Die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser zeigte sich bei der Fußball-WM in Katar solidarisch / picture alliance

Missbrauch des Solidaritäts-Begriffs - „Wer Solidarität sagt, will etwas haben“

Corona, Klima, Migration, Ukraine: Wer „Solidarität“ einfordert, weiß, dass er damit schnell Schuldgefühle auslösen kann. So handeln viele Menschen aus Angst, für unsolidarisch gehalten zu werden, gegen ihre ureigenen Interessen, konstatiert die Soziologin Sandra Kostner.

Autoreninfo

Pat Christ hat Kulturgeschichte an der Universität Würzburg studiert. Seit 1990 arbeitet sie als freischaffende Foto- und Textjournalistin.

So erreichen Sie Pat Christ:

Sandra Kostner ist Historikerin und Soziologin. Seit 2010 ist sie als Migrationsforscherin und Geschäftsführerin des Masterstudiengangs Interkulturalität und Integration an der PH Schwäbisch Gmünd tätig. 2020 gründete sie zusammen mit damals 24 weiteren Wissenschaftlern das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit. Zusammen mit dem Historiker und Migrationsforscher Stefan Luft veröffentlichte sie in diesem Jahr den Sammelband Ukrainekrieg. Warum Europa eine neue Entspannungspolitik braucht“.

Wird ein Begriff medial gebetsmühlenartig wiederholt, ist Vorsicht geboten. Das zeigt der in der Corona-Krise missbrauchte Begriff „Solidarität“. Wann fiel Ihnen auf, dass es sich hierbei ganz offensichtlich um ein Totschlagargument handelt? 

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Hans Golombek | So., 24. September 2023 - 17:53

Sandra Kostner holt weit aus mit ihrer krititschen Kommentierung des Begriffs "Solidarität". Ich will mich hier auf das konzentrieren, was sie zur Ukraine sagt. Einerseits gibt sie zu, kein Russisch zu beherrschen, andererseits weiß sie anscheinend, was Putin plant oder nicht plant. Das ist bei dieser Unkenntnis von Region und Sprache eine sehr gewagte Behauptung, weil die Absichten Putins in den letzten zwei Jahren ziemlich exakt in seinen Texten beschrieben wurden. Leider muss ich feststellen, dass das Niveau von "Cicero" in den Ukraine-Texten ziemlich absinkt, weil zu viele nicht-kompetente Autoren zu diesem Thema bemüht werden (Ausnahme Thomas Urban, Höhepunkt des Schwachsinns: Mearsheimer). Die gute Dame Kostner soll mir doch mal erklären, warum Solidarität mit der Ukraine nicht im deutschen Interesse liegen soll. Die Ukraine hat mir ihrem starken Kampf unseren gefährlichen Gegner entlarvt und geschwächt. Das kann uns nur recht sein. Warum kapiert sie das nicht?

Stefan Forbrig | Mo., 25. September 2023 - 12:31

Antwort auf von Hans Golombek

Sie versuchen hier gerade genau das, was der Artikel anprangert. Nämlich nicht auf die Fakten einzugehen, sondern die sich äußernde Person zu diskreditieren und den Meinungskorridor weiter zu verengen. Sie soll angeblich genau wissen, was Putin plant. Das hat sie überhaupt nicht gesagt.
Zitat:
"Ich habe die entsprechenden Dokumente sehr genau angeschaut. Natürlich ist nicht alles zugänglich. Das ist mir vollkommen klar. Und ich kann auch nicht alles lesen. Aber von allem, was ich lesen konnte, und nach dem, was Analysten, die sich gut auskennen, sagen, gibt es keine Hinweise darauf, dass Putin ein Interesse hätte, morgen am Brandenburger Tor zu stehen. Er hat wohl noch nicht einmal ein Interesse, die baltischen Staaten zurückzuerobern."

Sie beruft sich auf Leute, die es genauer wissen könnten als sie selbst. Völlig legitim u. auch logisch. Außerdem ging es um den Begriff Solidarität, der ständig mißbrauch wird. So auch hier wieder.

Smilla Heller | Mo., 25. September 2023 - 19:46

Antwort auf von Hans Golombek

Ich kann mich ihrem Kommentar uneingeschränkt anschließen!

