Alles geregelt: Friedrich Merz, die Fraktionsvorsitzenden der Grünen Britta Haßelmann und Katharina Dröge sowie Rolf Mützenich bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier / dpa

Schachern um Neuwahlen - Wo bleibt der Respekt vor der Verfassung?

Die Vertrauensfrage zu stellen, ist das ureigene Recht des Kanzlers. So sieht es jedenfalls die Verfassung. Dass Fraktionsvorsitzende um die Vertrauensfrage feilschen wie auf einem Basar, ist noch nie vorgekommen. Das sagt viel aus – über Scholz als Kanzler und seinen mangelnden Respekt vor der Verfassung.

Volker Boehme-Neßler

Autoreninfo

Volker Boehme-Neßler ist Professor für Öffentliches Recht, Medien- und Telekommunikations- recht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Davor war er Rechtsanwalt und Professor für Europarecht, öffentliches Wirtschaftsrecht und Medienrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Technik (HTW) in Berlin.

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Trickreich, wie er ist, wollte Scholz die Vertrauensfrage erst am 15. Januar stellen. Die Begründungen waren an den Haaren herbeigezogen. Man wolle der Bevölkerung keinen Wahlkampf über die Weihnachtsfeiertage zumuten. Es sei schwierig, auf die Schnelle genug Papier für die Wahlzettel zu beschaffen. Das war ein so dreistes wie durchschaubares Manöver. In Wirklichkeit will Scholz möglichst lange im Amt bleiben um Wahlkampf mit dem – von ihm vermuteten – Amtsbonus zu führen. Er hatte allerdings die Empörung in der Öffentlichkeit über seine Trickserei unterschätzt. Sie war gewaltig – und der Druck der Opposition war groß. Scholz musste zurückrudern.  

Neuwahlen über die Hintertreppe

In einer Talkshow am Sonntagabend gab Scholz bekannt, dass jetzt die Fraktionschefs von SPD und CDU über den Zeitpunkt der Vertrauensfrage und den Termin für Neuwahlen verhandeln sollten. Ein Kanzler, der nicht in der Lage ist, selbst zu entscheiden, ob und wann er die Vertrauensfrage stellt – das gab es in der Bundesrepublik noch nie. Vertrauensfragen waren immer ein politischer und psychologischer Kraftakt. Aber kein Kanzler vor Scholz wäre auf die Idee gekommen, sich die Entscheidung aus der Hand nehmen zu lassen.  

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Sabine Lehmann | Mi., 13. November 2024 - 19:28

Wäre das nicht ein herrlicher Wahlwerbeslogan? Im Grunde sogar austauschbar, zumindest innerhalb der Gruppe der Etablierten.
Die Frage nach der Verfassung? Der Ruf nach Recht & Gesetz? Ich bitte Sie! Wenn wir Eines in den vergangenen 10 Jahren gelernt haben, dann dass ein Gesetz nur ein Vorschlag ist, nicht wirklich bindend, weil Obacht: Private Moralvorstellung hat immer Priorität! Also nicht wirklich immer, selbstverständlich nur, wenn man die Macht dazu hat. Im Volksmund nennt man das Machtmissbrauch, von den Missbrauchstätern in diesem Land immer wieder gerne an gewisse Adressaten attestiert, wie China, Russland & Co.. Das blendende eigene Spiegelbild fiel da nicht weiter ins Gewicht, denn wo kein Kläger, ist auch kein Richter. Und Deutsche beklagen sich nicht. Das mögen sie nicht. Also klagen schon, aber nicht gegen Obrigkeiten, im Duckmäusern lebt es sich bequem u. sicher. Weil im jetzigen Staat ist der kritische Bürger als "Delegitimierer" nirgends mehr sicher, das ist Fakt.

Thomas Hechinger | Mi., 13. November 2024 - 19:28

Die Verfassung und die Verfassungswirklichkeit waren schon immer zwei verschiedene Dinge. Noch nie aber war die Diskrepanz zwischen ihnen so groß wie in diesen Tagen.
Als der Thüringer Landtag Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gewählt hatte, dekretierte die Kanzlerin aus Südafrika, dieses Ergebnis sei rückgängig zu machen. Formal hat aber der Bundeskanzler in Angelegenheiten des Thüringer Freistaats nichts zu sagen, und zwar gar nichts. Die Thüringer hätten also nach Berlin melden können: eine schöne Ansicht, Frau Kanzlerin, interessiert uns aber nicht. De facto hat aber Berlin über die Arme des Parteienstaats nach Thüringen hineinregiert und Thomas Kemmerich abgesetzt.
Die Ministerpräsidentenkonferenz ist eine Gesprächsrunde von Länderchefs. Sie spielt in der Verfassung keine Rolle, und zwar gar keine. De facto wurden aber über sie Corona-Maßnahmen durchgesetzt.
Und nun setzt Kanzler Scholz eben noch einen drauf. Das Grundgesetz interessiert in diesem Land keinen mehr.

