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NPD-Verbotsantrag - Lieber ein Ende mit Schrecken...

Das Nein der Bundesregierung zu einem eigenen NPD-Verbotsantrag ist richtig – es böte Gelegenheit, die ganze Idee endlich zu beerdigen

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Toralf Staud lebt als freier Journalist und Buchautor in Berlin. Im Mai erschien bei KiWi sein Buch "Grün, grün, grün ist alles, was wir kaufen - Lügen, bis das Image stimmt"

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Es kam in den vergangenen Jahren ja nicht mehr oft vor, dass man der FDP in irgendetwas zustimmen konnte. Dass sie nun praktisch mit einem Veto den Antrag der Bundesregierung auf ein NPD-Verbot verhindert hat, ist ihr aber hoch anzurechnen.

Sicher, Philip Röslers Formulierung „Dummheit kann man nicht verbieten“ ist eine Verharmlosung der völkischen Ideologie von NPD & Co. und ihrer bedrohlichen Folgen für die körperliche Unversehrtheit von Migranten, Schwulen, Obdachlosen oder anderen typischen Opfern rechter Gewalt. Und natürlich waren die Motive der FDP für ihr Nein nicht alle redlich – doch darin unterscheidet sie sich nicht vom Agieren anderer Parteien in der Verbotsdebatte, egal ob CSU, SPD oder Bündnisgrüne.

Eigentlich könnte der heutige Beschluss des Bundeskabinetts ein Anlass sein, nochmal in Ruhe über den Gang nach Karlsruhe nachzudenken. Stattdessen findet ein hysterischer Schlagabtausch statt, bei dem Kritiker des Verbots gleich als Freunde der NPD verleumdet werden. Und das wird noch Wochen oder Monate so weitergehen, weil auch noch der Bundestag über einen eigenen Antrag zu entscheiden hat. Der Druck, den die Verbotsfans dabei aufbauen, ist Unsinn. Dem Bundesverfassungsgericht ist es egal, ob drei Anträge eingereicht werden oder nur der eine, dessen Erarbeitung die Ministerpräsidenten der Länder Ende vergangenen Jahres beschlossen – solange dieser eine nur gut begründet ist.

In Wahrheit aber ist das Risiko groß, dass auch der zweite Anlauf scheitert. Zwar haben Verfassungsschützer aus Bund und Ländern einen dicken Band mit NPD-Hasstiraden zusammengetragen – doch eine aktive Arbeit am gewaltsamen Umsturz belegt die tausendseitige Materialsammlung schlicht nicht (genau das aber erwartet das Bundesverfassungsgericht). Stattdessen ist während der Aufarbeitung des Staatsversagens rund um den rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ein Maß an Dilletantismus bei den Sicherheitsbehörden offenbar geworden, dass man ihnen kaum noch zutraut, wirklich sorgfältig alle Zitate von V-Leuten aus einem Verbotsantrag herausfiltern zu können.

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Man mag sich gar nicht ausmalen, was passiert, wenn auch der neue Versuch scheitert. Für die NPD, in der es momentan ohnehin kriselt, wäre es ein Triumph. Ganz unabhängig vom Ausgang wird das Verbotsverfahren die Partei in den kommenden Monaten und Jahren in den Schlagzeilen halten. Und falls sie in Karlsruhe wirklich unterliegt wird die NPD vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Dort ist der Ausgang noch ungewisser. Sie könnte künftig ihre menschenverachtende Propaganda mit dem Hinweis verbinden, eine verfassungsgerichtlich bestätigte Partei zu sein.

Und selbst bei einem Erfolg wäre der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus wenig gewonnen. Für die meisten Parteikader wäre ein Verbot nur eine kurze Irritation, die meisten werden sich einfach neu organisieren. Sie haben Erfahrung darin, viele von ihnen waren vor der NPD bereits in anderen verbotenen Organisationen aktiv. Ohnehin zeigt die Vergangenheit, dass staatliche Repression in der extremen Rechten immer wieder Innovationsschübe ausgelöst hat. Auf die erste Welle von Verboten neonazistischer Gruppen Anfang/Mitte der 1990-er Jahre reagierte die Szene durch die Gründung der gewaltbereiten Kameradschaften, die wegen ihrer losen Struktur für den Staat kaum noch zu greifen und vielerorts gefährlicher sind als seine Vorläufer.

Vor allem aber lenkt die Verbotsdebatte vom eigentlichen Problem und von sinnvollen Gegenmaßnahmen ab. So führt die Fixierung auf die NPD dazu, den Alltagsrassismus in der breiten Gesellschaft zu ignorieren. Sie lässt keinen Raum für die wirklich wichtigen Diskussionen, etwa über eine grundlegende Reform der Verfassungsschutzämter als Lehre aus dem NSU-Versagen. Über mögliche Ursachen für deren Sehschwäche, wenn es um Terror und Gewalt von rechts geht. Offene Sympathie für Nazis gibt es vermutlich wirklich nur bei ganz Wenigen – aber sind nicht unbewusste Blindflecken und Strukturmängel viel gefährlicher? Es müsste über institutionellen Rassismus in den Sicherheitsbehörden geredet werden – wie beispielsweise vor ein paar Jahren in Großbritannien, wo eine hochoffizielle Kommission selbigen bestätigte und dann 70 Gegenmaßnahmen vorschlug.

Auch wenn die Ministerpräsidenten der Länder bereits ihren Verbotsantrag beschlossen haben, ist es nicht zu spät für eine Kehrtwende. Noch ist der Antrag in Karlsruhe nicht eingereicht. Sicherlich wird die NPD feixen, wenn die Ministerpräsidenten doch noch einen Rückzieher machen. Aber ihr Jubel bei einem späteren Scheitern wird noch viel größer sein. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

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