Bank in Moskau
Moskauer Bankkunden heben Bargeld ab, weil ihre Kreditkarten bald nicht mehr funktionieren / dpa

Krieg in der Ukraine - Sanktionen gegen Russland nehmen Gestalt an

Die USA und die Europäische Union haben weitreichende Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschlossen. Die wichtigsten Maßnahmen betreffen den Ausschluss vom internationalen Zahlungssystem Swift und das Einfrieren der internationalen Reserven Moskaus. Das wird aber auch Auswirkungen auf die Wirtschaft der europäischen Staaten haben.

Autoreninfo

Antonia Colibasanu ist Analystin bei Geopolitical Futures und Dozentin an der rumänischen National Defence University mit Sitz in Bukarest.

So erreichen Sie Antonia Colibasanu:

Die wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen gegen Russland wegen der Invasion in der Ukraine nehmen allmählich Gestalt an. Die Vereinigten Staaten kündigten am 24. Februar an, dass sie zusammen mit Kanada, dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union eine Reihe von Sanktionen gegen Russland verhängen werden. Der russische Präsident Wladimir Putin, Außenminister Sergej Lawrow, Verteidigungsminister Sergej Schoigu, Militärchef Waleri Gerassimow und Hunderte von Mitgliedern des russischen Parlaments und des Sicherheitsrats sowie eine Reihe von Geschäftsleuten und Oligarchen wurden auf eine Liste mit eingefrorenen Vermögenswerten und Reiseverboten gesetzt.

Zu den wichtigsten Maßnahmen gehört jedoch der Ausschluss der russischen Banken aus Swift, einer Vereinigung, die mehr als 11.000 Banken, Finanzinstitute und Unternehmen in über 200 Ländern und Gebieten miteinander verbindet und ihnen eine schnelle, sichere und kostengünstige Kommunikation ermöglicht. (Da Swift in Belgien gegründet wurde, muss es die EU-Vorschriften einhalten. Obwohl die USA theoretisch Druck auf Swift hätten ausüben können, um noch schneller gegen Russland vorzugehen, brauchten sie deshalb die EU an Bord.)

Swift ist ein entscheidender Dienstleister, der eine systemische Rolle bei der Unterstützung der weltweiten Zahlungssysteme spielt. In der Praxis ermöglicht Swift Bankkunden – von Unternehmen über Studenten bis hin zu Rentnern – die Abwicklung ihrer täglichen Transaktionen. Es verbindet ein Konto bei einer Bank mit einem anderen Konto bei einer anderen Bank und ermöglicht so schnelle Zahlungen.

EU verschafft sich Spielraum, um weiterhin russische Energie zu kaufen

Wenn alle russischen Banken von Swift ausgeschlossen werden, wird es für Russland äußerst schwierig sein, Finanztransaktionen jeglicher Art international durchzuführen, geschweige denn Sanktionen zu umgehen. Gemessen an der Zahl der registrierten Nutzer ist Russland nach den USA das zweitgrößte Land im Verband. Das schließt etwa die Hälfte (oder rund 300) der russischen Finanzinstitute ein.

Die offensichtliche Frage, die das Swift-Problem aufwirft, ist, ob sich Europa, das in hohem Maße von Russlands Wirtschaft abhängig ist, insbesondere im Energiebereich, selbst ins Bein schießt. Aber Swift überwacht natürlich nicht die Details jeder Transaktion, und in den westlichen Pressemitteilungen hieß es, dass nur „ausgewählte“ Banken von der Verbindung getrennt würden. Es ist möglich, dass die EU – angeführt von Deutschland als einem großen Abnehmer russischer Kohlenwasserstoffe – sich Spielraum verschafft hat, um weiterhin russische Energie zu kaufen. Über solche Dinge wird noch verhandelt, und Einzelheiten werden bald bekannt gegeben.

