Berlinale-Direktor Dieter Kosslick
Berlinale-Direktor Dieter Kosslick hinterlässt das Festival rundum renovierbedürftig / picture alliance

Berlinale - Konkurrenz für die "Goldene Himbeere"

Die diesjährigen Berliner Filmfestspiele waren ein Desaster. Als Festival des Misslungenen haben sie keine Zukunft. Das Können muss wieder mehr zählen als das Wollen

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Der langjährige Festivaldirektor Dieter Kosslick verlässt die Berlinale im Moment einer fundamentalen Krise. Der von Kosslick letztmals verantwortete Jahrgang 2019 der Internationalen Filmfestspiele Berlin war ein Desaster: Stars auf dem Roten Teppich blieben ebenso die Ausnahme wie packende Geschichten, spannende Erzählweisen, überraschende Perspektiven, herausragendes Acting, originelle Kompositionen, pfiffige Kameras. Da Kosslick erwiesenermaßen ein herzlicher Mensch ist, kann es für dieses Debakel nur einen Grund geben: Er will seinen Nachfolgern Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek die denkbar besten Startbedingungen geben. Von jetzt an kann es nur bergauf gehen.

Vielleicht ist die harsche Aussage von Christoph Waltz, 90 Prozent der gegenwärtigen Filme seien „Scheißdreck“, noch zu optimistisch und auch die Auswahl-Jurys der Berlinale mussten auf einer Glatze Locken drehen. Doch warum zieht man daraus nicht die Konsequenz, auf Klasse statt Masse zu setzen? Müssen es 16 Filme im Wettbewerbsprogramm sein, reichten nicht zehn? Muss es in zahlreichen Nebenreihen einen cineastischen Overkill von rund 400 Filmen an zehn Tagen geben? Die erkennbar sinkende Nachfrage – selten sah man an den Kassenhäuschen so lange so viele grüne Lämpchen für freie Plätze leuchten – deutet auf Sättigung hin. Die Ära Kosslick war von einem letztlich unkünstlerischen Motto getrieben: Weiter, schneller, höher. Die große Zahl war das Ziel. Lugt so nicht jenes Zerrbild von Neoliberalismus um die Ecke, das man sonst auf allen Foren und Podien gratismutig geißelt?

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Ernst-Günther Konrad | Do., 14. Februar 2019 - 12:42

Masse statt Klasse. Schwimmen im Mainestream. Unterdrückung kritischer zu gesellschaftspolitischer Themen. Was in der Tagespolitik stattfindet, hält bei der Filmkunst nicht an. Wie bestellt, so geliefert. Viele Promis gehen deshalb vermutlich nicht mehr hin, um nicht statt filmkunstkritischer Aussagen, plötzlich etwas politisch unkorrektes zu sagen. Wo sind die Filmemacher, die etwas können und nicht nur etwas wollen, fragen Sie zurecht Herr Kissler. Mein Haus, mein Auto, mein Schiff ist synonym für eine satte nicht mehr wissbegierige, oberflächliche und scheingemütliche Gesellschaft. Man will unterhalten werden und nicht nachdenken müssen. Je mehr Blut und Knall desto besser. Ach so, etwas Voyeurismus durch ordentlich viel nackte Haut und Sexszenen muss auch sein. Etwas weniger kann auch mehr sein. Die Hälfte an Auswahlfilmen, Mut zu kritischen Filminhalten. Ja, das wünsche ich mir. Das bedeutet aber auch Kritikfähigkeit. Ja, neue Ideen braucht das Land und neue Leute in der Jury.

Maria Fischer | Do., 14. Februar 2019 - 13:08

Herr Kissler. Sehr guter Kommentar.

Meine Meinung:
Wo es keine Freiheit gibt, da gibt es auch keine Kunst.

Bernd Schiebener | Do., 14. Februar 2019 - 14:30

Ich befürchte der Mann hat recht ! Am besten an der Berlinale fand ich noch die aussagekräftige Bewertung der Klamotten auf dem roten Teppich : Aha, naja, soso - nervenzerfetzende Spannung pur. ( Quelle : Leute heute ZDF )