Olaf Scholz und Mahmud Abbas
Bundeskanzler Olaf Scholz und Mahmud Abbas nach ihrer Pressekonferenz am Dienstag / dpa

Olaf Scholz und die Abbas-Äußerung - Trigger-Deutschland in Alarmbereitschaft

Als Palästinenserpräsident Mahmud Abbas diese Woche am Ende einer Pressekonferenz Israel vorwarf, gegenüber Palästina bereits „50 Holocausts“ begangen zu haben, versäumte es der Bundeskanzler, hierauf sofort zu reagieren. Die Reaktionen waren entsprechend scharf. Sollte Abbas die Singularität des Holocaust geleugnet haben, bleibt unerklärlich, warum die Bundesregierung dennoch weitere 340 Millionen Euro nach Palästina überweisen will. Aber die Sache reicht tiefer.

Porträt Mathias Brodkorb

Autoreninfo

Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Trotz Kriegs in der Ukraine, drohender Gasmangellage, der Vorbereitung auf den neuen Corona-Winter oder der gravierenden Folgen der Trockenheit auf Logistik, Energieversorgung und Landwirtschaft: In dieser Woche beschäftigte nichts so das deutsche Gemüt wie eine Bundespressekonferenz von Olaf Scholz (SPD) und Mahmud Abbas, dem Präsidenten von Palästina.

Der Hintergrund der Aufregung: Als Abbas am Ende der Pressekonferenz Israel vorwarf, gegenüber Palästina bereits „50 Holocausts“ begangen zu haben, versäumte es der deutsche Regierungschef, hierauf zu reagieren. Stattdessen erklärte dessen Pressesprecher Steffen Hebestreit die Konferenz – wie offenbar protokollarisch geplant – für beendet. Und so stand unwidersprochen die These im Raum, Israel tue mit den Palästinensern ungefähr dasselbe wie einst die Nazis mit den Juden.

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Han Hube | So., 21. August 2022 - 13:31

Kairos verpasst - unschön, aber wer hat das noch nicht erlebt und sich nachher alle Vorwürfe dieser Welt gemacht. Und ob Merz oder ein anderer der jetzt aus dem sicherenUnterholz auftauchenden Wadenbeisser adäquat reagiert hätten - ich weiss ja nicht …
Skandalös und unverzeihlich sind aber die 340 Mio, die jetzt fliessen, wie wenn nichts gewesen wäre. Und man komme mir nicht mit den Schulen und Wasserleitungen. Ein Haushalt funktioniert wie oszillierende Gefässe, brauche ich das Geld nicht für Schulen, bleibt mehr übrig für Tunnels oder Raketen. Simpel. Und ist dann unser Geld vorne mit dabei.
Aber wer die Realität nicht sehen will, sieht sie nicht.

Heidemarie Heim | So., 21. August 2022 - 15:45

Antwort auf von Han Hube

Stimmt! Gerade eben kam die Meldung rein, dass das Ursprungsland der Demokratie, welches wir mit allen verfügbaren Mitteln vor dem endgültigen Ruin retteten, nun nicht mehr der Finanzaufsicht der EU bedarf weil es wahrscheinlich die damit verbundenen Auflagen erfüllte sowie harte, seine Bevölkerung treffende Reformen tätigte. Und dies in relativ kurzer Zeit wenn man bedenkt wie das Land darniederlag. Man fragt sich natürlich, um zum Thema zurück zu kommen, warum Gleiches nicht schon längst bei den Hilfen für die Palästinenser und ihre autonome Regierung gilt? Warum da die ich weiß nicht wievielte Generation im Elend verharrt. Ähnlich erfolglos sind wir was die Befriedung der Entwicklungshilfeländer auf dem afrikanischen Kontinent angeht. Bürgerkriege, Terror, Hunger und eine Katastrophe nach der anderen reihen sich seit Jahrzehnten aneinander. Genauso wie unsere immer gleichen Versuche und Mittel unter Ausblendung dort herrschender Realitäten. Ihnen alles Gute! MfG

