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Generation Y - Vom Stipendiaten zum Campuscrasher

Noch nie hatten Schulabgänger mehr Möglichkeiten in der Auswahl von Ausbildung oder Studium als heute. Doch der Blogger Ben Paul hält von alledem nichts: Er brach sein Studium ab und etablierte sich im Netz als Gegner des klassischen Bildungsweges

Autoreninfo

Maike Hansen studiert Kulturwissenschaften mit den Schwerpunkten Literatur und Linguistik an der Europa Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Sie absolviert außerdem als Stipendiatin die Journalistische Nachwuchsakademie der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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Ein Hintergarten in Berlin-Kreuzberg. Ben Paul, der bekannteste Hochschulabbrecher Deutschlands, sitzt auf einem schwarzen Plastikklappstuhl und referiert über seinen Weg außerhalb der Institutionen.

Er nennt sich selbst „Education Hacker“: Er ist der Programmfehler im System Bildung. Als ihn die Hochschule ausbrannte, tauschte er das Studium gegen Selbstverwirklichung. Jetzt will er im Internet anderen erklären, wie das geht. Sein Blog trägt den plakativen Titel „Anti-uni.com“. Mehr als 20.000 Leser verfolgen seine Einträge. Bens Mantra: Selbstfindung ohne Uni, aber mit Ben. 2.200 junge Leute haben bei Facebook ein „Gefällt mir“ dafür gegeben. Verlage traten bereits an ihn heran, Ben schreibt gerade ein Buch.

In den Kommentaren schildern Bens Fans ihre eigenen Erweckungserlebnisse. Leserin Miriam brach ihr Abitur ab, studierte nach einer schulischen Ausbildung Kommunikationsdesign. Jetzt jobbt sie als Kellnerin und freie Designerin. Sie empfand ihr Studium als sinnlos und wünscht sich mehr Freiheit. Natalja beklagt, die Gesellschaft sei eine bloße Terrakottaarmee. „Wir brauchen dringend Individualisten.“

Sie suchen nach einer beruflichen Vision, sie fürchten den grauen Alltag und sie fragen nach dem Sinn ihres Tuns: die „Generation Y“. Im Englischen spricht sich der Buchstabe wie das Wort „Why“ aus – „Warum“. Dieses Warum beschäftigt laut der Wirtschaftsprofessorin Julia Rump alle 20- bis 35-Jährigen, denen zwischen der Informationsflut der sozialen Medien und dem Überangebot an Möglichkeiten irgendwo die Bodenhaftung verloren ging. Alle, die sich nicht entscheiden können.

Generation zwischen MacBook und Jutebeutel
 

Ob Ben sich als ein Gesicht dieser Generation sehen würde? Er nickt. Er möchte den Suchenden einen Weg zeigen, den Fragenden Antworten liefern.

Sein Traum ist eine Ich-Generation zwischen MacBook und Jutebeutel, die nach Selbstoptimierung strebt. „Ich möchte so vielen jungen Menschen wie möglich helfen, dass sie das machen können, was sie wirklich möchten.“

Ben brach sein Jurastudium an der Buscerius Law School in Hamburg ab, als die Unipsychologin Burnout diagnostizierte. Seitdem sucht er. Er ging ein Jahr zum Freiwilligendienst nach Nicaragua, aber Sozialarbeit strebt er nicht an. Er hielt Workshops, aber als Coach würde ihm der Freiraum fehlen. Er wollte eine Webseite für Urlaubsreisen entwerfen, aber scheiterte noch beim Versuch. Jetzt probiert er sich als Autor. „Es wird ein populärwissenschaftliches Sachbuch werden – passend zum Blog.“ Er schwankt zwischen kindlichem Idealismus und finanzieller Unabhängigkeit.

Mit dem Dilemma der Generation Y  lässt sich durchaus Geld verdienen. In den Vereinigten Staaten gründete der Unternehmer Dale J. Stephens bereits 2011 als Zwanzigjähriger das „Uncollege“. Auf der Schulbank saß Stephens zuletzt in der fünften Klasse. Danach brachte sich Stephens selbst Französisch bei, paukte, wie man Geschäftsmodelle aufbaut. Er bekam ein Stipendium von Peter Thiel, dem Deutschen, der auch Facebook Starthilfe gab. Stephens machte seine Abneigung gegen das amerikanische Schulsystem zu Geld. Lebenshungrige Individualisten zahlen schlappe 15.000 Dollar, um bei ihm zu lernen. Am Ende soll ein eigenes Projekt stehen – der Weg zur Erfüllung.

Reich werden möchte Ben als Campusaussteiger nicht. Sein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes warf er weg. Er arbeitet jetzt in einem Start-Up, bei dem sich alle duzen. Das „Creative Loft“ Berlin ist ein Büro mit Couch, Einbauküche und einer Wanne im Badezimmer. Mieter des Lofts ist die Unternehmensgesellschaft „Idea Camp“. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss verschiedener Start-Up Inhaber, die in Workshops ihr Rezept für den Start in die Selbstständigkeit weitergeben. Ben betreut für das „Idea Camp“ seit März 2013 den Blog „onedayprofits.de“ und bekommt dafür 500 Euro pro Monat. Mit eigenen Workshops und Produktplatzierungen auf „Anti-uni.com“ erwirtschaftet der Uniabbrecher zusätzlich 300 bis 500 Euro.

Als Anstellung betrachtet Ben sein Arbeitsverhältnis mit dem Idea Camp nicht. So etwas würde er nicht wollen. „Ich kann nicht für jemanden arbeiten, der weniger clever ist als ich.“ Schnell relativiert Ben sich. „Naja, zumindest nicht in einem Unternehmen mit krassen Hierarchien.“

Familie und Sicherheit stehen im Mittelpunkt


Überheblich wirkt die Generation Y auf dem Arbeitsmarkt. „Wir lassen uns im Job nicht versklaven,“ schreibt Zeit-Autorin Kerstin Bund als Vertreterin ihrer Altersgruppe. Doch meinen junge Erwachsene wirklich, von niemandem etwas lernen zu können? Bereits vor vier Jahren beschrieb die Shell Studie das Bild einer strebsamen Generation. Ein unbefristeter Job nach der Ausbildung, eine Familie – das wünschen sich drei Viertel aller Befragten für ein glückliches Leben.

Die Studie „Jugend.Leben“ der Universität Gießen bestätigt den Trend. Für die Erhebung 2013 wurden junge Menschen unter 18 Jahren befragt, was sie sich im Leben wünschen. Für mehr als die Hälfte war Sicherheit wichtiger als pure Selbstverwirklichung. Schulabschlüsse und höhere Bildungsziele gelten nach wie vor als zukunftssichernd.

Ben weiß noch nicht genau, wo er in fünf Jahren steht. Allerdings, sagt er, seien ihm in der letzten Zeit ein, zwei Studiengänge in den USA oder Dänemark ins Auge gefallen. Die fand der Hochschulverweigerer gar nicht so uninteressant.

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