Emmanuel Macron
Spekuliert auf die Stimmung in der Bevölkerung: Emmanuel Macron / dpa

Emmanuel Macron - Von Sprache und Symbolen 

Der Wahlkampf in Frankreich beginnt mit derben Worten. Urteilte man nach den benutzten Vokabeln, steht eine ziemlich heftige Auseinandersetzung bevor. Von „nationaler Schande“ und „ans Bein pissen“ ist die Rede, von Ehre, Blut und „wegkärchern“. Doch was steckt dahinter. Vulgäre Entgleisung oder doch Kalkül?

Kay Walter

Autoreninfo

Kay Walter arbeitet als freier Journalist in Frankreich

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„Les non-vaccinés, j’ai très envie de les emmerder. Et donc on va continuer de le faire, jusqu’au bout.“ So ließ sich Präsident Macron in einem Interview zitieren. Nun lässt sich das  umgangssprachliche „emmerder“ nicht ganz einfach übersetzen, aber es ist ganz sicher nicht der übliche Sprachgebrauch des Präsidenten, liegt es doch – je nach Betonung – irgendwo zwischen „tierisch auf die Nerven gehen“ und „ans Bein pissen“. Macron hat also offiziell verkündet: Ich habe große Lust, allen Nichtgeimpften so richtig Stress zu machen – und genau das werden wir auch weiterhin tun. Und er fügte hinzu: „Das ist die Strategie.“ 

Aufruhr in Frankreich! Wie kann er nur? Das darf er nicht. Das gehört sich nicht. Schon gar nicht für den Präsidenten. Eine Parlamentsdebatte zur Impfkampagne wurde abgesagt, der Blätterwald rauschte, und die politische Klasse gab sich zutiefst echauffiert ob dieses angeblichen Eklats. Die Rechte geißelte die Entgleisung, von der Ultranationalistin Marine Le Pen bis Éric Zemmour, aber auch die bürgerlich-konservative Spitzenkandidatin Valérie Pécresse, ebenso wie der linksradikale Jean-Luc Mélenchon. 

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Gisela Fimiani | So., 9. Januar 2022 - 13:51

Sind die Menschen „von Corona genervt“, oder von einer Politik, die erratisch bis diktatorisch handelt und vorgibt zu wissen, wie der Virus zu „beherrschen“ sei? Muß ich es glauben, wenn im Beitrag behauptet wird, dass die Mehrzahl der Franzosen der Politik folgt, die die Ungeimpten für alle medizinisch-politischen Probleme verantwortlich macht, um politisches Versagen mit einen Sündenbock zu kaschieren? Haben wir den Sündenbock wieder, oder immer noch, nötig? Präsentiert sich hier der „aufgeklärte“ citoyen
/ Bürger?

Heidemarie Heim | So., 9. Januar 2022 - 15:17

Richtig, denn sein Meisterstück in Sachen Unterstützung zum eigenen Machterhalt hat er sowieso schon abgeliefert werter Herr Walter. Die Ratspräsidentschaft zur rechten Zeit ist da nur ein schöner Nebeneffekt mit "schönen Bildern" für die Galerie wie Sie selbst anmerken. Denn solange er sich auf seiner schlauesten Entscheidung, nämlich den höchsten Posten bei der EZB französisch zu besetzen verlassen kann wie lange Zeit zuvor auch die Italiener mit ihren viel chaotischeren Regierungswechseln, bleibt es zinstechnisch komfortabel für die Grande Nation. Und da der ehemalige EZB-Obere Signor Draghi nun auch wieder als alter Freund und Ministerpräsident Italiens im Kreis der Staatenlenker mit auftritt, wird doch dem Allerletzten klar, wer da künftig die Häuptlinge sind und wer die Indianer vom Stamm der zahlenden Rauten ;-). MfG

Ernst-Günther Konrad | So., 9. Januar 2022 - 15:33

Nein, die Franzosen sind nicht so dumm, als wären alle nur auf die "Ungeimpften" sauer und würden deshalb dem Rattenfänger Macron hinterher rennen. Die sind zwar auch für ein friedliches Miteinander in der EU und wollen keinen Krieg mehr in Europa, aber sie sind zu allererst Franzosen und verteidigen ihren Nationalstolz. Ob das mit der EU-Fahne clever war und einer Taktik entspringt, wage ich zu bezweifeln. Ja, die wollen einen starken Führer, aber einen für Frankreich und dann kommt die EU. Macron will Merkel ablösen und den starken Mann geben, nur hat er das Geld nicht dafür , sich ständig Zuspruch und Zustimmung bei anderen zu erkaufen. Die Franzosen gehen auf die Straße wegen seiner Corona Politik, so wie inzwischen an diesem Wochenende 10000nde in Austria und bei uns. Die wollen auch ihre Freiheiten wieder haben und glauben der Pandemielüge nicht mehr. Vor allem die "verar...." Geimpften machen nicht mehr mit. Der gewollte Impfzwang wackelt mächtig. Gut und weiter so.

