Der spätere Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier als Angeklagter vor dem Volksgerichtshof / dpa

20. Juli 1944 - Lichtgestalten in finsteren Zeiten

Die Attentäter vom 20. Juli 1944 um Claus Schenk Graf von Stauffenberg sind bis heute Schmähkritik von rechts und links ausgesetzt. Für die einen sind sie Verräter, für die anderen keine einwandfreien Demokraten. Aber Hitlers Verbrechen zu beenden, gehörte zu den Hauptmotiven des Widerstandes.

Autoreninfo

Dr. phil. Harald Bergsdorf ist Politikwissenschaftler, Zeithistoriker, Buchautor und früherer Lehrbeauftragter an den Universitäten Jena und Bonn.

So erreichen Sie Harald Bergsdorf:

Im Jahr 2024 jährt sich das Attentat vom 20. Juli 1944 zum 80. Mal. Das Datum gehört zu den wichtigsten in der Geschichte. Denn die Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg wollten mit Hitler den größten Verbrecher der Historie töten. Der 80. Gedenktag des Attentats liefert guten Grund, es zu erklären, zu würdigen und gegen Schmähkritik bis heute zu verteidigen. Bereits Hitler hatte die Verschwörer nach dem Attentat bekanntlich eine „ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer, dummer Offiziere“ genannt. Auch heute bemängeln Kritiker erstens den späten Zeitpunkt des Attentats. Zweitens bezweifeln sie die moralischen Motive der Attentäter und ihrer Mitverschwörer. Drittens unterstellen sie demokratische Defizite der Verschwörer, die Hitler nach dem Attentat mehrheitlich töten und deren Familien er verfolgen ließ.

Heutige Kritik – oft ohne Zögern, Zweifel und Zurückhaltung – am späten Zeitpunkt des Attentats übergeht und unterschätzt sowohl die diversen Versuche weit vor dem 20. Juli 1944, Hitler zu töten, als auch grundsätzliche Schwierigkeiten, unter den Bedingungen eines „Widerstandes fast ohne Volk“ mit Hitler den Diktator eines totalitären Regimes zu eliminieren. Zu den Persönlichkeiten, die Hitler töten wollten, gehörte Rudolf-Christoph Freiherr von Gersdorff. Er wollte sich im März 1943 auf einer Ausstellung über Beutewaffen aus dem Osten, die er Hitler erklären sollte, mit ihm im Berliner Zeughaus in die Luft sprengen. Das misslang, weil Hitler den Ort der geplanten Tat vorzeitig verlassen hatte. Ebenfalls im März 1943 schmuggelten Fabian von Schlabrendorff (später Richter am Bundesverfassungsgericht) und Henning von Tresckow eine Bombe in Hitlers Flugzeug. Doch der Zeitzünder versagte. Eberhard von Breitenbuch wiederum wollte Hitler im März 1944 bei Berchtesgaden erschießen, gelangte aber nicht in seine Nähe – alles nur wenige Beispiele vieler Versuche, Hitler zu töten. 

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar
  • Ohne Abo lesen
    Mit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte. Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Helmut Bachmann | Sa., 20. Juli 2024 - 15:30

Die Herabwürdigung der Attentäter von ganz rechts ist sehr abstoßend, ja eklig. Die von links zeigt den dort vorhandenen Reinheitswahn, rassistischen Hass auf alles Deutsche und beweist die Hufeisentheorie. Diese Männer hatten angesichts der Katastrophe das Beste im Menschen entwickelt.

A.W.Mann | Sa., 20. Juli 2024 - 15:43

Die größten und demokratischsten Helden werden wohl immer dann geboren, wenn der zu bekämpfende Gegner lange genug tot ist. Besonders perfide die heutige Meinung von Herrn Schuster in Springers Welt,“ durch das Scheitern des Attentats wurde eine Dolchstoßlegende verhindert. Das im darauffolgenden knappen Kriegsjahr genau so viele Opfer zu beklagen waren wie in knapp 5 Kriegsjahren davor, scheint sich für so gebildet haltende Zeitgenossen nicht von Bedeutung zu sein. Waren, doch bloss Menschenleben, was zählen die schon gegen die richtige Moral. Über die damaligen versuchten Attentäter wurde wohl von Allen schon alles gesagt. Über die moralischen „Helden“ der Neuzeit mag ich nur noch den Kopf schütteln. Eine Gemeinsamkeit fällt mir aber auf, die moralisch Erhabenen
Kritiker des Attentats von damals, sind meist die gleichen, die heute die meisten Waffen in den Ukraine/Russland Krieg liefern wollen und den Krieg gerne nach Russland tragen wollen. Nur an der Front im Schützengraben wurden diese „Schusters“ noch nie gesichtet.