Dennoch wird die Tatsache, dass Swift nicht mehr für regelmäßige Zahlungen genutzt werden kann, europäischen Unternehmen, die in Russland tätig sind, schaden. Das Energieunternehmen BP beispielsweise erwägt bereits einen Rückzug aus dem Geschäft. Die an der Londoner Börse notierte Coca-Cola HBC, die Coke für Russland, die Ukraine und weite Teile Mittel- und Osteuropas abfüllt, beschäftigt 7000 Mitarbeiter. Der französische Joghurtproduzent Danone kontrolliert die russische Molkereimarke Prostokvashino und erwirtschaftet 6 Prozent des Gesamtumsatzes in dem Land. (Ganz zu schweigen von den vielen asiatischen Unternehmen, die in Russland tätig sind und ebenfalls betroffen sein werden.)

Alternative zu Swift

Man geht davon aus, dass die Maßnahmen Russland viel mehr schaden werden als Europa. Wichtig ist aber auch, dass sie den Unternehmen Zeit verschaffen, um sich anzupassen und auf Veränderungen zu reagieren, die ihre Tätigkeit betreffen. Wir sind schließlich in der EU. Das bedeutet, dass der Prozess langsam sein wird. Es wird Tage oder Wochen dauern, bis sie in Kraft treten. Die Angst geht natürlich schneller um, vor allem bei den russischen Bürgern, die nicht wissen, was auf sie zukommt. Sie sind verständlicherweise zu den Banken und Geldautomaten geströmt, um Geld abzuheben. (Mastercard, Visa und ApplePay werden für sie nicht mehr funktionieren, sobald die Swift-Maßnahmen umgesetzt sind.)

Allerdings ist Russland durch das System für die Übermittlung von Finanznachrichten (SPFS), seine eigene Version von Swift, ein bisschen weniger verwundbar. Derzeit werden etwa 20 Prozent aller Inlandsüberweisungen über SPFS abgewickelt, aber diese Zahl wird sicherlich noch steigen. Das System hat viele Nachteile – es funktioniert nicht am Wochenende, und die Nachrichten sind auf 20 KB begrenzt; es hat praktisch keine internationale Präsenz, und ausgerechnet Weißrussland erklärte im Dezember, dass es Swift zugunsten von SPFS verlassen würde.

Russland hofft, dass es mit der Expansion schnell vorangeht. Seit 2019 plant Moskau, SPFS an die Mitglieder der Eurasischen Wirtschaftsunion (Armenien, Belarus, Kasachstan und Kirgisistan) sowie an den Iran, Indien und die Türkei anzubinden. Berichten zufolge strebt Russland auch die Integration von SPFS mit dem in China angesiedelten grenzüberschreitenden Interbankenzahlungssystem (CBIBPS) an, was angesichts der aktuellen Dringlichkeit beschleunigt werden könnte.

Rubel unter inflationärem Druck

Der Erfolg von SPFS in anderen Ländern wird jedoch ausschließlich von der Lage der russischen Wirtschaft abhängen. Und bisher sieht es da nicht gut aus: Viele Menschen ziehen ihre Einlagen ab, und internationale Unternehmen erwägen, das Land zu verlassen. Die meisten Abhebungen werden in Dollar und Euro getätigt. Internationale Unternehmen, die ihre Niederlassungen schließen, werden ihre Gelder in Fremdwährungen ins Ausland transferieren, und diejenigen, die sich anpassen, werden wahrscheinlich Rücklagen in Dollar oder Euro bilden, die in Krisenzeiten in Russland als zuverlässiger gelten.

All dies setzt den russischen Rubel unter inflationären Druck. Ungewissheit ist für die Währung einer bereits geschwächten Wirtschaft ungünstig. Aus diesem Grund bestehen die potenziell verheerenden Sanktionen vorerst darin, dass die russische Zentralbank bei der Verwendung ihrer internationalen Reserven eingeschränkt wird. Sie werden sicherlich schneller umgesetzt als die Swift-Beschränkungen, und sie werden Russland daran hindern, seine Reserven zur Bekämpfung der Inflation einzusetzen. (Russland verfügt derzeit über Geldreserven in Höhe von etwa 640 Milliarden Dollar, von denen mehr als die Hälfte in Fremdwährungen gehalten wird. Die Nachfrage nach dem russischen Rubel ist nach mehreren Tagen Krieg in der Ukraine bereits gering. Moskau müsste die Liquidität erhöhen, um diesem Druck entgegenzuwirken – einen Teil der Dollars, Euros oder des Goldes, die es international hält, verkaufen und der steigenden Nachfrage nach Fremdwährungen gegen den Rubel auf seinem Binnenmarkt entgegenwirken. Aber das wird jetzt natürlich schwieriger sein.)