Albert Schultheis | Di., 26. September 2023 - 08:52

Antwort auf von Hans Golombek

Wenn Sie Herrn Urban für kompetent und Orof. Maersheimer als "Höhepunkt des Schwachsinns" bezeichnen, wird deutlich, wes debilen Geistes Kind Sie sind!
Das folgende nur als lapidares Antidot gegen ihre dümmliche Propaganda - von Seymour Hersh:
“The war is over. Russia has won. There is no Ukrainian offensive anymore, but the White House and the American media have to keep the lie going. The truth is if the Ukrainian army is ordered to continue the offensive, the army would mutiny. The soldiers aren’t willing to die any more, but this doesn’t fit the B.S. that is being authored by the Biden White House,” Seymour Hersh concludes.
Ich kann es nur so drastisch mit den Worten der US-Diplomatin Victoria Nuland sagen: "Sie haben uns Europäer gefickt nach allen Regeln ihrer perversen Kunst!"

Markus Michaelis | So., 24. September 2023 - 18:02

Mein Eindruck ist, dass mehr Menschen in D eine militärische Antwort im Ukrainkrieg unterstützen als für alle Coronamaßnahmen waren (wobei keiner selber kämpfen würde). Wie dem auch sei, ist der Begriff der Solidarität nicht nur deswegen schwierig, weil er zu sehr ein gesellschaftlich konformes Verhalten erzwingen will. Jede Gesellschaft braucht zwar soetwas auch mal - aber jede freie Gesellschaft sollte auch kritisch darauf schauen.

Der Begriff der Solidarität ist aber auch deswegen schwierig, weil er eben keine einseitige Hilfe ausdrückt, die wohl jeder gerne annimmt, sondern etwas gegenseitiges ausdrückt. Ich zwinge damit auch Menschen einen Gegenseitigkeit auf, für die man sie schon fragen sollte.

Wenn irgendwer, den ich ablehne, seine Solidarität mit mir erklärt, hat das eine negative Seite, weil Solidarität eben nichts einseitiges ist, sondern ein wechselseitiges Einstehen. Das sollten dann schon beide erklären, sonst ist es hohl oder übergriffig.

Stefan Jarzombek | So., 24. September 2023 - 18:40

Selbstverantwortung ist die beste Solidarität.

Tomas Poth | So., 24. September 2023 - 19:10

Die Solidarität ist ein Begriff aus der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung des ausgehenden 19Jhdt. und beginnenden 20Jhdt.
Damit war der Zusammenhalt der Arbeiterklasse gegenüber den Unternehmern gemeint, um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu erstreiten.
Eine Gruppe von Menschen erklärt sich solidarisch, um sich zum eigenen Nutzen stärker zu machen.
In Bezug auf Corona und Impfung ist der Begriff Solidarität vergewaltigt worden, man kann sich nicht gegen einen Virus solidarisieren.
Impfsolidarität ist eine Pervertierung des Begriffs Solidarität! Die Impfung wirkt auf jeden Menschen unterschiedlich und ist mit Gefahren verbunden. Folglich muß jeder die Impfung für sich entscheiden!
Die Impftoten und die Menschen die unter Impffolgen leiden stehen dafür Zeugnis, sie sind aus "Solidarität" Opfer geworden.
Es gab im Zusammenhang mit Corona nur eine Solidarität, nämlich die zwischen Politikern, Medien, Medizinern und Pharma, sie alle hatten einen eigenen Nutzen für sich erstritten!

Wolfgang Borchardt | So., 24. September 2023 - 19:14

In verlegenheitsvollen Situationen besonders gern gebrauchten und besonders heuchlerischen, inhaltsleeren Worte. Die Beschwörung der Solidarität befreit von konkretem Handeln. Mit Corona hat dieses vermeintlich bedeutungsschwere Wort durch übermäßige Verwendung bis in böchste Kreise eine weitere Abwertung erfahren.