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 21. August 2022 - 18:07

Antwort auf von Han Hube

dieser entsetzlichen "Entgleisung" von Herrn Abbas. Ich fand es entsetzlich, setze "Entgleisung" dennoch zunächst in Anführungsstriche.
Deshalb muss ich weder der Argumentation des Herrn Brodkorb, noch des verdienten! Dan Diner folgen.
Schon die Herleitung des Begriffes "Zivilisationsbruch" findet nicht meinen ungeteilten Beifall, allgemeiner würde ich ihn jedoch als angemessen betrachten.
Der Holocaust war ein Zivilisationsbruch und darin singulär.
Ich würde ihn nicht mit anderen Zivilisationsbrüchen vergleichen wollen, aber deren gab es viele.
Passt der Begriff "Zivilisationsbruch" auf das Verhältnis der Israelis zu den Palästinensern?
Von meiner Seite aus ein klares NEIN, sowohl in Bezug auf meine allgemeinere Fassung, ganz sicher aber ein NEIN in Bezug auf die m.E. engere Beweisführung von Herrn Dan Diner. Er war mir früher als Dany Diner "bekannt", zusammen mit Prof. Micha Brumlik beim SB, wenn ich mich richtig entsinne.
Also meinen höchsten Respekt vor dessen Beweisführung.

nicht kleinreden. Sogesehen würde ich von einer strafrechtlichen Antwort auf Herrn Abbas abraten, die Hilfen evtl. aber genauer überprüfen ob ihrer zweckdienlichen/zivilen Verwendung.
Aber kurz weiter mit dem Stichwort "zivil".
Ich glaube, in meiner Entfaltung des Lebens, kommt am ehesten das Wort Genealogie dem Zivilen nahe.
In diesem Zivilen fußt mein Menschheits- und Gottesglaube, Aufklärung und Gottvertrauen.
Deshalb stimme ich nicht mit Herrn Dinners Definition des Zivilisationsbruches überein.
Die Idee eines allmächtigen Gottes liegt mir auch nicht sonderlich, dann schon eher die Version von Janosch in seiner Parabel vom Hasen und vom Igel.
Zivilisationsbrüche sind vermeidbar, aber dazu bedarf es nicht nur Gottes.
Für das sogenannte "Böse" verwende ich nicht den Begriff Genealogie .
Krieg ist nicht sofort das absolute Böse, aber auch nicht die Fortsetzung der Politik...
Wenn Israel zu militärischer Notwehr greift, ist das Zivile noch wirksam; anders bei einer militärischer Agenda

E.Paul | So., 21. August 2022 - 13:33

Vielen Dank für Ihren Mut dieses "Tabu-Thema" anzusprechen. Und ich persönlich empfinde es als extrem gefährlich den Holocaust so unantastbar zu machen. Denn wie Sie richtig bemerken, schließt das Ausschließen von Vergleichen mit Vorkommnissen in der Gegenwart ein frühzeitiges Erkennen von durchaus vergleichbaren Vorkommnissen aus. Mir ging es z.B. bei der Einführung von G2 so, dass ich hier einen vergleichbaren Ausschluss einer fest definierten Gruppe vom öffentlichen Leben feststellte. Es betraf mich zwar nicht selbst, da ich geimpft war, aber bei mir gingen da Alarmglocken an. Ich musste erstaunt feststellen, dass ein Großteil der Menschen, diesen Vergleich von Grund weg ablehnten, da damit eben Nichts verglichen werden darf. Wie aber soll ohne vergleichen, verhindert werden, dass sich Ähnliches wiederholt. Und ist es nicht eigentlich generell der Sinn aus Erfahrungen durch vergleichen zu lernen? Ob diese nun gut oder auch extrem unmenschlich sind. Das sollte sich m.M.n. ändern.

Heidemarie Heim | So., 21. August 2022 - 15:06

Und Mahmud macht bzw. schwelgt altersgemäß (Mordslangzeitgedächtnis, Zero kurzes für den eventuell verärgerten Koch;) was er immer schon machte. Und die linke Presse stöhnt ob der ideologischen Zwickmühlen in die sie da unversehens geraten sind. Bei Armin war man sich da schon bedeutend einiger, aber da war man ja auch mitten im Wahlkampf. Doch Olaf hat sich scheinbar nicht nur die Raute abgeguckt bei seiner Vorgängerin, die auch schon bestens mit Menschenrechts-Verteidigern wie Xi oder Wladimir ins Geschäft kam, sondern auch die Methode "Erst mal abwarten ob aus dem lauen Lüftchen ein Sturm wird", dann können wir immer noch was hintan schwurbeln oder wenn`s dicke kommt ein Bäuerlein opfern. Und natürlich ist dies alles nur die teflonbeschichtete Oberfläche. Darin auftretende Risse gilt es zu vermeiden, zuzukleistern oder werden wie beim fracking erst gar nicht ursächlich hinterfragt. Also reden wir weiter PC um den heißen Brei aus autochthonem und allochthonen Antisemitismus. MfG