Es werden noch weitere Einzelheiten über die Sanktionen bekannt werden, die sich jederzeit ändern können, aber nach allem, was wir bisher wissen, treffen sie Russland durchaus. Sie bringen die Aussicht auf eine Hyperinflation mit sich – ohne die Möglichkeit, Reserven zu nutzen, um die bereits wachsende Inflation zu bekämpfen, würde die russische Produktion teurer werden, wenn es an wichtigen Importen fehlt. Das Drucken von Geld wird die einzige Lösung sein, aber die eingeschränkte Fähigkeit, für die Produktion von Waren und Dienstleistungen zu zahlen, sowie Massenarbeitslosigkeit werden nicht lange auf sich warten lassen. Kein Wunder also, dass Präsident Wladimir Putin bereits um Verhandlungen gebeten hat.

In Kooperation mit

GPF

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

ingo Frank | Mo., 28. Februar 2022 - 20:26

Frage gestellt, was passiert, wenn Russland auch „einigen“ (wie bei SWIFT) Ländern die Gas, Öl & Kohleversorgung kappt. Zum Beispiel Deutschland? Da ist die „Industrie“ noch das geringste Problem. Heute Nacht Thüringen:
- 8 Grad C . Noch ist Winter und so schnell gehts mit der Erderwärmung nun auch nicht!
Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Gerhard Lenz | Mo., 28. Februar 2022 - 21:01

selbstverständlich erheblich treffen. Die im Beitrag geschilderten alternativen Systeme sind weit davon entfernt, ein auch nur annähernder Ersatz für SWIFT zu sein. Einigen sich die Länder, in denen Putin und seine Oligarchen-Clique ihr Vermögen gebunkert haben, auf ein Einfrieren der russischen Vermögen, dürfte das die Herrschenden in Moskau zusätzlich erheblich treffen.

Schlimmer jedoch dürfte es der russischen Bevölkerung ergehen. Nach einer Aufstellung der Credit Suisse lag Russland in der Rangliste des Pro-Kopf-Einkommens weltweit an 70. Stelle - hinter Ländern wie Albanien, Bosnien, El Salvador oder Jordanien. Das ist weit von der Spitze der entwickelten Staaten entfernt, in der sich Putin gerne sehen würde - das ist höchstens Amateurklasse.
Andererseits dürfte Putin eine hungernde Bevölkerung ziemlich egal sein, solange sein Sicherheitsapparat jede Opposition im Keim erstickt, notfalls ermordet. Für den Ex-KGB-Mann zählen alleine Quantität und Schlagkraft von Waffensystemen.

die Oligarchen-Vermögen werden nur eingefroren, nicht enteignet! Und wer weiß schon wie viele Millionen (oder sind es Milliarden?) die Oligarchen bieten können, damit ihre Vermögen wieder los gefroren werden oder, mit einem anderen Etikett versehen, wieder zugänglich sind?
Jedenfalls sollte man damit rechnen, dass da - fernab der Öffentlichkeit - einiges am Kochen ist.

Ronald Lehmann | Mo., 28. Februar 2022 - 22:57

Ich Wette, Schütze Arsch im letzten Glied, egal in welchen Land er sich befindet. Wer ist anderer Meinung?

Aber bestimmt nicht Lumpenhund Putin & seine Gesellen.
Oder ein Lumpenhund aus Brüssel oder Übersee.