Urban Wil | Mi., 13. November 2024 - 19:38

sung und die Grundrechte in dieser gespielten Demokratie noch haben. Die Debatte nach der Reg.erklärung von Scholz hat dies bestätigt. Der ganze Zusammenbruch dieser unsäglichen Ampel, all das, was nun abläuft sind hochgradig widerlich. Ein Vertrauen in unsere Institutionen kann gar nicht mehr zerstört werden, es ist in weiten Teilen der Bevölkerung eh nicht mehr da. Nun sind wir auch noch zum Spitzelstaat und Denunziantentum zurückgekehrt. Die neuen Blockwarte werden sich bereits warm laufen.
Einen haben wir ja bereits im Forum hier, der sich diebisch über die Geldstrafe freute, die einem anderen wg seiner Meinungsäußerung aufgebürdet wurde.
Heute haben wir im BT erlebt, dass die vermutlich neue Regierung Merz nichts anderes zu tun gedenkt als im Geiste der alten und vorletzten weiter zu schachern, zu lügen und zu wursteln.
Es ist diese widerliche Mischung aus Feigheit, Unfähigkeit, Geschichtsklitterung und Machtgier, die D an die Wand fährt. Wann endlich kapiert das der Wähler.

Chris Groll | Mi., 13. November 2024 - 20:01

Respekt vor der Verfassung und der Meinungsfreiheit haben die Politiker seit Frau Merkel/CDU und Herr Scholz/SPD (große Koalition) nicht mehr. Die Ampel führte das unwürdige Handeln nur noch dreister fort und die CDU/CSU macht kräftig mit.
Es ging diesen Parteien niemals um das Allgemeinwohl, sondern nur um ihre Machtinteressen. Das wirklich verhängnisvolle ist nur, daß die wenigsten Bürger das durchschauen (wollen).
Zitat Ayn Rand: „Machtgier ist ein Unkraut, das nur in den leeren Räumen eines Hirns ohne Verstand wächst.“

Tomas Poth | Mi., 13. November 2024 - 20:04

Genau, wo bleibt der Respekt vor dem Grundgesetz?
Die Altparteien haben jedenfalls keinen, im Gegenteil sie machen ihr Verständnis von "Demokratie" zur Grundlage, um das Grundrecht Schritt für Schritt in Richtung ihrer politischen Agenda zu verbiegen, ja zu schleifen!
Hier wird der Satz von R. v. Weizsäcker #Die Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht# um eine Stufe höher geschraubt, die Altparteien machen sich den Staat zur Beute, um jeden demokratischen Wandel, durch Änderungen im Parteigefüge, zu unterbinden.
Es wird rotgrüner Ökosozialismus einschließlich der Aufgabe der Nation Deutschland festgeschrieben und als Staatsdoktrin ausgegeben! Das ist schon jetzt auf dem demokratischen Level der Ex-DDR angekommen, die sich der Sowjetunion unterwarf!
Und der politische Hasenfuß und Schwächling Merz (der aus der CDU) macht da mit.
Alle Stimmen auf Blau setzen, zum Schutz unseres Landes und seiner Demokratie!

Detlev Bargatzky | Mi., 13. November 2024 - 20:05

... kein Richter des BVerfG mit am Tisch sass oder per Telefon etc. zugeschaltet war?

Eingedenk der vielen gemeinsamen Essen traue ich diesen Institutionen mittlerweile fast alles zu.

Tomas Poth | Mi., 13. November 2024 - 20:06

Da sitzen die Schwachmaaten der Republik zusammen, und teilen das Fell Deutschlands untereinander auf!
Schmeißt sie alle mit euerer Wahlstimme raus!

Hans Jürgen Wienroth | Mi., 13. November 2024 - 20:09

Sind die Ampel-Parteien neuerdings „Randparteien“? Schließlich sagt der Autor, „die Verfassung franst von den Rändern her aus, und sie stirbt zentimeterweise“.

