
- Die Entfremdung
Donald Trump nimmt Europa ins Visier: Die transatlantische Krise schreitet stetig voran, und seine Entfremdung von der bisherigen Weltordnung löst weltpolitische Eruptionen aus. Angesichts dieser Entwicklungen könnte man meinen, wir befänden uns in den letzten Zügen der liberalen Epoche.
Ich weiß nicht genau, an wie vielen politischen Hintergrundgesprächen ich in den vergangenen Monaten teilgenommen habe, aber es waren etliche. Und fast immer ging es auch um den Ukrainekrieg und um die Zukunft des transatlantischen Bündnisses. Bevor Donald Trump zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt wurde, stellte ich bei solchen Terminen regelmäßig die Frage, ob man denn diesmal besser auf ein solches Szenario eingestellt sei – immerhin war schon seine erste Amtszeit, gelinde gesagt, disruptiv. Die stete Antwort, und zwar quer durch alle Parteien: Ja, wir sind vorbereitet; ja, wir sind gewappnet! Tatsächlich hatte ich schon damals den Eindruck, dass deutsche Parlamentarier und Minister einfach nur darauf hofften, es werde schon nicht so schlimm kommen. Wishful thinking.
Jetzt ist es aber genau so gekommen, und zwar sogar noch schlimmer, als befürchtet: Donald Trump schickt sich nicht nur an, Europa als geopolitischen Player komplett links liegen zu lassen (wofür er möglicherweise sogar gute Gründe hat). Sondern auch, mit Wladimir Putin gemeinsame Sache zu machen. Und die deutschen Bundesregierungen, also die alte genauso wie das mutmaßliche Personal einer neuen, wirken völlig überrumpelt. Quasi über Nacht sollen Hunderte Milliarden Euro für Verteidigung herbeigezaubert werden, das Wort „Schuldenbremse“ klingt nach einem Raunen aus fernster Vergangenheit. Dass Deutschland „kriegstüchtig“ werden muss, ist zwar weitgehend unstrittig, aber eine über den Augenblick hinausgehende Strategie im Sinne deutscher Interessen und Sicherheit nicht zu erkennen. Dabei weiß jeder: Gepumptes Geld allein kann uns unmöglich retten.
Was also tun? Der Amerikakenner Stephan Bierling hat in Cicero schon oft seine Expertise unter Beweis gestellt. In unserer aktuellen Titelgeschichte dekliniert er diesmal die transatlantische Krise konsequent bis zum Ende durch: Für Europa, so Bierling, gibt es jetzt nur schlechte und weniger schlechte Lösungen. Und wer verstehen will, wie es zu der Entfremdung zwischen Trumps Amerika und einem Europa kommen konnte, das militärische Stärke durch moralische Überlegenheit glaubte ersetzen zu können, der lese das Interview, das mein Kollege Clemens Traub mit dem irischen Ökonomen Philip Pilkington geführt hat. Seine These: „Wir befinden uns gerade in den letzten Zügen der liberalen Epoche.“ In jeden Fall kommen da gewaltige Veränderungen auf uns zu. Und es wäre gut, wenn die deutsche Politik diesmal besser vorbereitet ist.
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Und welche ist es diesmal? Ach ja, das Ende der liberalen Epoche meinen Sie Herr Marguier. Wirklich nur die? Endet nicht gerade die Epoche der Demokratien in unserem europäischen Staatengemeinschaft? Haben sich nicht links-grüne woke Sektierer in Regierung eingeschlichen und schaffen so pöh a pö die Demokratie ab? Sie sehen nur die Liberalität gefährdet. Ich sehe in einigen Staaten den Verlust demokratischer Grundwerte, insbesondere der freien Rede, des freien Denkens und des freien Handelns, so man nicht gegen Gesetze verstößt. Ja, man könnte vermuten, Trump will die Demokratie durch Autokratie ersetzen. Oder rückt er einfach nur sein Land wieder zurück in die Mitte? Vielleicht auch ein bisschen wieder mehr nach rechts? Unseren Politikern täte ein bisschen "Germany first" gut, aber die wollen das ja nicht, die wollen lieber die Autokratie, die sie Trump vorwerfen. Ich hätte es nie geglaubt, aber ich stelle mir inzwischen die Frage: " Haben wir inzwischen einen "Deep State". Uffbasse
Ob sich Europa auf JD Vance vorbereiten konnte ? Dessen Sicht auf den alten Kontinent erscheint mir weitestgehend ideologisch, die von Trump "Deal-gesteuert". Auf diesen Aspekt wird in der aktuellen politischen Diskussion kaum eingegangen. Vielleicht gibt der zum Katholizismus Konvertiere schon bei der nächsten Papstwahl "bindende" Empfehlungen.
Sich "Einmischungen verbitten" oder die Münchner Rede als "blauäugig" einzustufen , greift zu kurz. Deshalb bin ich auf die Titelgeschichte sehr gespannt.
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