wie bei Putin. Herr Urban, wo war und ist Ihre Stellungnahme? Der Irak und Libyen sind tausende Kilometer von den USA entfernt, im Gegensatz zur direkten Nachbarschaft von Ukraine & Russland. Was war Anfang 60er Jahre für ein Theater los, als die UdSSR Raketen 100Km entfernt von den USA stationieren wollte? Oder, wer führte denn 1999 den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Serbien, Herr Urban? Imperialisten, wie Putin!

Walter Bühler | Mi., 20. November 2024 - 16:51

... ist so groß, dass er etwas weiß, was sonst keiner weiß.
Urban begreift die Sowjetunion (SU) nur als Nachfolgerin des imperialistischen Zarenreiches:
In der SU "hatten abgesehen von Chruschtschow und seinem ... ukrainischen Landsmann Witali Fedortschuk .... ausschließlich ethnische Russen die Spitzenposten in Partei, Regierung und Geheimdiensten bekleidet."

Dass Stalin und Beria ethnische Russen waren, hat m. W. außer Herrn Urban noch niemand behauptet.
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Das Zarenreich war imperialistisch wie damals die anderen europäischen Mächte, zumalunter direkter Bedrohung von Polen/Litauen und Schweden. Das Baltikum, Erbe des deutschen Ordens, war von Litauen, von Preußen, von Polen bedroht, bevor es - unter Wahrung der kulturellen Autonomie - unter Herrschaft der Zaren kamen.

Indigene Völker hatten unter britischer, französischer und unter US-Herrschaft (Indianer!) Herrschaft kaum weniger gelitten als unter den Zaren.

Andreas Braun | Mi., 20. November 2024 - 17:12

Sie sollten den Georgier Stalin nicht vergessen. Die KPdSU war von 1924 bis zur Entmachtung Chruschtschows 1964 eben tatsächlich nicht von Russen dominiert.
Als die Krim 1954 der Ukraine zugeschlagen wurde, war Woroschilow Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets, somit formal Staatsoberhaupt und protokollarische Nr.1. Malenkow war als Vorsitzender des Ministerrates 1954 bereits kaltgestellt und wurde 1955 abgelöst. Ob Chruschtschow im Protokoll nur die Nr. 5 war, spielte für die Entscheidungsfindung keinerlei Rolle. Ebenso kann die Behauptung, es hätte den Wunsch nach Entbürokratisierung gegeben, ins Reich der Fabeln verwiesen werden. Jeder, der Staatswirtschaft sowjetischen Typs mal leibhaftig erfahren musste, kann darüber nur lachen. 2014: Die Ukraine hatte die Verträge zur Verlängerung der Stationierung der russ. Schwarzmeerflotte auf der Krim über 2017 hinaus aus Druck der Obama-Biden-Administration einseitig gekündigt. Das konnten die Russen natürlich nicht akzeptieren

Karl-Heinz Weiß | Mi., 20. November 2024 - 17:16

Die aktuelle Reaktion des Bundespräsidenten auf eine kritische Rede zeigt eines deutlich: trotz der Entschuldigung für Fehleinschätzungen ist nicht nur bei der SPD noch viel aufzuarbeiten. Und über die Merkel-Jahre legt die Union weiterhin den Mantel des Schweigens. Das verhängnisvolle Ignorieren der AfD zwischen 2013 und 2017 wurde mit dem Brandmauer-Beschluss fortgesetzt. Und beim Kanzlerkandidaten Merz ist weiterhin keine Strategie erkennbar, die gravierenden Fehleinschätzungen der Ex-Kanzlerin klar zu benennen und die notwendigen Schlüsse zu ziehen.

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