Ronald Lehmann | So., 24. September 2023 - 20:55

& die moderne sozialistische Versklavungs-Formel
für brav, untertänigst zu sein - das tun oder sagen als Untertan, was die Macht sehen oder hören will - im Interesse der Gemeinschaft, weil diese in der bolschewistischen/ kommunistischen/ sozialistischen Gesellschaft höher angelegt ist als der EINZELNE
Deshalb wird immer in linksgeführten Staaten die Freiheit, Demokratie wie Rechtsstaatlichkeit
UNTER DEN INTERESSEN der GESELLSCHAFT gestellt!
Das diese Aussage bei den meisten Menschen vor allen in den Altbundes-Ländern gar nicht richtig wahr genommen, hängt mit den Lebenserfahrungs-Werten eines jeden SELBST ab
Erst auf Erfahrung basierend ändert sich die Einstellung zu ein gewissen Thema, egal ob Stasi, Hunger, Kälte &&&
(z.B. ein Raub-Tier, welches den Menschen noch nie gesehen hat, hat erst einmal auch keine Angst vor dem Menschen)
Es sind unsere Erfahrungswerte & die Übermittlung von Infos aus der Gesellschaft, was wir sehen

bei + Eltern => dann + denken
bei - Eltern => dann - denken

Stefan Sopp | So., 24. September 2023 - 21:24

Na, da haben sich ja zwei gefunden. Eine Soziologin, die nach Einlesen in diverse Materien dann auch gleich zur Expertin avanciert und sich deshalb zum Bespiel ganz sicher ist, dass die amerikanischen Neokonservativen hinter der so empfundenen Kriegstreiberei stecken. Und eine Fragestellerin, der es nicht einfällt, die Positionen von Frau Kostner mal auf Weichstellen abzuklopfen. Es gibt bessere Arten, ein Interview zu führen.

Smilla Heller | So., 24. September 2023 - 21:59

Sehr geehrte Frau Kostner,
ich muss sie leider korrigieren. Die Gründe für den Ukraine-Krieg und der Umgang damit wurden und werden sehr wohl kontrovers in den Medien diskutiert! Sarah Wagenknecht und Brigadegeneral a.D. Erich Vad zum Beispiel kamen regelmäßig in politischen Talkshows zu Wort. Mich konnte ihre Sichtweise übrigens nicht überzeugen! Es fällt auf, dass Sahra Wagenknecht gerne bestimmte historische Geschehnisse völlig ausklammert, wie übrigens auch die von Ihnen zitierte Gabriele Krone-Schmalz. Und Sie tun das offenbar auch, wenn Sie bei Ihren „intensiven“ historischen Recherchen „keinen Hinweis“ auf einen imperialistischen Drang bei Putin erkennen können.. Dann sollten sie sich vielleicht mal mit dem Georgien- und Tschetschenien-Krieg auseinandersetzen. Sie bedienen mit ihren Aussagen - genau wie Frau Wagenknecht und Frau Krone-Schmalz - wunderbar das russische Narrativ! Ich finde das empörend!

Edwin Gaza | So., 24. September 2023 - 22:35

Ich stimme jedem Satz zu.
Bei Corona wurde der Begriff Solidarität überstrapaziert.
Er stand für alternativlos, keine Diskussion.
Das Wort wird jetzt inflationär, weil es scheinbar so gut funktionierte, bei Allem verwendet.
Im Artikel fehlen die Vereinigten Staaten von Europa, die Rettung des Weltklimas und der Bezug zu Empathie, die zwangsläufig Solidarität erzeugen muss, bei "Schutzsuchenden" auch aus der Ukraine.
"SOLIDARITÄT" ist der von Moralapostel*innen sprachgeregelte Begriff für Umerziehungslager, zur Arerkennung von Narrativen, weit entfernt von definierter Solidaritätsgemeinschaft und ist auch das Schlüsselwort für Protestwähler.

