Gebratene Bouletten
Bouletten bitte nur so zubereiten! / dpa

Genuss mal anders - Ran an die Bouletten

In der Hauptstadt herrscht Dauerchaos als Normalzustand. Nichts klappt, nur auf eine echte Berliner Spezialität ist Verlass: die Boulette. Doch selbst bei diesem einfachen Gericht können Fehler unterlaufen. Unser Genusskolumnist befiehlt, sie in Pflanzenöl oder Butterschmalz zu braten. Frittieren oder Panieren ist verboten!

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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„Nüscht könnse in Berlin. Keen Flughafen, keene Schulen, keene Verkehrsplanung, keene neuen Wohnungen und noch nichma Wahlen.“ Da kann man dem „Berliner Volksmund“ kaum widersprechen. Aber kann man hier wenigstens Bouletten? Was ja immerhin eine Art identitätsstiftendes Highlight der Berliner Genusskultur ist (beziehungsweise war).

Ja, Bouletten und nicht Buletten, denn das ist etymologisch ein Frevel, der fast schon an sprachlichen Gender-Wahn erinnert. Die in Berlin übliche Bezeichnung „Boulette“ leitet sich eindeutig vom französischen Wort für „Kügelchen“ ab. Und das ist nicht der einzige Frevel, der mit diesem Ur-Berliner Alltagsgericht angestellt wird. Die Berliner Geschmackspolizei stellt daher unmissverständlich klar: Berliner Bouletten werden nicht frittiert und nicht paniert, sondern in Pflanzenöl oder Butterschmalz gebraten. Grundzutaten sind immer Rinder- und Schweinehack, aufgeweichtes Brötchen, Ei, Zwiebel, Senf, Salz und Pfeffer.

„Wohlfühlessen mit Leibstärkefaktor“

Das sieht der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl im Prinzip ähnlich. Allerdings präferiert er Rinderhack pur und redet in seinem Statement von „Buletten“. Beides sei ihm verziehen, da er kein Berliner ist. Für ihn sind gebratene Fleischklöße, egal wie man sie nennt, „das Herzstück des schmackhaften Wohlfühlessens mit Leibstärkefaktor“. Und er stützt auch die puristische Linie, denn aus „kulinarkulturwissenschaftlicher Sicht ist da weniger mehr“. Seine geringfügigen Varianten, wie zum Beispiel Paprikapulver, sind tolerabel. Und wichtig für ihn: „Alles gut mit den Händen durchgewalkt natürlich, das ist sinnlich und baut Alltagsstress ab, sozusagen Fleischküchle Tai Chi.“ Und vor allem: „Bitte keine skurrilen Veggie-Buletten. Die versagen geschmacklich sowieso, sobald man sie nicht in einem Burger mit zahlreichen Soßen garniert kaschiert.“

Auf der Suche nach dem Original

Bleibt die Frage, was denn nun in eine Original Berliner Boulette außer den oben genannten Grundzutaten rein darf und was nicht. Und kommen die fein gehackten Zwiebelwürfel roh oder gebräunt in die Fleisch-Brot-Ei-Masse? Wird das altbackene Brötchen in Milch oder Wasser eingeweicht? Die Quellen sind da widersprüchlich, und auch eine kleine Feldforschungsexkursion in meinem Moabiter Kiez bringt keine endgültige Klärung.

Regina Friedrich, die Wirtin vom „Stammtisch“, macht seit rund 50 Jahren Bouletten für ihre Gäste – will aber ihr Rezept nicht verraten. Frechheit, dafür gab‘s diesmal kein Trinkgeld! Ein Test ergab aber keinen Grund zur Beanstandung. Weitere Nachfragen bei Alt-Berliner „Bouletteuren“ legen allerdings nahe, dass gehackte Petersilie und geringe Beigaben von Knoblauch, zerstoßenen Kümmelsamen und Majoran zumindest nicht verboten sind. Und ohnehin scheinen frisch gebratene Bouletten in der Gastronomie inzwischen auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten zu stehen, nicht zuletzt aufgrund der strengen deutschen Hackfleischverordnung.

Gut durchkneten, scharf anbraten

Na dann mal ran an die Bouletten: Ein altbackenes Brötchen in Milch oder Wasser einweichen. Zwiebel fein würfeln und kurz anschwitzen, Petersilie fein hacken. Das vollgesogene Brötchen kräftig ausdrücken und auseinanderzupfen und zusammen mit Hackfleisch, einem Ei, mittelscharfem Senf, Zwiebelwürfeln, Petersilie, Salz und Pfeffer kräftig durchkneten. Die Masse eine halbe Stunde zugedeckt ruhen lassen und dann mit geölten Händen zu nicht zu stark abgeflachtem und nicht zu kleinen Kugeln formen (circa 125 g pro Stück). Pflanzenöl oder Butterschmalz in einer Pfanne erhitzen, und die Bouletten auf jeder Seite vier Minuten anbraten. Dann die Hitze reduzieren und unter mehrmaligem Wenden weiterbraten, bis sie durch sind. Heiß servieren. Dazu gibt‘s Kartoffelsalat, Gewürzgurken, ein wenig Senf und ein anständiges Pils.

