Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
()
Neun Fallen für Roland Koch

Er gilt als einer der letzten Konservativen in der CDU und ist ein erfahrener Wahlkämpfer.

Politischer Ziehsohn Helmut Kohls, größtes Talent der CDU, letzter Konservativer, ärgster Gegenspieler von Angela Merkel – Roland Koch habe „auf Kanzler studiert“, sagen Feinde wie Bewunderer. Doch derzeit sieht es nicht gut aus für Roland Koch. In Hessen, Deutschlands Labor für politische Umschwünge, braut sich Ungemach für den Ministerpräsidenten zusammen. Kochs Wiederwahl ist längst nicht sicher, der Nimbus des Unbesiegbaren in Gefahr. Der Super-Hesse steckt in der heikelsten Phase seiner politischen Laufbahn. Die Hessen-Falle Das Bundesland in der Mitte Deutschlands ist berüchtigt für politische Avantgarde. Oft wurden gesellschaftliche Trends zwischen Frankfurt und Fulda, zwischen Wiesbaden und Kassel zuerst zu parlamentarischen Mehrheiten. Hier unternahm die erste rot-grüne Koalition mit Ministerpräsident Holger Börner und Turnschuh-Minister Joschka Fischer ihre ersten Regierungsversuche; kontrazyklisch fiel in Hessen 1999 die erste SPD-Landesregierung nach der Macht­übernahme von Rot-Grün im Bund. Sein damaliger Wahlsieg mithilfe der kalt kalkulierten Anti-Doppelpass-Kampagne begründete nicht nur Kochs Ruf als Superstar der CDU, sondern bestätigte auch ein ungeschriebenes Gesetz der deutschen Politik: Der kollektive Wählerwille strebt nach ewiger Balance und schafft in den Ländern ein Gegengewicht zum Bund. Nicht auszuschließen, dass der hessische Wähler 2008 eine Links-Koalition in Wiesbaden als adäquaten Ausgleich zum großkoalitionären Berlin betrachtet. Die Lafontaine-Falle Seit Kochs überraschendem Sieg gegen Hans Eichel verharrte die hessische SPD in harmloser Starre. Das Aufkommen der Linkspartei bringt für Koch gleich mehrere unbequeme Begleiteffekte. Erstens belebt die neue Konkurrenz den Wettbewerb zwischen SPD, Linkspartei und Grünen, zweitens werden Bürger mobilisiert, die den vergangenen Wahlen vor allem aus Enttäuschung über den Schröder-Kurs fernblieben. Oskar Lafontaine wird mit größtem Vergnügen in den hessischen Landtagswahlkampf ziehen, um mit Koch eine Ikone der Konservativen zu erledigen und mithin das liebste Feindbild der Linken. Koch bekommt es also nicht nur mit der leichtgewichtigen SPD-Kandidatin Andrea Ypsilanti zu tun, sondern mit einem sehr viel lästigeren Gegenspieler, der ihm an Zielstrebigkeit in nichts nachsteht. Strategisch sitzt der Amtsinhaber in der Klemme. Denn je lauter er gegen Lafontaine und ein Linksbündnis polemisiert, desto stärker mobilisiert er eben dessen Wähler. Keine Umfrage ergibt derzeit einen beruhigenden Vorsprung des schwarzgelben Lagers gegenüber Rot-Rot-Grün. Die Frauen-Falle Andrea Ypsilanti ist weder in Hessen noch in der Sozialdemokratie bislang als Größe wahrgenommen worden. Sie wird belächelt, und genau das ist ihre Chance. Jeder kluge Satz, der ihr unterläuft, wird als Erfolg gefeiert werden. Sie ist Hessens Ségolène Royal. Als linke Frau, die Politik etwas zufällig zu machen scheint, bietet sie einen perfekten Gegenentwurf zum rechten Mann, der alles plant. Vollautomatisch arbeitet sie seine darstellerischen Schwächen heraus. Koch, der alles kann außer Charme, wirkt gegen eine tapfere, telegene Frau wie ein Bulldozer. Mit ihrer frühen Absage an eine