So traurig wie die deutsche Wirklichkeit: Elyas M'Barek und Matthias Schweighofer in „What a Man“ (2011) / dpa

Gespräch über Film und Gesellschaft - „Die Ambitionslosigkeit kennt in Deutschland keine Grenzen“

Der Filmkritiker Wolfgang M. Schmitt spricht über Blockbusterkino, den Einsatz von KI, die Probleme deutscher Filme, Ideologie, Identitätspolitik und Empörungskultur, die Macht der sozialen Medien und warum es schlecht um die Hochkultur steht.

Autoreninfo

Alexandre Kintzinger studiert im Master Wissenschafts- philosophie an der WWU Münster und arbeitet nebenbei als freier Journalist. Er ist Stipendiat der Journalistischen Nachwuchsförderung (JONA) der Konrad-Adenauer-Stiftung. 

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Wolfgang M. Schmitt ist Filmkritiker, Podcast-Moderator, YouTuber und Autor. Bekannt ist er vor allem durch seinen YouTube-Kanal „Filmanalyse“, wo er Filme ideologiekritisch seziert sowie Bögen zu gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Themen spannt.

2020 startete er zusammen mit Stefan Schulz den Podcast „Die Neuen Zwanziger“. Es ist ein Zehnjahresprojekt, bei dem die beiden jeden Monat zeitgeistige Gesellschaftsphänomene aus Politik, Technik und Ökonomie diskutieren. 2021 schrieb Schmitt gemeinsam mit Ole Nymoen ein kritisches Buch über Influencer mit dem Titel „Influencer: Die Ideologie der Werbekörper“, das deren Geschäft und Wirkung auf die Gesellschaft analysiert.

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Naumanna | Sa., 28. Oktober 2023 - 19:01

Ich habe gerade den Film KILLERS OF THE FLOWER MOON gesehen. Scorsese. Ungeheurlich toller Film. Kurz vorher IM WESTEN NICHTS NEUES. Da verschlägt es einem die Sprache. Dann TAR, mit Cate Blanchett, über eine Dirigentin. Eine neue Verfilmung der ZAUBERFLÖTE und und und - ich weiß nicht wovon hier gesprochen wird - ich kann keinen Kulturpessimismus feststellen.

Henri Lassalle | Sa., 28. Oktober 2023 - 19:14

Wahre Worte. Noch bis zu 2. Weltkrieg standen in bürgerlichen Wohnungen ein Klavier, gab es ein oder mehrere Musikinstrumente, Hausmusik war keine Seltenheit, es wurde Interesse für Kunst gepflegt. Reste des Bildungsbürgertum gibt es noch, vielleicht nicht mehr lange. Kunst aber wirkt sich positiv auf die kognitive Entwicklung der Menschen aus, insbesondere klassische Musik.
Auch die Deutschen haben das US-amerikanische "Modell" übernommen: Es zählt nur noch der Materialismus und das Bestehen in einer ökonomischen Ellbogengesellschaft.
Was den Film angeht: Ich sehe mir fast nur noch alte Filme an, wie französische oder englische Filme aus den 50iger/60iger70iger Jahren - darunter gibt es wahrhafte Kunstwerke. Heute fast nicht mehr, die Produktionen sind fad, langweilig, oder es sind billige Rührstücke.
Will man das Kino beleben, dann mache man endlich wieder Kunst, oder bringe Sensationsfilme heraus, wie den weissen Hai.
Angst, Schrecken und das Unheimliche faszinieren die Leute immer

Es gibt sie noch, die Filmkunst. Zu allen Zeiten war der sogenannte Mainstream stärker verbreitet als die wirklich Kunst. KILLERS OF THE FLOWER MOON (2023) IM WESTEN NICHTS NEUES (2022) TAR (2022) DER RAUSCH (2021) DIE JAGD (2013) OPPENHEIMER (2022) usw Wenn Sie Filme im Fernsehen meinen, da kommt fast nur Müll, das ist richtig. Holen Sie sich Anregungen bei den großen Filmfestivals - BERLINALE, CANNES, SUNDANCE FESTIVAL usw. - da können Sie noch große Filmkunst finden - auch heute noch.

Achim Koester | So., 29. Oktober 2023 - 09:06

die lediglich die technischen Möglichkeiten der Neuzeit nutzen, wäre nicht viel dagegen einzuwenden. Bei vielen aber wird die Handlung verfälscht (Beispiel: "Lohn der Angst"mit Yves Montand aus dem Jahr 1953), das ist einfach inakzeptabel.

Walter Bühler | So., 29. Oktober 2023 - 12:00

... und man kann bei diesem Thema von mir kein sachverständiges Urteil erwarten.

Das Thema Kinobesuch ist seit Corona (aber nicht wegen Corona!) völlig aus meinem Veranstaltungskalender gestrichen.

Wenn ich mich ablenken, sehe ich manchmal vom Sofa aus Kriminalfilme (z. B. "Der junge Inspektor Morse"). Vor 15-20 Jahren habe ich ganz gerne "Tatort" und "Polizeiruf 110" gesehen. Inzwischen sind diese Serien durch abschreckende Schaupieler, dämliche Regie und abstruse Drehbücher aber unerträglich geworden.