Wenn es nach mir ginge, würde ich eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis in Berlin von einer bestandenen Bouletten-Bratprüfung abhängig machen, aber auf mich hört ja keiner. Auf alle Fälle taugen amtliche Bouletten als kleiner Trost für vom Dauer-Chaos genervte Hauptstädter: Nüscht könnse in Berlin, aba wenigstens Bouletten könnse.

Zutaten für 4 Personen:

500g Hackfleisch, Rind und Schwein gemischt

1 altbackenes Brötchen

1 Ei

1 Zwiebel

1-2 TL mittelscharfer Senf

Salz, Pfeffer

optional: glatte Petersilie (fein gehackt), Majoran (gerebelt) Kümmelsamen (zerstoßen) Knoblauch (gepresst)

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Robert Hausdorf | Sa., 9. Oktober 2021 - 14:32

Ich korrigiere den Autor ungern, aber wirklich gute Bouletten macht man nicht aus gemischtem Hackfleisch (dieses sollte aus meiner Sicht ohnehin geschmackspolizeilich verboten werden), sondern aus je zur Hälfte Schabefleisch (Nichtberliner nennen das wohl Tartar oder so ähnlich) und möglichst ungewürztem (!!!) Hackepeter. Brötchen gehört an sich dazu, ohne schmeckt aber besser, Knoblauch gehört nicht dazu, mit schmeckt aber besser.

Brigitte Miller | Mo., 11. Oktober 2021 - 14:40

Antwort auf von Robert Hausdorf

und Nichtdeutsche bittet um Aufklärung: Tartar kann man ja auch mit Fisch machen, was also ist Schabefleisch und was ist Hackepeter?

Sabine Lehmann | Mo., 11. Oktober 2021 - 18:10

Antwort auf von Robert Hausdorf

@R. Hausdorf: Lieber Herr Hausdorf, ungewürztes Schweinehack und ungewürzter „Hackepeter“ sind dann aber das Gleiche. Es sei denn, Sie meinen Mett, das ist dann gewürzt.
Und „Tartar“ vom Rind ist im Prinzip auch nur die magere und feinere Variante vom herkömmlichen Rinderhackfleisch. Von daher sehe ich in der Gesamtschau keinen Unterschied zwischen Ihren Zutaten und denen im beschriebenen Rezept. Und letztendlich steht und fällt das Geschmacksergebnis mit den Gewürzen und Kräutern. Schöne Grüße aus der Hochburg der deutschen „Frikadelle“ aus NRW;-)
Hier wird man/frau quasi mit den „Bremsklötzen“ groß gezogen. Und jeder macht sie hier ein wenig anders, jeder hat seine kleinen Tricks. Aber alle mischen das Hackfleisch aus Rind und Schwein. Und das Brot bzw. Brötchen nimmt man hier nur wegen der Konsistenz hinzu, die Frikadelle wird dadurch locker und luftig. Aber über Geschmack lässt sich streiten, jeder wie er mag. Zufällig gibt es heute bei uns Frikadellen. Guten Appetit.

Bernd Muhlack | Sa., 9. Oktober 2021 - 15:13

Panierte, frittierte Frikadellen?
OHA!

Das ist Frevel - schreit nach der hochnothpeynlichen Inquisition!
"Gesteh´ dein schändlich Werk und tue Buße!"

Frikadellen sind etwas sehr feines - wenn es beliebt kann man sie auch mit Schafskäse füllen; die griechische Variante.

Ja natürlich gehört dazu Bier!

Schönes Wochenende allerseits!

@B.Muhlack: Dann bekämen Sie vermutlich bei einer holländischen Frikandell Stehhaare. Eine kulinarische Todsünde, darf aber in keinem Holland-Urlaub fehlen: Frikandell mit Mayo, Ketchup, Zwiebeln und Pommes. Herrlich, und das Hüftengold freut sich;-)

Alfred Zielinski | Sa., 9. Oktober 2021 - 15:41

Weder in Pflanzenöl noch in Butterschmalz gehören Buletten gebraten. Richtig und die Tradition wahrend ist eher reines Schweinemett als Grundlage und zum Braten reines Schweineschmalz. Dieses ergibt nach dem Braten erkaltet noch einen mit Bulettenkrümel und einerPriese Salz und Pfeffer angereicherten prima Brotaufstrich! Ggf. auch von Papa mit Brot direkt aus der Pfanne gewischt und ein Bier dazu.

Rob Schuberth | Sa., 9. Oktober 2021 - 15:52

Huch, ich wusste gar nicht, dass es Leute gibt die Frikadellen, sorry wir hier im Norden haben es nicht so mit der Boulette, in der Friteuse zubereiten.

Wir machens nur in der Pfanne und zwar mit Butter.
Scharf anbraten und dann mit Deckel drauf ziehen lassen...lecker.

Und wenn das ganze Haus dann noch 2-3 Tage nach Frikadellen riecht....ist doch wunderbar.

Wünsche allen Guten Appetit.
Und ich weiß jetzt, was es kommende Woche geben wird...lecker.