Koalition mit der Linkspartei hat die Herausforderin dem Ministerpräsidenten zudem ein Wahlkampfargument gestohlen. Dass sie bei entsprechenden Mehrheiten dennoch mit einem Linksbündnis regieren würde, gilt in der SPD als unumstritten. Die Kanzlerin-Falle Seit 2003 hat Roland Koch einen bemerkenswerten Strategiewechsel vollzogen. Vom ärgsten Gegenspieler Angela Merkels wandelte er sich zu ihrem loyalsten Mitstreiter. Spätestens, seit er sich 2006 zum stellvertretenden CDU-Vorsitzenden wählen ließ, ist er in der Treuepflicht zur Chefin gefangen. Die Rolle des, wenn auch verhaltenen, Merkel-Mäklers hat Kochs ewiger Gegenspieler Christan Wulff übernommen. Auch wenn sie vor allem profitierte, ist nicht sicher, ob die Kanzlerin Kochs Annäherung traut oder gar mit Wahlhilfe belohnt. Das Gegenteil ist wahrscheinlicher: Sie beobachte Kochs strategisches Dilemma in Hessen durchaus vergnügt, heißt es im Kanzleramt. Ob Kuschel-Koch oder Konfrontations-Koch – Merkel traut ihm am Ende eher nicht. Am liebsten ist ihr ein K.o.-Koch. Und die Geschichte lehrt: Noch nie hat Angela Merkel einen Mann davon abgehalten, sich selbst zu erledigen. Lieber hat sie noch etwas nachgeholfen. Die Zeitgeist-Falle Roland Koch ist ein Politiker für schwere Zeiten, sein Nimbus ist der des harten Sanierers. Im Krisenjahr 2003 gewann der Politmanager Koch die absolute Mehrheit. In ökonomisch entspannteren Zeiten wie diesen wirkt sein Kreuzzug gegen den Mindestlohn ebenso deplatziert wie all die anderen Bescheidenheitsappelle. Die Menschen wollen teilhaben am Aufschwung und keine markttheoretischen Abhandlungen hören, nicht mal, wenn sie richtig sind. Mit seinen neun Regierungsjahren hat sich Kochs Image gewandelt: vom modernen Macher, der Jobs nach Hessen holt, zum ergebenen Vollstrecker der Wirtschaft, der Milliardengewinne rechtfertigt und Lohnerhöhungen geißelt. Damit kämpft er sogar in der eigenen Mannschaft um die Mehrheit. Die Parteien-Falle Zu Oppositionszeiten war Roland Koch eine der wenigen starken Figuren der Union, zusammen mit Edmund Stoiber und Angela Merkel. Doch seit ihrer Kanzlerschaft sind neue Figuren auf dem politischen Spielfeld hinzugekommen oder alte erstarkt: Ob Ursula von der Leyen oder Wolfgang Schäuble, ob Michael Glos oder Volker Kauder, sie alle ziehen öffentliches Interesse auf sich und weg vom hessischen Ministerpräsidenten. Die Große Koalition hat Kochs Bedeutung relativiert und seine Rolle schwerer erkennbar gemacht. Der einst mächtige Andenpakt, ein Geheimzirkel, dem viele CDU-Ministerpräsidenten und anderes Führungspersonal angehören, funktioniert zwar noch als defensiver Nichtangriffspakt, nicht jedoch als Offensiv-Koalition gegen die Kanzlerin. Zudem ist Kochs Selbstverständnis als letzter Konservativer im Wanken begriffen. Was meint konservativ? Wirtschaftsliberalität? Lafontaineismus? Merkels Familienbild? Kritik an russischen Unternehmen? Am Ende geht es um pragmatisches Regierungshandeln, und das ist parteipolitisch weitgehend austauschbar. Das konservative Element Kochs blieb zuletzt sowohl in der Bundes-CDU als auch in Hessen merkwürdig unscharf. Die Buddy-Falle Die Vernetzung, die Koch früher nutzte, ist zur Belastung geworden. Sein Personal ist in Teilen verschlissen. Er sieht sich gefangen in Loyalitätspflichten zu seinen alten Weggefährten der sogenannten „Tankstellen-Gang“, mit denen