Wilfried Düring | Sa., 20. Juli 2024 - 18:52

'Die größten und demokratischsten Helden werden wohl immer dann geboren, wenn der zu bekämpfende Gegner lange genug tot ist. ... im darauffolgenden knappen Kriegsjahr (Juli 44 - Mai 45; WD) waren genau so viele Opfer zu beklagen wie in knapp 5 Kriegsjahren davor, scheint sich für so gebildet haltende Zeitgenossen nicht von Bedeutung zu sein. Waren, doch bloss Menschenleben ... '.

Sie haben die Pharisäer-Moral derer, die sich für den selbsternannten 'Werte-Westen' halten, begriffen. Und Sie haben hier, für jeden verständlich, eine Kostprobe dieser sogenannten 'Werte' in einfachen Worten wiedergegeben. Danke.

Henri Lassalle | Sa., 20. Juli 2024 - 19:58

des Widerstanden". Das Stimmt leider nicht ganz. Der Krieg war mit der Landung der Angelsachsen Juni 1944 definitiv verloren - die militärische Führung machte sich keine Illusionen mehr. Auch Ernst Jünger hat das in seinen Tagbüchern aus jeder Zeit vermerkt; er erlebte ja in vivo, was da vor sich ging.
Jeder wollte noch retten, was zu retten war, auch den eigenen Besitz und Status. Sie sahen, wie wie Hitler Deutschland seinen irren Plänen opferte, aber eben auch die Existenz der "ostelbischen Junker" und den gesamten Besitzstand des Bürgerums.
Heute macht man sie gerne zu Helden, aber so einfach ist das nicht. Hingegen sollte man fragen: Weshalb formierte sich der Widerstand so spät, abgesehen von einigen wirklich heldenhaften Gestalten wie katholische Geistliche oder der Attentäter vom Bürgerbräukeller, um nur einige zu nennen.

Er formierte sich eben nicht zum Schluss, als alles verloren war, das ist historisch schlicht falsch. Wer sich mit dem Widerstand beschäftigt hat, oder wenigstens den Artikel gelesen hat, müsste wissen, dass diese Leute ihr Leben und ihre Habe nicht nur riskierten, sondern verloren sahen. Der müsste wissen, dass sich der Widerstand schon lange vorher formierte. Was treibt jemanden wie sie an?

Henri Lassalle | So., 21. Juli 2024 - 19:44

Antwort auf von Helmut Bachmann

sondern sachlich bleiben. Nur noch einige Schlussworte meinerseits, unabhängig von Ihrer BEwertung: Ab der Stalingradkatastrophe bekannen die Zweifel an der Kriegsführung des Phantasten Hitler. Juni 1944 war dann entscheidend. Bis dahin standen die Deutschen geschlossen hinter dem Diktator, denn es wurde ja immer nur "gesiegt" und erobert - weshalb dann Widerstand.

Jens Böhme | Sa., 20. Juli 2024 - 21:06

Ich glaube nicht, dass Hitler viele Deutsche einzeln paralysiert hat und ihnen einredete, baut mal KZ und Gaskammern, setzt Zyklon B für die Menschenvernichtung ein, jagt und schlagt Juden, raubt diese aus, brennt Synagogen ab usw. Die Verbrechen in Europa bis 20.Juli 2044 vollzog Hitler nicht allein.