Für die alle - egal welches Strickmuster - sind wir doch alle nur Schachfiguren, die geopfert werden dürfen.

Und eins steht fmp. fest:
Die Kommunisten, die Blut an ihren Händen haben/ hatten & sich einer Diktatur immer voll ergeben - nein - hingegeben haben (1933 waren es Himmler, Göppel, Speer), bekamen doch heutzutage wieder eine großartige Bühne, wo sich sich manifestieren & austoben.
Und ausgerechnet von denen kam Hingabe, die angeblich ihre ärgsten Feinde waren. Pfui Teufel.
Und nicht nur eine Bühne haben diese falschen Pharisäer bekommen. Posten in den aller höchsten Ämtern! Und die Silberlinge können gar nicht so schnell hergestellt werden, wie diese Karnivoren sie benötigen. Und als Sahnehäubchen oben drauf - gerichtliche Freifahrtsbriefe bis zum Sankt Nimmerleinstag

Ernst-Günther Konrad | Di., 1. März 2022 - 08:00

Ich denke, ich habe das Grundprinzip von SWIFT verstanden. Es wird uns durch die MSM von der Politik beauftragt als das scharfe Schwert verkauft, was es offenbar so doch nicht ist.
Es scheint Schlupflöcher zu geben, je nach Umsetzungsgeschwindigkeit der einzelnen Länder ändert sich was?
Aha. Man kann bestimmte Banken in Russland "verschonen". Wird es dann diejenige sein, mit denen D seine Gaslieferungen zahl? Sind diese Sanktionen am Ende auch nur eine Mogelpackung und die EU steuerte genau, welche russ. Bank geblockt wird und welche nicht?
Um das klar zustellen. Ich halte von Sanktionen nichts. Sie mögen als störend empfunden werden, haben aber selten bis gar nichts bewirkt. Und wer tricksen will, findet Wege. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nicht alles von Putin bereits mitgedacht wurde.
Ich bin deshalb äußerst skeptisch ob der Berichterstattung, was dieser Wirtschaftskrieg gegen Putin tatsächlich bewirken soll. Für mich ist miteinander reden der einzige Weg zum Erfolg.

Albert Schultheis | Di., 1. März 2022 - 10:55

Wie könnte man einen Kriegsherren aufhalten mit Sanktionen, die dem Sanktionierer mehr wehtun als dem Sanktionierten?
Ich befürchte, jetzt wird der Krieg in der Ukraine richtig mörderisch, ein richtiges Kriegsmassaker. Putin hat sich völlig verrannt. Er hatte wohl tatsächlich geglaubt, er macht die militärische Infrastruktur mit Raketen kaputt und marschiert dann mit Panzern und Bodentruppen ein und die Menschen jubeln den Befreiern zu. Diese finden haben aber auf Partisanenkampf umgestellt und fügen ihm zu hohe Kosten an Menschenleben zu. Entweder er hört jetzt auf und zieht sich zurück oder er muss seine Strategie völlig verändern. Dh mit schwerstem, konventionellem Gerät, die Städte zu Klump schießen, um alles Menschenleben darin auszulöschen, aber dort sind nicht nur Kämpfer sondern auch Familien, Mütter, Kinder und Alte. Diese Strategie führt zu einem barbarischen Kriegsverbrechen. Die Spinner haben diese Eskalation eskaliert. Selenskij bleibt jetzt nur noch die Kapitulation.

helmut armbruster | Mi., 2. März 2022 - 08:05

denn der Sanktionierte schaut nicht tatenlos zu wie ihm die Luft abgedreht wird.
Und immer wird es welche geben, die unter Umgehung der Sanktionen Mittel und Wege finden werden um mit dem Sanktionierten gute Geschäfte machen zu können.
Und selbst wirksame Sanktionen wirken nicht von heute auf morgen, sondern brauchen viel Zeit um Wirkung zu haben.
Auch die totale englische Seeblockade gegen D in Weltkrieg I hat Jahre benötigt um D auszuhungern und hätte für sich allein den deutschen Kriegswillen nicht brechen können