Schauspieler Stephen Fry. Bild: picture alliance

Schauspieler Stephen Fry: - „Auch mit Depressionen kann man ein glückliches Leben führen“

Er ist ein guter Freund von Prince Charles und gilt in seiner Heimat England als Kultfigur. Der Schauspieler Stephen Fry spricht im Interview über die Tücken der britischen Mentalität und wieso sein öffentliches Bekenntnis zur Depression sich ein bisschen wie sein Coming-Out angefühlt hat

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Dieter Oßwald studierte Empirische Kulturwissenschaft und schreibt als freier Journalist über Filme, Stars und Festivals. Seit einem Vierteljahrhundert besucht er Berlinale, Cannes und Co. Die lustigsten Interviews führte er mit Loriot, Wim Wenders und der Witwe von Stanley Kubrick.

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Stephen Fry, geboren 1957, arbeitet als Schauspieler, Autor, Regisseur, Comedian und Moderator. Seine Twitter-Gemeinde zählt mehr als zwölf Millionen Interessenten. Mit Rowan Atkinson trat Fry in der Comedy-Serie „Blackadder“ auf, in Peter Jacksons Tolkien-Verfilmung „Der Hobbit“ gab er den Bürgermeister von Esgaroth. Große Popularität genießt seine unterhaltsame Wissenschaftssendung „Quite Interesting“, die seit 2003 in der BBC läuft. Nun spielt Fry in dem Biopic „Die Poesie des Unendlichen“ den Mentor des indischen Mathematik-Genies Srinivasa Ramanujan, der ihm 1913 den Weg nach Cambridge ebnet. Der Film feierte seine Weltpremiere auf dem Filmfest Zürich und läuft morgen, am 12.05.2016, in unseren Kinos an. Als einer der ersten britischen Künstler bekannte sich Fry in den 80er Jahren offen zu seiner Homosexualität. Keinen Hehl machte er später auch daraus, dass er an Depressionen erkrankte. Für seine Dokumentation „Stephen Fry: The Secret Life of the Manic Depressive“ wurde er 2006 sogar mit einem Emmy ausgezeichnet.

Mister Fry, Sie sprechen deutsch und haben sogar ein Lieblingswort...
Fry: „Oberaffenturbotittengeil“ – so lautet mein Lieblingswort! Aber es ist schon 30 Jahre her, seit ich das gelernt habe. Ich würde unser Gespräch auch lieber auf Englisch führen, weil meine Grammatik in Deutsch absolut schrecklich ist. (Lacht)

In der britischen Kultsendung „Gogglebox“, in der Zuschauer das aktuelle TV-Programm kommentieren, geriet ein Ausschnitt Ihrer Reise-Doku, in der Sie einen Mörder interviewen, zum großen Lacherfolg. Ist das für Sie ein Kompliment?
Jeder erzählt mir, wie witzig diese Sendung sei. Aber ich muss gestehen, dass ich „Gogglebox” selbst noch nie gesehen habe, weil mir einfach die Zeit dafür fehlt.

 

 

Von Prince Charles stammt der Satz: „Ich glaube dieses Land hat unglaublich viel Glück, jemanden wie Stephen zu haben!“ Würden Sie das Lob umgekehrt zurückgeben?
Absolut! Die Rolle eines britischen Prinzen wurde in der Vergangenheit noch nie so gut ausgefüllt wie von Charles. Er ist neugierig und sehr leidenschaftlich.

John Cleese sagte über Sie: „Der wird niemals glücklich werden, wenn der immer so höflich ist.“
John fragte mich tatsächlich einmal, warum ich immer so verdammt höflich wäre. Darauf antwortete ich: „Ich weiß nicht.“ Worauf er laut prustend meinte: „Da, jetzt entschuldigst du dich auch noch dafür!“ Ich weiß wirklich nicht, woher das kommt. Wobei seine Aussage ja nicht unbedingt nur als Kompliment zu verstehen ist, sondern durchaus sehr irritierend klingen kann. 

Inwiefern irritierend?
Das hängt mit der britischen Mentalität zusammen. Wenn ein Amerikaner einen Kaffee bestellt, sagt er ganz einfach: „Bringen Sie mir bitte einen Kaffee.“ Ein Deutscher fügt vielleicht noch „und zwar schnell!“ hinzu. Ein Engländer hingegen sagt: „Wäre es in Ordnung, wenn ich möglicherweise eine Tasse Kaffee haben könnte? Oder wäre es zu viel verlangt?“. Warum verhalten wir Engländer uns derart lächerlich? 

Und wie lautet Ihre These?
Es gibt die Angst, als überheblich zu gelten. Es wäre unglaublich unbritisch, sich den Anschein von Arroganz zu geben. Das hat sich in das Gegenteil verkehrt, dass sich Engländer ständig für alles entschuldigen – was für Komiker eine enorme Fundgrube darstellt.

Sie gingen offen mit Ihrer Depression um. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Es war ein bisschen so wie mein Coming-Out in den 80er Jahren. Als Künstler ist man in einer privilegierten Situation, ob man schwul ist oder nicht, spielt keine große Rolle. In diesem Umfeld wird man deswegen kaum diskriminiert. Aus diesem Grund fühlte ich mich damals verpflichtet, das auch nicht zu verschweigen, um anderen vielleicht etwas Mut zu machen. Als ich in einem Interview zum ersten Mal direkt gefragt wurde, ob ich schwul wäre, sagte ich: „Ja, klar. Und ich bin glücklich darüber. Vielen Dank!” Und wer unter bipolaren Störungen leidet, kann das im Showgeschäft ebenso problemlos zugeben. In anderen Berufen ist das viel problematischer. Ich kenne sehr mächtige Führungskräfte, die mir sagten, solch ein Bekenntnis würde das Ende ihrer Karriere bedeuten.

Sind Depressionen zu überwinden?
Mir ist es sehr wichtig, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, welch schwere Krankheit das oft bedeuten kann. Depressionen zählen zu den häufigsten Todesursachen unter jungen Menschen. Selbst wenn es nicht zum Suizid kommt, ruinieren viele ihr Leben mit Alkohol und anderen Drogen. Gleichzeitig sollten aber auch alle wissen, dass es durchaus möglich ist, mit bipolaren Störungen ein erfülltes und glückliches Leben zu führen. Ich kann nur jedem empfehlen, die Bücher von Kay Redfield Jamison zu diesem Thema zu lesen. Für mich gehört das zu dem Besten, was man dazu finden kann.

Was war das Schönste, was Sie je gesehen haben?
Abgesehen von Menschen? Ich würde spontan sagen, das Bild „Die Enthauptung Johannes des Täufers“ von Caravaggio. Man kann es bewundern in der St. John’s Co-Cathedral in Valletta auf Malta.

Hier bekommen Sie noch etwas Schönes: Auf diesem Zettel steht das Wort, das 2004 zum schönsten deutschen Wort gewählt wurde.
„Habseligkeiten”? Das klingt großartig! Die genaue Bedeutung muss ich bei nächster Gelegenheit unbedingt nachschauen!

Das Gespräch führte Dieter Oßwald.

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