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Gemeinsam gegen Merkel - Banker und Linke fordern Schuldenerlass

Nicht nur Barack Obama bedrängt Angela Merkel, eine baldige Lösung in der Griechenland-Krise zu finden. Neuerdings attackieren auch amerikanische Linke und Wall-Street-Banker die Kanzlerin. Sie fordern einen Schuldenerlass für Griechenland

Autoreninfo

Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Griechen in Amerika sind überaus erfolgreich. Griechischstämmige Amerikaner liegen an zweiter Stelle, was Einkommen und Vermögen angeht, weit vor den WASPs, den White Anglo-Saxon Protestants. Jamie Dimon, Vorstandsvorsitzender von JP Morgan Chase, der größten Bank der USA, ist griechischstämmig. Auch der Supermarktkönig John Catsimatidis, oder Peter Peterson, Wirtschaftsminister unter Ronald Reagan und Gründer von Blackstone, des größten Private Equity Fonds der USA.

Weniger gut geht es den Griechen in Griechenland. Das macht Amerika Sorgen. Deutschland wird praktisch täglich ermahnt, das griechische Problem zu lösen, und zwar durch Schuldenerlass. Dabei hat sich eine seltsame Koalition aus der Wall Street nahestehenden Finanzexperten und Linken gebildet. Erst gestern veröffentlichten fünf internationale Experten — darunter der Wirtschaftsprofessor Jeffrey Sachs, der französische Autor Thomas Piketty und Heiner Flassbeck, der frühere SPD-Staatssekretär im Finanzministerium — in der linken Zeitschrift The Nation einen offenen Brief an Angela Merkel. Sie fordern darin die Kanzlerin und die Troika in Brüssel auf, die Austeritäts-Politik gegenüber Griechenland zu beenden. Diese zerstöre die griechische Wirtschaft und damit das Projekt Europa. Die griechischen Schulden müssten gestrichen werden, damit das Land auf die Beine komme. Ähnlich sieht es Paul Krugman, linksliberaler Wirtschaftskolumnist der New York Times: Was mit Griechenland geschehe, sei unverantwortlich. Europa lasse den griechischen Patienten „verbluten“. Auch der demokratisch-sozialistische Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders stimmte in den Chor mit ein: Deutschland müsse Griechenland die Schulden erlassen, und zwar sofort.

Alte Weltkriegs-Rechnungen werden ausgekramt
 

Das ist erstaunlich, denn als Brasilien oder Argentinien auf Druck der USA ähnliches durchmachten, war die amerikanische Linke bei Weitem nicht so lautstark. Sogar alte Weltkriegs-Rechnungen werden wieder aufgemacht. Deutschland seien — schreibt die New York Times — 1953 die Hälfte der Weltkriegsschulden erlassen worden. Und Piketty legt noch eins drauf. Deutschland habe gar nichts bezahlt. Ein eher bizarres Verständnis von Geschichte. Deutschland hatte damals kein Geld geborgt, um die Olympischen Spiele zu bezahlen. Die Schulden — 442 Milliarden Dollar umgerechnet auf den heutigen Stand — waren 1919 in Versailles auf Druck Frankreichs nach dem Ersten Weltkrieg auferlegt worden. Um die Forderung durchzusetzen, verhängte die britische Marine eine Hungerblockade, der mehr als eine halbe Million Deutsche, meist Kinder, zum Opfer fielen. Die Weimarer Republik versuchte, die Schulden durch eine künstliche Hyperinflation loszuwerden. Damals gab es keinen Schuldenerlass; vielmehr legte die Wall Street immer neue Umschuldungspläne auf; vom Dawes-Plan bis zum Young-Plan. Das, zusammen mit der Weltwirtschaftskrise von 1929, trug erheblich zum Aufstieg der Nazis bei, die dann, als sie an die Macht kamen, schlicht aufhörten, zu bezahlen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland tatsächlich die Hälfte der Schulden erlassen. Das geschah, um mit Westdeutschland einen wirtschaftlichen Brückenkopf in Europa aufzubauen, der den Sowjets Paroli bieten sollte. Auch heute fürchtet das Weiße Haus, dass sich Putin im Hafen von Athen breitmachen könnte. Allerdings wäre es in der amerikanischen Bevölkerung — und erst recht bei der republikanischen Senatsmehrheit — extrem unpopulär, wenn die USA Kredite geben oder dafür garantieren würden. Und so bleibt Präsident Barack Obama nichts anderes übrig, als Druck auf Angela Merkel auszuüben.

Wall-Street-Banker sind schuld am griechischen Desaster
 

Es geht den USA aber nicht nur um die Interessen der NATO, sondern auch um die der Wall Street. Während die US-Linke in Griechenland den europäischen Sozialstaat verteidigt — und dabei auf einer Linie mit der deutschen Linken argumentiert, die glaubt, die Gelder zur EU-Bankenrettung kämen auf wundersame Weise den griechischen Holocaust-Überlebenden zugute — , trommeln US-Finanzblogger ebenfalls auf Schuldenerlass. Dabei ist die Wall Street an dem Desaster keinesfalls unschuldig: die Investitionsbank Goldman Sachs hat sich — für angeblich 300 Millionen Dollar Provision —  eine Konstruktion ausgedacht, die die Maastricht-Kriterien umgehen soll: einen so genannten „cross-currency-swap“. Dabei wurden griechische Schulden in Dollar und Yen in Euro umgerechnet, sie sollten in fernerer Zukunft wieder zurückgetauscht werden (auf dem Papier). Der Trick: Dabei wurde ein viel höherer (künftiger) Eurokurs angesetzt, als realistisch war, sodass die aktuellen Schulden viel geringer aussahen. Mit diesem schön gerechneten Haushalt konnte Griechenland in den Euro eintreten und in Europa und beim IMF Geld borgen.

Das wiederum ermöglichte es US-Hedgefonds, in griechische Aktien oder Schuldscheine zu investieren, darunter etwa Knighthead Capital Management, Alden Global Capital Management oder Third Point. Die allerdings sind nun in der Bredouille. Einer der größten Investoren in Griechenland ist John Paulson von Paulson & Co, der um 2001 herum mit „Credit Default Swaps“ in den USA Milliardär wurde, faulen Immobilienhypotheken, wegen denen Zehntausende Amerikaner auf der Straße landeten. Paulsen hat 130 Millionen Anteile an der Piräus Bank aufgekauft und sitzt damit fest.

Dan Loeb, Manager von Third Point, vertraut auf Merkel: Deutschland werde schon dafür sorgen, dass Griechenland in der EU bleibe, sagte er dem Sender CNBC. Ähnlich optimistisch ist Amerikas reichster Grieche, Jamie Dimon. Zwar werde es in Griechenland bei einer Pleite erst einmal „Furcht und Panik“ geben, sagte er in Chicago vor Investoren, aber nach anfänglichem Ärger werde das ein Signal an andere Länder senden, ernsthafter ihre finanziellen Probleme zu lösen. Vorsichtiger ist Blackstone: Zwar sei die EU gerüstet, meint Manager Stephen Schwarzman, aber ob man selber künftig in Griechenland investieren wolle, wollte er nicht sagen.

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