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 9. Januar 2022 - 18:08

soviel gegen eine "derbe" Wortwahl haben, sie hatten auch eine recht blutige Revolution.
Es ist nicht mein bevorzugter Stil, andererseits wurde Macron weniger vom Establishment zum Präsidenten gewählt.
Wenn er dadurch wiedergewählt wird, gerne.
Er ist ein Macher und dann eben nicht nur in bezug auf Europa.
Er wird aber von Thema zu Thema innenpolitisch genau schauen müssen, eine Rentenreform bekommt er so nicht durch?
Wahrscheinlich zitierte er gewissermassen Ungeduld.
Das ist für die gebildeten unter den Franzosen unschwer zu erkennen, während sich eben auch die eher ungebildeten angesprochen fühlen dürfen und vielleicht ahnen, was die Glocke geschlagen hat?
Macron will in medias res und sich nicht von Klein-klein innenpolitisch oder gar in Europa hindern lassen.
Die Franzosen hatten eine blutige Revolution und danach gleich eine bürgerliche Monarchie...
Sie können aufbegehren, Entscheidungen hinnehmen und sich entwickeln.
Macron sieht entschlossen aus. Er kann Synergieeffekte nutzen.

Tomas Poth | So., 9. Januar 2022 - 20:49

So spricht einer der spalten will!
Merken die Franzosen das nicht?
Kann er mit solcher Sprache tatsächlich Punkte im Wahlkampf machen?
Glaubt er damit alle Geimpften hinter sich zu versammeln?
Ich hoffe die Gegenkandidaten werden das für sich zu nutzen wissen.

Markus Michaelis | So., 9. Januar 2022 - 23:42

Ob "die" Ungeimpften verantwortlich für die Einschränkungen sind (oder die Krebskranken, die keinen Platz in Hospitälern finden), ist eine komplexere Frage. Ungeimpfte welchen Alters, welcher Konstitution, welcher Anteil an Einschränkungen, welche positiven Beispielländer? Je nachdem wie man dies sieht, wird man es begrüßen, dass Macron die Dinge klar ausspricht, oder eher ablehnen, dass zu billig Sündenböcke gesucht werden.

Wieviele Menschen generell alle Nichtweißen als kriminell ansehen, was genau "weiß" dabei heißt etc., ist auch ein weites Feld mit vielen tiefen Überzeugungen und Verletzungen.

Sind Brüssel-Befürworter nun weltoffen und der ganzen Menschheit zugewandt, oder Machtmenschen, die im Konzert der großen mitspielen wollen (um universelle Werte für die Welt durchzusetzen?).

Interessante Themen, viele Sichtweisen.

Herr Walter vertritt wie meist dabei ein aufgeklärtes Bürgertum, mit sehr klaren Feindbildern, welche Gruppen das dumm, egoistisch und falsch sehen.

Maximilian Müller | Mo., 10. Januar 2022 - 07:42

dass man bewusst Zwietracht in der Gesellschaft säht. Teile und herrsche. Das hat zwei Vorteile: Zum einen lassen sich ungemütliche Entscheidungen besser durchsetzen, wenn man sie gegen eine bestimmte Seite richtet. Zum anderen kann man sich selbst einfacher positionieren. So radikal, wie die Fronten gerade sind, ist das nicht schwer. Es ist ziemlich deutlich, wer auf welcher Seite steht. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Herr Macron mit seinem "mit Scheiße überhäufen" in der Gruppe der radikalen Corona-Maßnahmen-Befürworter nach Stimmen angelt. Ich halte ihn für viel zu intelligent, um so einen Satz zufällig zu sagen. Das er ihn gesagt hat zeigt aber, dass er bereit ist, über Leichen zu gehen. Es ist schon erstaunlich, wie schnell die, die sonst keine Gelegenheit auslassen, vermeintliche Populisten zu verurteilen, selbst zu den radikalsten Populisten werden.