Christa Wallau | Mo., 25. September 2023 - 10:11

sondern andere Begriffe auch. Die Herrschenden versuchen, sich der Sprache für ihre Zwecke u. Ziele zu bemächtigen. Das war immer so, aber es ist selten so gelungen wie jetzt.
Der christliche Begriff der NÄCHSTENLIEBE ist auch ein gutes Beispiel für falschen, erpresserischen Gebrauch.
Im Gleichnis vom "Barmherzigen Samariter" stellt Jesus nicht etwa einen Retter vor, der den Geretteten der Großzügigkeit anderer Leute überläßt, um dann noch mehr Hilfsbedürftige zu suchen u. sie wiederum seinen Mitmenschen vor die Türen zu legen, sondern einen Mann, der sich s e l b s t um einen Überfallenen in beispielhafter Weise kümmert, ohne dasselbe von anderen zu verlangen. Er tut es, weil er das Herz u. die Mittel dazu besitzt.
Nächstenliebe ist etwas Personales: von Mensch zu Mensch.
Im NT ist nie von Völkern die Rede, die man retten soll, sondern von Individuen. Hier steht jeder Christ in der Pflicht, aber nicht für Ziele, die ein Staat ihm vorschreibt, um seine Gutmütigkeit auszunutzen.

Ihr Kommentar total aus dem Herzen geschrieben. Einfach Danke liebe Frau Wallau & möge Gott Ihnen noch ein langes & erfülltes Leben mit viel geistiger & körperlicher Energie schenken. Aber auch die allermeisten Kommentare & Artikel hier im Cicero - Chapeau, auch wenn noch die Vielfalt der Themen-Artikel lieber Herr Marguier etwas breiter werden könnte.
1000x Söder - Sorry - sind doch etwas zuviel, zumal wie die Wahl in Nordhausen ablief ==> es zeichnet die Zukunt vor.
Sie ALLE inklusiv des C.-Team sind die Energiequelle für meine Inspirationen & auch wie eine kleine Oase der "Selbst Denkenden", was für mich Erholung/Entspannung ist & zum nachdenken anregt wie der Bespieglung der eignen Meinung, wo Argumente wie Fakten analysiert/bewertet werden, damit ich persönlich eben das Geschehene resimieren kann
Allemn eine relexte & angenehme Woche

Ernst-Günther Konrad | Mo., 25. September 2023 - 12:39

... wie man diesen Begriff verwendet und welche Bedeutung man versucht dahinein zu projezieren. Man kann bei den guten oder schlechten Dingen anderen zun ihren Gründen und Handlungen Solidarität bekunden. Die Frage ist nur. Wer legt fest, wann Soldiraität "gut" oder "schlecht" ist. Inzwischen wird der Begriff, wie viele ander auch inflationär und zur Unterdrückung von Wiederworten, Kritik oder zur Verhinderung von Fragen als Totschlagsantwort benutzt, wie inzwischen viele Begriffe, deren tatsächliche Bedeutung als psychologisches Wortdruckmittel genutzt werden. Und nun erklären sich viele Menschen in D solidarisch, mehrheitlich nicht für Waffenlieferungen zu sein, sich nicht durch Deindustrialisierung ihre Existenz zerstören zu lassen, für niedrigere Energiekosten einzutreten, gegen Krieg und für Frieden zu stehen mittels diplomatische Lösungen u.v.m. Sie halten bei dem ein oder anderen Thema zusammen, sind also eigentlich solidarisch und werden zu Leugnern, Schwurblern & Verstehern.

Karl Kuhn | Mo., 25. September 2023 - 17:25

... nach Hochstapelei. Die Dame sagt, nach fünf Minuten Lesen in einem Immunologiebuch wüsste man, dass die Impfung nicht steril sein könne, nennt dann aber eine nicht zutreffende Begründung. Da überschätzt sich jemand gewaltig. Frau Kostner ist eine Repräsentatin eines eines politischen Milieus, das die Naivität des Mainstreams (was in der Tagesschau kommt, ist die Wahrheit) einfach nur umdreht: was in der Tagesschau kommt, kann gar nicht die Wahrheit sein! Und dann sucht man sich Quellen, die einem das bestätigen, sei es in den Bereichen Corona, Klima oder Ukraine. Aus meiner Sicht sieht es so aus, dass der Mainstream bei Corona, Klima und Migration überwiegend falsch liegt, im Fall Ukraine aber goldrichtig. Ja, die depperten Grünen, die wild gegen die Realität anrennen, liegen im Fall Ukraine richtig. Warum auch immer. Sicherlich nicht, weil sie neokonservativ sind.