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(picture alliance) Nach NRW hatte Angela Merkel genug von Norbert Röttgen

Norbert Röttgen - Beim Wähler durchgefallen, von Merkel entlassen

Röttgen muss gehen. Merkel entlässt ihren einstigen Musterschüler und reagiert damit auf die Wahlschlappe in NRW und die harsche Kritik aus Bayern. Die Frau, die eigentlich Probleme aussitz, zeigt im Fall Röttgen eine unerwartet schnelle und eiskalte Reaktion. Ein Kommentar

Norbert Röttgen wollte zurück nach Berlin. Im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen legte er sich nicht fest, hielt sich alle politischen Türen offen – und scheiterte. Röttgen konnte sich zwischen der Taube auf dem Dach und dem Spatz in der Hand nicht entscheiden - jetzt verliert er beides. An diesem Donnerstag nun hat Merkel ihn vor die Tür gesetzt. Die Kanzlerin entließ den Mann, der eigentlich ihr Schlüsselprojekt „Energiewende“ voranbringen sollte. Röttgen selbst konnte nichts mehr sagen, konnte seinen Rücktritt nicht selbst erklären, weil die Kanzlerin bereits Fakten geschaffen hatte. Ein ziemlich einmaliger politischer Vorgang.

Damit endet abrupt eine Karriere, die eigentlich noch gar nicht wirklich begonnen hatte. Denn der hoch ambitionierte Norbert Röttgen hatte vor allem eines – einen Plan. Gerne ließ er durchblicken, dass er seine Vita irgendwann mit der Kanzlerschaft schmücken wollte. Auf seinem Weg nach oben kannte er keine Freunde und keine politischen Loyalitäten. Doch Röttgens Politik glich zum Schluss einer Fehlerkette, an dessen Ende nun das politische Ende des Umweltministers selbst steht.

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Dabei sah es Anfang der Woche noch so aus, als könne Röttgen seine Haut retten. Bevor am Sonntag die ersten Prognosen bekannt gegeben wurden, war er bereits vom Landesvorsitz zurückgetreten. Demütig übernahm er die Verantwortung für die dramatische Wahlniederlage und gleichzeitig hatte er es eilig, nach Berlin zurückzukehren, um zumindest seinen Job als Bundesumweltminister zu sichern.

Doch es dauerte nur drei Tage, bis ihn auch in Berlin die gravierenden strategischen Fehler seines Wahlkampfes einholten.  So etwa der Versuch, die Landtagswahl zur Abstimmung zu Merkels europapolitischen Kurs auszurufen. Doch auch bei der Energiewende hatte sich Röttgen zuletzt in eine Sackgasse manövriert. Im Bundesrat scheiterte er jüngst mit seinen Plänen zur Kürzung der Solarförderung. Allen voran die ostdeutschen CDU-Ministerpräsidenten stimmten mit Rot-Grün gegen den Mann aus den eigenen Reihen.

Röttgens Kardinalsfehler aber war es, mit bundespolitischen Ambitionen in den Landtagswahlkampf zu ziehen. Röttgen kämpfte an Rhein und Ruhr und war doch in Gedanken in Berlin. Die Strategie des „Nicht-fest-legen-wollens“ verschreckte die Wähler und machte ihn zum Gespött von Journalisten. An der Gretchenfrage, ob er auch im Falle einer Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen bleiben und die Opposition anführen würde, zerbrach er. Mit gequältem Bemühen und sinnfreien Parolen versuchte Röttgen einer einfache Fragen aus dem Weg zu gehen. So wurde die Lieblingsfrage der Journalisten zu einer Art selbstzerstörerischem Selbstläufer, zu einem rhetorischen Spießroutenlauf mit Fremdschämpotential. Vor allem dieser Schlingerkurs hat ihm jetzt seine politische Karriere gekostet.

Seine Rückkehr nach Berlin glich einer Flucht. Der Umweltminister glaubte, sich nach Berlin retten und auf Zeit spielen zu können. Zeit, die ihm Merkel nun versagt. Früher und entschiedener als bei den Fehltritten anderer Ex-Minister zog sie die Notbremse. Für Merkel‘sche Verhältnisse eine Blitzaktion. Am Mittwoch Nachmittag trat sie selbst vor die Presse, um wiederum ganz Merkel-like in knappen Worten den Ministerwechsel bekannt zu geben.

Kanzlerin Merkel blieb am Ende gar nichts anderes übrig, als sich von ihrem Umweltminister zu trennen. Denn in Nordrhein-Westfalen hatte Röttgen eine gespaltene Union hinterlassen. Viele Parteifreunde waren sauer auf den gescheiterten Spitzenkandidaten, auch deswegen, weil Röttgens Wahldesaster vielen in der NRW-CDU den Job gekostet hat. Der Druck aus Düsseldorf nahm zu. Den Rest erledigte Horst Seehofer. Spätestens als der CSU-Vorsitzende Röttgen in einem Fernsehinterview scharf angriff und damit ein Tabu brach, war es um Röttgens politische Zukunft geschehen.

Der letzte verlorene Kampf gegen Seehofer, einem Politiker alten Stils, zeigt auch: Mit Röttgen geht der Prototyp einer Politikergeneration, die vor allem durch Karrieregespür und inhaltliche Offenheit in Erscheinung trat. Ein Politikstil, der oftmals gerade an seinen vermeintlichen Vorzügen scheitert: In dem Versuch, es allen Recht zu machen, wenig Angriffsfläche zu bieten, politisch flexibel zu sein, und ein pragmatisches über ein normatives Politikverständnis zu stellen.

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So steht an Röttgens politischem Ende nicht mehr als ein kurzer Dank. Eine denkbar kurze Erklärung der Kanzlerin. Und die Erkenntnis, dass die Umsetzung der Energiewende Merkel zu wichtig ist, um sie dem angeschlagenen Röttgen zu überlassen. Schließlich hatte dieser in den letzten Wochen auch ihr Vertrauen verspielt. 

Das Umweltministerium und ihr Repräsentant sind für Merkel Schlüsselpositionen. Nicht nur um ihr Vorzeigeprojekt der Energiewende durchzupauken, sondern auch um ihre Machtoptionen im Hinblick auf die Bundestagswahlen 2013 zu erweitern. Röttgen stand für die Öffnung in Richtung Schwarz-Grün. Zumindest diesbezüglich steht der Nachfolger Peter Altmaier dem entlassenen Minister in nichts nach und er hat darüber hinaus den Vorteil, dass er sich gegenüber der Kanzlerin in den letzten Jahren immer absolut loyal verhalten hat.

 

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