er schon als Jungunionist plante, eines Tages die Macht in Wiesbaden zu erringen. Zum Freundeskreis gehört Finanzminister Weimar, der schon seit Jahren als lustlos gilt, ebenso wie Innenminister Bouffier, der schon rufschädigend lange als Kochs Kronprinz gehandelt wird. Als besonders schwierig erwies sich zuletzt Tankstellen-Schwester Karin Wolff, gelernte Religionslehrerin und Mitglied der Synode der evangelischen Kirche Hessen und Nassau. Die Kultusministerin spielte der Opposition ohne Not eine Kreationismus-Debatte vor die Füße, weil sie forderte, die biblische Schöpfungsgeschichte auch im Biologieunterricht zu thematisieren. Ihr unmittelbar darauf folgendes und mit Kochs Strategen abgestimmtes Bekenntnis, mit einer Frau zusammenzuleben, darf man als das ungeschickteste Ablenkungsmanöver des Jahres betrachten. Innerhalb einer Woche die Linken wie die Rechten gegen sich aufzubringen, das ist schon eine große Leistung. Allerdings keine, die Kochs Wahlkampf nützt, denn die eher homosexuellenkritische Hessen-CDU war über Wolffs Outing alles andere als amüsiert. Talentierter Nachwuchs wie Sozialministerin Silke Lautenschläger oder Nachwuchsgröße Frank Gotthardt hingegen würde angesichts mancher Nachlässigkeiten der Altvorderen gern weiter vorn auf der Bühne stehen. Die Bilanz-Falle Ministerpräsident Koch ist angetreten, mit den erfolgreichen Südländern Bayern und Baden-Württemberg mindestens gleichzuziehen. Doch die Aufholjagd erweist sich als zäher Kampf. Kochs Bilanz glänzt nur halb. Das strukturschwache Nordhessen macht ebenso Sorgen wie der Finanzplatz Frankfurt, der gemeinsam mit den deutschen Banken an relativem Bedeutungsverlust leidet. Während sich messbare Erfolge der Hochschulreform nur schleppend einstellen, Bundesländer wie Berlin höhere Pro-Kopf-Investitionen in Forschung und Entwicklung vorweisen und Elite-Unis vorwiegend außerhalb Hessens gekürt werden, debattieren Hessens Eltern über Kochs „Unterrichtsgarantie plus“, dem Vorzeigeprojekt dieser Legislaturperiode. Vertretungskräfte, auch pädagogische Laien auf Stundenbasis, die in den Ferien wegen Jobmangels Sozialhilfe beantragen müssen, sollen dafür sorgen, dass in Hessen bis zur zehnten Klasse keine Schulstunde ausfällt. Allerdings machen die Aushilfen naturgemäß weniger Unterricht als vielmehr Aufsicht. Das Garantieversprechen ist demnach unnötig großmäulig geraten und irritiert sogar Teile der Hessen-CDU. Die Zukunfts-Falle Die goldene Regel des Wahlkampfs lautet: Politiker werden nicht für die Großtaten vergangener Tage gewählt, sondern für Hoffnungen und Erwartungen, die sich mit ihnen verbinden. Der Themenfeuerwerker Koch hat in seiner Amtszeit jedoch schon jedes Wunder einmal vollbracht. Er muss den Hessen erklären, was er in den kommenden Jahren noch an Großtaten plant, vor allem aber, dass er tatsächlich nicht mit einem Kabinettsposten in Berlin liebäugelt. Gegen derlei Mutmaßungen könnte eine schwarz-grüne Koalition helfen, falls die Grünen vor der FDP landen und CDU und Öko-Partei über eine Mehrheit verfügen. Dann wäre Hessen auf einen Schlag wieder politische Avantgarde. Hajo Schumacher ist politischer Journalist. Momentan schreibt er die Biografie von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit. Sie wird im Herbst erscheinen Foto: Picture Alliance

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.