Der Flaneur - Wie man in Zeiten abnehmender Meinungsfreiheit seine Meinung sagt

Immer mehr Aussagen verstoßen gegen die politische Korrektheit. Das zeigt sich auch im Vokabular derjenigen, die wissen, dass sie sich angeblich politisch unkorrekt äußern. Eine Stilkritik.

Stefan aus dem Siepen

Autoreninfo

Stefan aus dem Siepen ist Diplomat und Schriftsteller. Von ihm erschien zuletzt im Verlag zu Klampen „Wie man schlecht schreibt. Die Kunst des stilistischen Missgriffs“. (Foto: © Susanne Schleyer / autorenarchiv.de)

So erreichen Sie Stefan aus dem Siepen:

„Was ich jetzt sage, ist politisch nicht korrekt, aber …“ Da es immer mehr Aussagen gibt, die gegen die politische Korrektheit verstoßen, gehört diese Einleitung inzwischen zum Grundvokabular. Einerseits bringt sie einen gewissen Trotz zum Ausdruck: „Ich weiß, dass ich mich exponiere, aber das ist mir gleichgültig. Ich lasse mich von den öffentlichen Moralwächtern nicht einschüchtern und sage klipp und klar, was ich denke. Hier stehe ich, ich kann nicht anders!“ 

Andererseits bittet die Formel indirekt um Nachsicht: „Es wird ja wohl erlaubt sein, einmal, ausnahmsweise, seine Meinung zu sagen. Sie werden mir daraus, hoffe ich, nicht gleich einen Strick drehen …“ Bei Gesprächen über das Wetter und über Fußball ist es nicht üblich, die Formel zu verwenden. Eine Ausnahme bilden Gespräche über Frauenfußball.

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar
  • Ohne Abo lesen
    Mit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte. Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Gunther Freiherr von Künsberg | Do., 25. Januar 2024 - 15:54

eine der größten Denker unter den Intellektuellen*innen des letzten Jahrhunderts hat seine Erkenntnis wie folgt formuliert: Nichts vereinfacht das Leben so nachhaltig wie die Diktatur. Sprachdiktatoren*innen tragen somit dazu bei das Leben der Deutschen*innen nachhaltig zu vereinfachen und fördern damit die Lebensqualität der Menschen*innen. Für die Autofahrer*innen ist der Verkehr (gemeint ist hier der Straßenverkehr) in einer Einbahnstraße ein Verkehrs-Diktat, dass aber einfacher ist als bei Gegenverkehr. Gleiches gilt natürlich auch im Sprachbereich, bei dem Gegenverkehr verboten werden sollte. Nur so lassen sich mithilfe von studentischer*innen intellektuellen Fachpersonals für die Verbraucher*innen , die auch Wähler*innen sind demokratische Einheitsverhältnisse herstellen, die dann mehrheitlich für Ordnung in der Sprache sorgen und damit durch vereinfachten Sprachgebrauch die Lebensqualität erhöhen.

Rainer Mrochen | Fr., 26. Januar 2024 - 09:05

Antwort auf von Gunther Freihe…

"...durch vereinfachten Sprachgebrauch die Lebensqualität erhöhen."
Ich hab zunächst gedacht sie meinen das ****** ernst. So etwas kann in Zeiten der Sprachverwirrung passieren. Sie haben allerdings recht. Nur die exzessive Anwendung von Idiotie macht sie als Solche sichtbar.

Rainer Mrochen | Do., 25. Januar 2024 - 16:06

Ich sage was ich denke und ich mache was ich sage. So bleibt niemand im Unklaren.
Alles Andere läuft an mir vorbei. Strafbewährte Zwangsmassnahmen denken sich nur die schlimmsten Antidemokraten und solche im Deckmäntelchen des permanent, verbal, vor sich hergetragenen Antifaschist Daseins aus. Demokratie und linke Ideologie vertragen sich nicht.

A.W.Mann | Do., 25. Januar 2024 - 20:12

Wie will man Einfluss nehmen, mit einer halben Entschuldigung vorab, damit begibt man sich schon in die Defensive. Meine Generation hat noch gelernt Werte zu vertreten: „Ein Mann ein Wort.“
Dies war auch für mich als kleiner Selbständiger immer die Maxime. Wenn man bereit ist diese seine Überzeugungen nicht mehr, gegen offensichtlichen Unsinn zu verteidigen, hat man schon aufgegeben. „Früher zählte das Erreichte, heute reicht das Erzählte. Daran werde ich mich nie anpassen, soviel Opportunismus muss man nicht leisten, wenn man was geleitet hat. Love it or leave it ? Es gibt eine 3. Option. Wie wär’s mal mit dagegenhalten ?

Sabine Jung | Fr., 26. Januar 2024 - 13:37

Antwort auf von A.W.Mann

so könnte man es als echter Deutscher sagen, oder besser als begürtiger Deutscher mit schon etwas älterer Abstammung.
Genauso möchte ich entgegenhalten, das Gendern geht mir so etwas auf den Zeiger, ich werde es nicht tun. Ich bin echter Deutscher, so etwas gehört nicht in die deutsche Muttersprache. Es ist eine Vergewaltigung dessen.
Und nun bin ich mal gespannt, wann hier der Shitstorm los geht von gewissen 2 Herrn.......

Ernst-Günther Konrad | Fr., 26. Januar 2024 - 10:48

Da haben sie den Menschen (Volk) aber genau aufs Maul geschaut. Ja, in manchen Kreisen hört man tatsächlich solche Redewendungen, das vor allem sich erstmal entschuldigen, das man überhaupt eine Meinung hat und die ist dann eben nicht politisch korrekt. Ich unterscheide da für mich, ob ich etwas zu einem anderen Menschen ganz persönlich sage oder wie hier im Forum etwas zur Sache oder über Menschen schreibe. Was ich mir inzwischen abgewöhne ist, ständig mich irgendwie von irgendetwas "vorsorglich" abzugrenzen, zu distanzieren, einer möglichen bewusst "falsch" verstandenen Interpretation vorzubeugen. Stattdessen bin ich bestrebt alles zu sagen und zu schreiben und emotionale Begrifflichkeiten im persönlichen Umgang zu vermeiden. Man kann auch deftig seine Meinung äußern, ohne jemand persönlich anzugreifen. Aber eines steht für mich fest. So freimütig, so wenig bis gar nicht beleidigt sein oder eben mal ein hartes Wort zu erdulden und sich dann wieder vertragen, das gibt es nicht mehr.