Der erste Verfassungsbruch der Ampel stand bereits im Koalitionsvertrag, indem die GG-widrige „Fraktionsdisziplin dort festgeschrieben wurde. Im GG heißt es: Die Abgeordneten des Bundestages …sind .. an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen verantwortlich. Die Reihe ließe sich noch weiter fortsetzen, z. B. der „Absicherung des BVerfG’s“. Insofern reiht sich das Trauerspiel um die Vertrauensfrage nur ein. Theoretisch sind ja auch bei uns Minderheitsregierungen möglich, wenn die Regierung das Vertrauen des Parlament genießt.

Das GG kennt noch eine andere Möglichkeit den Kanzler abzusetzen: Das konstruktive Misstrauensvotum. Das wäre hier ggf. angebrachter gewesen als dieses Geschachere. Nur dazu hätte es des Kanzlers Mut und dem Willen aller, zur Zusammenarbeit gebraucht. Daran fehlte es.

H. Stellbrink | Mi., 13. November 2024 - 20:58

Das drückt genau das aus, was viele Bürger bedrückt. Die Gralshüter der Verfassung verbiegen und ignorieren sie nach Bedarf, wenn es ihren Partei-Interessen dient. Unliebsame Konkurrenz und Kritik an grünroten Projekten wird als antidemokratisch diffamiert und nach Möglichkeit mit Verfassungsorganen, NGOs und Gesetzen bekämpft.
Wer solche "Demokraten" hat, braucht keine Verfassungsfeinde mehr. Sie sitzen in der Regierung.

Stefan Jarzombek | Do., 14. November 2024 - 06:17

Was diese Leute wie beispielsweise der noch Kanzler in der Öffentlichkeit abliefern ist tatsächlich unter aller Würde.
Es wird Zeit für die AfD.
Schlechter kann es in keinem Fall werden.
Auf solche Possenspiele muß man erst einmal kommen...

Sabine Lehmann | Do., 14. November 2024 - 07:35

Sie haben uns gewarnt. Mehrfach.
Sie haben Exempel statuiert. Mehrfach.
Sie haben gesagt, es kommt noch schlimmer.
Mehrfach.
Sie sagten „Wir sehen Alles!“
Mehrfach.
Gestern haben sie erneut zugeschlagen. Ein harmloser Rentner teilte auf Twitter einen banalen Witz über unseren Kinderbuchautor. Früh morgens kam das Räumkommando mit Durchsuchungsbeschluss in sein Haus. Sein Vergehen:
Er hatte einen Witz über die altbekannte Schwarzkopf-Reklame, die rhetorisch etwas verändert wurde, auf X geteilt. Aus Schwarzkopf Professional wurde „Schwachkopf Professional“. Ein gelungener Gag, der genauso gut aus der zdf heute Show hätte sein können. Aber nein, das ist laut Anklage der zuständigen Staatsanwaltschaft die Delegitimierung von Robert Habeck schlechthin, so könne er nicht arbeiten!
Dass er genau das auch ganz ohne unsere „Hilfe“ nicht kann u. drei Jahre lang eindrucksvoll bewiesen hat, spare ich mir an dieser Stelle zu sagen, sonst steht Nancys Räumkommando morgen auch vor meiner Tür! Danke.

Ronald Lehmann | Do., 14. November 2024 - 08:36

Was hier seit dem die Grünen in Regierungs-Verantwortung sind
abgeht

& dies in politischer vollster Eintracht
wenn man von den Scheingefechten mal absieht

jedenfalls hat man eine solche Synchronisation von Macht & Verdummung sonst nur bei

VERBRECHER-SYNDIKATE

denn dies hat es nirgend wo in keiner einzigen Ramba-Zamba-Republick gegeben

weder so eine derartige
DIFFAMIERUNGS-KAMPANGNE

noch diese UN-demokratische & wie mit meinem/de Rechtsverständnis

nicht zu vereinbarter Art & Weise des politischen Umgangs im miteinander von unterschiedlichen Meinungen

die in ABSOLUTER FASCHISTISCHER MANIER/DIKTATUR-GEHABE💥

umgesetzt/manifestiert/proklamiert wird
um anderen Meinungen nicht einen Millimeter Raum zu geben

aber der Excelente Gleichschritt aller Block/Kartell-Parteien
zeigt deutlich auf

die Kapelle kommt aber nicht aus Deutschland

denn dann wäre bei diesen vielen Problemen hier in DE Disharmonie zu verzeichnen

was aber nicht zu erkennen ist
mal von den Nebel-Bomben zur Ablenkung abgesehen

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