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Steueraffäre - „Es gibt nur einen Uli Hoeneß!“

Seit Uli Hoeneß Anfang des Jahres Selbstanzeige wegen Steuerbetrugs erstattete, diskutiert Deutschland über den Aufsichtsratsvorsitzenden der FC Bayern AG. Dabei wird Hoeneß in einen guten und einen schlechten Menschen zerlegt – und so als Individuum entlastet

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Vinzenz Greiner hat Slawistik und Politikwissenschaften in Passau und Bratislava studiert und danach bei Cicero volontiert. 2013 ist sein Buch „Politische Kultur: Tschechien und Slowakei im Vergleich“ im Münchener AVM-Verlag erschienen.

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Er hat sich nicht nur als begnadeter Fußball-Manager und als Retter der deutschen Fußballtradition einen Namen gemacht. Der spendable „Vater Teresa vom Tegernsee“ war für viele Moral-Millionär, christlicher Nächsten-Liebhaber mit sympathisch-linkem Einschlag. Ein bayerischer Robin Hood.

Und dieser Mann soll das deutsche Gemeinwesen bestohlen haben? Vielen Deutschen – auch wenn sie keine Fans des FC Bayern sind oder sich nicht um Hoeneß‘ Verdienste um das runde Leder scheren – entzieht sich dies der Vorstellungskraft.  

Kein In-Dividuum?


Offenbar ist es aber leichter vorstellbar, dass Uli Hoeneß eben kein Individuum – also der Wortwurzel nach unteilbar – ist, sondern zerlegbar ist: in einen großmütigen Topmanager, und einen spielsüchtigen Steuerbetrüger.

Bereits in der ersten Günther-Jauch-Sendung zum Fall Hoeneß fragt der Moderator, wie man diese „Persönlichkeitsspaltung“ in einen sozialen Menschen und einen Mann moralischen Versagens erklären könne. Die Antwort ist einfach: Die kniefälligen Deutschen sehen diesen Menschen doppelt. Denn sie wünschen, ihn vor dem Fall vom Denkmal-Sockel zu bewahren.

Zwar kam bereits Ende April eine Flut an Forderungen, bloß nicht den Steuerbetrug in Höhe von etwa drei Millionen Euro mit den guten Taten des Bayern-Präsidenten aufzuwiegen zu versuchen. Die Ebbe kam indes schnell.

Uli Hoeneß versus Ulrich H.


Zu verlockend ist es, den Scheinwerfer auf den gemeinsinnigen Top-Manager zu richten und so den asozialen Steuerhinterzieher im Schatten verschwinden zu lassen. Es gibt nicht einen, sondern zwei Hoenesse, schreibt der Frankfurter Sportjournalist Christian Eichler: Da ist der „potente Präsident Uli Hoeneß“ und der potenzielle „Delinquent Ulrich H.“ auf der Anklagebank.

Das ist nicht mehr die Logik verschiedener Rollen, die das Individuum Hoeneß in Personalunion auf sich vereint. Es ist eine Vergewaltigung der Theorie sozialer Rollen, um den Mythos Hoeneß vor Kratzern zu feien.

So etwas ist für Menschen, die einem Verein wie einem goldenen Kalb huldigen oder ihm zumindest stark verbunden sind, nichts Ungewöhnliches. Denn sie stehen zu ihrem Verein, unerschütterlich.

Man müsse trennen zwischen Institution und Person, ist im Umfeld des FC Bayern zu hören. Franz Beckenbauer beglückwünschte gar die Vereinsspitzen zur Entscheidung, „dass sie so hinter Uli Hoeneß stehen. Er hat 40 Jahre lang unheimlich viel für den FC Bayern getan.“ Nibelungentreue der Bayern-Elite.

Eine gute halbe Stunde nur, nachdem das Oberlandesgericht München verkündet hatte, ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung gegen Hoeneß einzuleiten, schloss der Aufsichtsrat die Phalanx um Hoeneß. Es gebe keine Verpflichtung zu einer „zero tolerance“-Politik gegenüber Hoeneß – „und schon gar nicht gebe es sie im Hinblick auf Pflichtverletzungen im Privatbereich“.

Angela Merkel hatte 2011 im Zuge der Plagiatsaffäre ähnlich reagiert und gesagt, sie habe Karl-Theodor zu Guttenberg nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter, sondern als Minister ins Kabinett geholt. In genau dieser merkelesken Art stellte sich der Aufsichtsrat der FC Bayern AG hinter den Vorsitzenden.

Die Botschaft: Wenn der Privatmann Uli Hoeneß sich an der deutschen Gesellschaft vergeht, hat das nichts mit dem Vorsitzenden eines Gremiums zu tun, das darauf zu achten hat, dass in der Aktien-Gesellschaft jeder Stecken dreckfrei bleibt.

Uli Hoeneß muss sich am eigenen Maßstab messen lassen

 

Es besteht aber kein Unterschied zwischen Hoeneß und Hoeneß. Die Lichtgestalt des deutschen Fußballs hat keinen bösen Zwillingsbruder. Es handelt sich schlichtweg um eine Person, die einmal so, einmal so agiert. Mal unmoralisch, mal als Moral-Apostel.

Uli Hoeneß weiß selbst am besten, dass es nur Individuen gibt. Im Jahr 2000 stieß er Christoph Daum, Trainerhoffnung und designierter Bundestrainer, vom Aufstiegstreppchen.

In Hoeneß‘ Welt hat offenbar die berufliche Leistung und Position in der Öffentlichkeit viel mit dem privaten Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz zu tun. Denn er machte publik, dass Daum Kokain schnupfte. „Der DFB kann doch keine Aktion wie 'Keine Macht den Drogen' starten und Herr Daum hat vielleicht damit etwas zu tun“, hatte damals Hoeneß der Münchner Abendzeitung gesagt. Daum stürzte. Hoeneß blieb als Saubermann zurück.

Hoeneß muss sich heute an den Maßstäben messen lassen, die er selbst 2000 anlegte. Denn genauso, wie nur ein Christoph Daum existiert, so gilt, was die Bayern-Fans singen: „Es gibt nur einen Uli Hoeneß!“

 

 

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