Doch werter Herr Böhme! Denn in und nach dem verbrecherischen Angriffskrieg Deutschlands haben die Einen ja nur Befehle gehorsam ausgeführt, die anderen Mutterverdienstkreuze gegen Produktion neuen, natürlich rassisch einwandfreien Humankapitals entgegen genommen, sich gern, zumindest am Anfang, freiwillig zu den höherwertigeren Spezialtruppen gemeldet, so gar nichts bemerkt oder davon gewusst warum ihre jüdischen Nachbarn bei Nacht und Nebel verschwanden, fanden Bücherverbrennungen, Aufmärsche gern mit Fackel oder das man nicht mehr in dem Laden mit dem Befehl "Kauft nicht bei...usw." auf dem Schaufenster einkaufen sollte scheinbar ganz normal. Denn laut eigener Aussage waren sie schon immer gegen die da oben und überhaupt konnte man die "praktizierenden Nazis" nach Kriegsende mit der Lupe suchen. Genau wie unsere linken, rechten und islamistischen Antisemiten
heutzutage. Ich frage mich gerade ob Wladimir P. ebenso allein zu Haus sein wird sollte er nicht bald die Ukraine eintüten. FG

Ronald Lehmann | So., 21. Juli 2024 - 00:37

Vor 20 Jahren kam darüber eine Fernsehsendung von RTL-Stern-TV

wo debattiert wurde

darf man eine vollbesetzte Luft-Verkehrs-Maschine abschießen, wenn Terroristen diese in die Gewalt gebracht haben

& ähnlich wie bei 9/11 diese auf ein volles Stadium fliegen wollten

Damals hieß der Richterspruch (ich hoffe, ich habe es noch richtig im Kopf)
NEIN, das Flugzeug darf nicht abgeschossen werden

die Mehrheit der Zuschauer dotierten damals zu JA (aber Sorry, sehr lange her > kann mich täuschen)

aber selbst Jesus Christus fordert in der Bergpredigt auf
Mt 5:44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für alle, die euch verfolgen

Schwierig fmp.
LIEBEN die VERBRECHER
Hassen => NEIN, aber dafür wie bei Erich, Mielke & Konsorten meine vollste VERACHTUNG

& so ist auch der 2.WK zu sehen
wie z.B. der 13./14.02.1945 Dresden
vor allem, wenn man weiß
dass die wichtigsten Industrie-Anlagen Deutschlands NICHT bombardiert worden sind

Anderer seit > die d. KZ & der Umgang mit Juden & Systemgegnern 😭🙏

Reinhold Schramm | So., 21. Juli 2024 - 07:37

►Der deutsche Faschismus war eine Geburts- und Schöpfungsgeschichte von Adelsgeschichte und Großbourgeoisie, Finanz- und Monopolkapital und deutscher Sozialdemokratie und Arbeiterklasse.

Laut Literatur waren 70 Prozent aller Deutschen in NS-Organisationen organisiert.
In der Spitze hatte die NSDAP zwischen 8,5 und 9 Millionen Parteimitglieder. Davon 20 Prozent Frauen (zwischen 1,7 und 1,8 Mio. Frauen).
Laut Parteistatistik lag der Anteil der „Arbeiter“ zwischen 30 Prozent und 40 Prozent: 2,55 und 3,6 Millionen Arbeiter in der NSDAP. Damit hatte die NSDAP mehr als doppelt so viele Arbeiter organisiert als vor 1933 die SPD und KPD zusammengenommen.

PS: Es war vor allem die fachlich und beruflich qualifizierte deutsche Arbeiterklasse in der Rüstungsproduktion die den Krieg ermöglichte. Die Rüstungsproduktion erreichte im März/April 1944 ihren Höhepunkt. Erst dann kam sie infolge fehlender Rohstoffe aus den (vormaligen) Besatzungsgebieten zum Erliegen und zunehmenden Zusammenbruch.

Reinhold Schramm | So., 21. Juli 2024 - 07:40

{...}
Auch die Millionen meist ungelernten Zwangsarbeiter standen unter der Kontrolle der berufserfahrenen Angehörigen der deutschen Arbeiterklasse.

PS: Vor und nach 1933 verweigerte die SPD-Führung und unter ihrer dominierenden Anleitung und Ausrichtung die Gewerkschaften, einen gemeinsamen Abwehrkampf des zunehmend vom deutschen Großkapital finanzierten und organisierten NSDAP-Nationalfaschismus.
Selbst die Forderung von SPD-Mitgliedern in den Betrieben, mit Kommunisten der KPD einen gemeinsamen Abwehrkampf zu organisieren und zu führen, wurde von der SPD-Reichsführung abgelehnt. Die SPD-Führung sah in den Kommunisten eine größere Gefahr ausgehend, als von den Nationalfaschisten.