Überhaupt: Unerträglich ist die ganze geschlossene Garde von Pseudo-Schauspielern (wie die entsetzliche Barbara Schöneberger), die im ÖRR ihren festen Platz bei den Freitag-Abend-Runden (z.B. NDR Talg Show oder WDR Kölner Treff) innehaben und als typisch deutsch-dümmliche Schein-Prominenz die Serien, Quiz-Sendungen, Talk-Shows beherrschen.

"Die Ambitionslosigkeit kennt in Deutschland keine Grenzen." - in den Medien, im ÖRR gibt es längst kein Gefühl für Qualität mehr.

Nix für ungut

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 29. Oktober 2023 - 12:35

zunehmender und hoffentlich aufstrebender Film- und Kulturkritiker, ABER, weil er mir positiv aufgefallen war und er sich in m.E. angesagten Verhältnissen bewegt, als da wäre z:B. "RBTV" und "Jung und Naiv", beginne ich mit einer wohlgemeinten Kritik, die Herr Schmitt sich vielleicht überlegen kann:
Er hat Hochinteressantes über Filme und Kultur zu sagen, muss aber m.E. und überspitzt ersteinmal so alt werden, wie er zu analysieren und sich zu präsentieren imstande ist oder anders, er greift sich selbst zu weit vor und bezieht eine Perspektive aus dem Off (Hochkultur), die er gerne mit Werben für politische Kämpfe und Kapitalismuskritik wieder einsammelt.
Das Problem ist nicht seine Kontradiktion, sondern vlt. eine noch unverbundene "Breitspur"?
Für Entschiedenheit braucht es Mut, Lebens-Erfahrung oder Weitsicht.
Was habe ich gelacht über den Film "Der Vorname", wie sehr leide ich mit dem sensationellen "Kommissar Jan Fabel", Peter Lohmeyer..
Demokratisierung ist Demokratisierung Punkt

H. Stellbrink | So., 29. Oktober 2023 - 13:04

M.E. wird der Einfluss der sozialen Medien und der Kurzlebigkeit ihrer Aufmerksamkeit deutlich überschätzt. Die selbsternannte gesellschaftliche Elite vergewissert sich in diesen Medien immer wieder wechselseitig ihrer Überlegenheit und Führungsrolle. Ich wage zu behaupten, dass dies die Mehrheit der Menschen im Land kaum erreicht, deren Überzeugungen und Präferenzen viel langlebiger sind.
Die Political Correctness des deutschen Films und vieler Netflix-Produktionen ödet in der Tat an. Die Moral wird "in the face" aufgezwungen, statt sie in künstlerischer Weise als implizite Botschaft zu vermitteln. Fast jeder "Tatort" demonstriert das exemplarisch.

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 29. Oktober 2023 - 13:04

"Producer" großen Stils?
Ich helfe Netflix gerne durch entschiedene Bewertungen, auch mit dem, was ich sehe.
Ich lebe aber nicht, um Netflix den Erfolg zu garantieren.
Herr Schmitt beschreibt sehr schön das Laufen in Erfolgsstapfen, die aber keine großen Erfolge mehr generieren können.
Ich schaue also mittlerweile Prime, Netflix, ARD und ZDF Mediathek, sowie Viki und Disney+, auf der Suche nach Geschichten, die man als wegweisend oder prototypisch, gerne auch einfach nur alltäglich zutreffend beschreiben könnte, sowie großartig umgesetzt werden.
Da war z.B. "Our Blues" mit einem wunderschönen Lied von Jimin ff.
Jimin hat auch einen Song beigesteuert zu einem Fast & Furious Film, eine Serie, die er wohl mag.
Mit solchen hochgeselligen, zudem fast alleinstehenden Protagonisten, erweitere ich auch meine Sichtweisen.
Ein Individuum kann hochkomplex, eine gesellschaftliche Analyse einfältig sein.
USA ... Welt heisst Vielzeitigkeit.
Es braucht Intellegere für Variabilität, z.B. "Faraway"!

S. Waidner | So., 29. Oktober 2023 - 17:20

aber wir sehen nicht.“ bildet das obligatorische Ende einer jeden Analyse, des schon länger verfolgten Kulturkritikers. Abseits seines eigenen Schaffens bildet das Interview einen guten Überblick in die Beweggründe des Wolgang M. Schmitt. Viele Ansichten, insbs. die Gefahren der Wirkung sozialer Medien und zum Kulturpessimismus im Allgemeinen, sind zu teilen.

Hoffnung besteht jedoch, da es eben Formate wie die der Filmanalyse sind, die sich wachsender Beliebtheit erfreuen. Dies auch abseits des medienwirksamen Auftretens in Schlips und Kragen, wie die Audioformate zeigen. Vielleicht ist eine alsbaldige Rückkehr des kulturellen Hochgenusses in nicht so weiter Ferne.