Albert Schultheis | So., 21. August 2022 - 18:14

Super! Deutsche Malocher gehen arbeiten und stützen diesen Staat mit ihren Steuern und stehen demnächst vor leeren Supermarktregalen, dürfen sich mit dem Waschlappen waschen nach getaner Arbeit und dürfen mit ihren Familien frieren für "Freiheit und Demoskopie"! Während dieser Staat Millionen an Entwicklungshilfe nach Palästina schickt, obwohl sich in diesem Land nichts, aber auch gar nichts entwickelt - außer der Produktion von besseren Sylvesterraketen, die man in regelmäßigen Abständen rüber schießt nach Israel, um dann von dort wieder die entsprechende Antwort zu bekommen, wobei regelmäßig Gebäude und Einrichtung, die Mithilfe des Schwesternvolkes Deutschland errichtet worden waren, dem Erdboden gleich gemacht werden. Wer will so einen Schwachsinn eigentlich weiter unterstützen? In wessen Namen?

Helmut Bachmann | So., 21. August 2022 - 19:48

Differenziert, durchdacht und klar. Jenseits aller Aufregung bleibt die Verdrängung der Tatsache, dass wir den Antisemitismus im Orient verharmlosen. Es kann nicht sein, dass Hilfe nicht an Voraussetzungen gekoppelt ist.

Markus Michaelis | Mo., 22. August 2022 - 00:27

Ich denke man muss zwei Dinge unterscheiden: das Eine ist, dass Gruppen (Nazis) sich mit aller Energie der Aufgabe verschreiben andere Gruppen auszulöschen - man will keine Konvertierung, keine Vertreibung, sondern die Auslöschung. Das ist in dieser Konsequenz schon etwas Singuläres, wenigstens historisch nicht alltäglich.

Das Andere ist die "sakrale Überhöhung" der eigenen Weltsicht: das scheinen mir sehr viele Gruppen und Gesellschaften zu machen. Es scheint mir eher eine menschliche Eigenschaft auf unantastbare Weltsichten bauen zu wollen.

In Deutschland wollen wir einerseits ganz offen sein und haben als ein Glaubenscredo, dass am Ende alle Menschen irgendwie gleich sind und die Dinge gleich sehen. Andererseits scheint es mir bei einem Blick in die Welt offensichtlich, dass sehr viele Menschen/Gesellschaften ein anderes Verhältnis zum Holocaust haben als der bei uns zulässige Bereich.

Gesellschaften sollen ihre Prios haben, aber auch wahrnehmen, wie bunt woanders gedacht wird.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 22. August 2022 - 15:25

Ja Herr Brodkorb, da sehe ich auch so. Scholz ist sicher kein Antisemit und Israelhasser. Er ist einfach nur unfähig, außerhalb des Protokolls zu reagieren. Und er war nicht allein. Nicht nur seine Pressesprecher hat irgendwie nicht eingegriffen, soll jetzt der Schuldige sein, sondern auch die anwenden Journalisten haben geschwiegen. Keine Unmutsbekundungen, kein Versuch Abbas mit einer Frage in Bedrängnis zu bringen.
Und machen wir uns alle nichts vor. Die Liste der Verfehlungen deutscher Politiker in der Frage, nicht nur zu behaupten man sein Freund Israels, sondern das auch zu leben, diese Liste der Heuchler ist lang, sehr lang. Viele von uns haben hier schon auf unterschiedliche Politiker und deren Vergangenheit hingewiesen. Es kocht zwar mal kurz auf, aber wird gerne dann schnell verdrängt. Auch die Wähler leiden unter eine Retrograden Amnesie, die gerade Olaf Scholz für sich bei CumEx in Anspruch nimmt. Also es wird wie immer, alles schnell vergessen sein und keine Folgen haben.