Nach dem Kriegsende behielten die pro westlichen SPD-Führungen, mit Unterstützung und unter Anleitung der westlichen Alliierten, ihre antikommunistische Positionierung, so wie vor und nach 1933. Sie bewirkten damit die (zeitweilige) historische Teilung Deutschlands bis 1989/1990.

Nachtrag, Teil III.

Reinhold Schramm | So., 21. Juli 2024 - 07:42

{...}
Nach dem Kriegsende behielten die pro westlichen SPD-Führungen, mit Unterstützung und unter Anleitung der westlichen Alliierten, ihre antikommunistische Positionierung, so wie vor und nach 1933. Sie bewirkten damit die (zeitweilige) historische Teilung Deutschlands bis 1989/1990.

Anm.: Die einzige politische Kraft, die relativ geschlossen ihren Abwehrkampf gegen den deutschen Faschismus bis zum Kriegsende führte, war die KPD. Infolge wurde sie auch in der jungen Bundesrepublik Deutschland 1956 – einvernehmlich mit den Westalliierten und allen Parlamentsparteien und der überlebenden NS-Justiz – verboten.

Literatur-Empfehlung: Geschichte der NSDAP 1920 bis 1945
von Kurt Pätzold und Manfred Weißbecker. PapyRossa Verlag, Köln 2009

Ernst-Günther Konrad | So., 21. Juli 2024 - 09:41

Man hat viele Gesichtspunkte im Laufe der Jahre gelesen, die das Attentat und die Motive von Stauffenberg und seinen "Verbündeten" erklären sollen. Und ja, aus verschiedenen politischen Lagern wurde gegen das ehrenhafte Handeln argumentiert. Man könnte fragen, ob Gewalt, ob ein Attentat gerechtfertigt ist, einen solchen Verbrecher aufzuhalten? Man könnte auch fragen, ob der Tod Hitlers allein ausgereicht hätte einen wirklichen Umschwung herbeizuführen? Man könnte fragen, wie es dazu kommen konnte, das ein Großteil des Volkes diesem Mann und seinen wahnsinnigen Vorstellungen hinterherlaufen konnte? Man könnte fragen, ob alle nur nichts wussten oder nichts wissen wollten? Man könnte fragen, warum ein Volk bereit war, wieder in Krieg zu gehen mit all seinen Folgen und den Erinnerungen an den Krieg 1914-1918? Viele Fragen, die man unterschiedlich im Nachgang bewerten kann. Ich frage mich heute, wie ein deutsches Volk wieder Politikern hinterherlaufen kann, die Krieg das Wort reden.

Ronald Lehmann | So., 21. Juli 2024 - 15:33

auch wenn ihr meinen K. schon wieder gecleant habt, was ich als Anlass nehme

weil auch im Cicero die Rahmenbedingungen nicht gegeben sind
um philosophieren zu können
etwas Abstand zum C. zu halten

ich schreibe nicht
um etwas im Lauf der Geschichte ändern zu wollen oder wegen eines Argumentes überzeugen zu wollen

NEIN liebe Redaktion
ich schreibe in meinem Alter aus Lust & Laune,
Genuss & Abendteuer der Synapsen
um Gedankengänge im Ping-Pong anzuregen

wie z.B.
lt. Bergpredigt Luk 6:27
"Euch aber, die ihr mir wirklich zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde und tut denen Gutes, die euch hassen"

& NUN? Soll z.B. Faeser lieben & verzeihen?
Zumal sie keine wahre REUE zeigt

für Katholiken
dann müsste ja Jesus auch Lucifer lieben & diesen vergeben, selbst wenn er ohne Reue ist

& hier komme ich selbst NICHT WEITER

wie übrigens die Frage zum Attentat auf A. Hitler
oder der Verlauf wie beim 2.WK überhaupt
wo ich innerlich 50-50 gespalten bin😪

zumal
bei Politik Netanjahu hat ZEITGEIST
andere Sichten

Tomas Poth | So., 21. Juli 2024 - 21:12

Diesen Akt richtig einzuschätzen empfinde ich als sehr schwierig.
Er kam sehr spät, zu spät, denn die bedingungslose Kapitulation und war unter den Alliierten schon 1943 beschlossen worden.
Als Schüler erschien mir das Attentat selbst nicht bis ins letzte Detail zum Erfolg durchgeplant und geführt worden zu sein.
Aber was steht mir zu das zu kritisieren, ich lebte damals nicht, schon gar nicht unter den Umständen.