„Der wunderbarste Ort von der Welt“: Goethe über den botanischen Garten von Palermo / dpa

Serenität des Südens - Europa liegt am Mittelmeer

Das Infrastrukturdebakel der Deutschen Bahn hat auch ein uneingeschränkt Gutes. Man ist mit dem Flieger schneller in Palermo als mit dem Zug in Paderborn. Höchste Zeit zum Umsteigen – und zum Umdenken.

Autoreninfo

Dr. phil. Dominik Pietzcker studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik. Von 1996 bis 2011 in leitender Funktion in der Kommunikationsbranche tätig, u.a. für die Europäische Kommission, diverse Bundesministerien und das Bundespräsidialamt. Seit 2012 Professur für Kommunikation an der Macromedia University of Applied Sciences, Hamburg. Er ist Visiting Scholar der Fudan University, Shanghai. Zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt „Was ist Schönheit? Eine kurze Geschichte der Ästhetik“ (Herder Verlag).

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Nördlich der Alpen hatte man schon immer viel zu arbeiten und wenig zu lachen. Hat das etwas mit dem protestantischen Ethos und dem Hang zur drakonischen Selbstdisziplinierung zu tun oder einfach nur mit schlechtem Wetter, schlechter Laune und der schlechten Regierung? Die notorische Freudlosigkeit der nördlichen Gefilde wird wohl niemals zur Gänze zu ergründen sein, fällt aber bei Reisen in den Süden Europas ganz besonders ins Auge. Mag auch dort (wie überall!) die Wirtschaft lahmen, die demographische Kurve nach unten zeigen und der Arbeitsmarkt sogar noch prekärer als hierzulande sein, dem Lebensgefühl mediterraner Leichtigkeit tut all dies keinen Abbruch. Der Süden ist in dem Sinne eine überlegene Zivilisationsform, als es ihm uneingeschränkt gelingt, Freude und Genuss aus Alltäglichem zu schöpfen – trotz aller Härten, Zwänge und Unwägbarkeiten.

Was macht den europäischen Süden so besonders? Der homerische Himmel, das überwältigende griechisch-römische Erbe, die berührende Schönheit der Landschaften und Küstenlinien oder die unprätentiöse Ausgewogenheit der Weine und Speisen? „Es ist der wunderbarste Ort von der Welt“, beschrieb Goethe in seiner „Italienischen Reise“ den botanischen Garten von Palermo. Auch Richard Wagner zeigte sich von der mediterranen Üppigkeit inspiriert. Klingsors paradiesischer Garten im „Parsifal“ zeugt von Wagners Aufenthalten im südlichen Italien. 

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Heidemarie Heim | Di., 15. Oktober 2024 - 17:23

Findet man nicht nur im uns nahen mediterranen Raum geehrter Herr Prof. Pietzcker! Gerade in noch wirtschaftlich viel weniger prosperierenden Gegenden begegnete mir diese Art übersprudelnder, fast kindlich unbekümmerter Lebensfreude für den Moment. Dieses ansteckende "Don`t worry, be happy"-Gefühl erlebten wir z.B. an allen Orten der Karibik wo sich Eroberer mit Indigenen und Nachfahren ehemaliger Sklaven zu einer ebenfalls bunten kulturellen Melange vermengte, die uns Nordeuropäer zuerst einmal ziemlich fremdeln lässt ob der Umstände außerhalb des auf Touristenlevel abgestimmten Urlaubsresorts und der eigenen gewohnten Komfortzone;) Doch verlässt man diese bzw. versucht man sich darauf einzulassen, am besten mit egal wo und wann betriebenen Hüftlockerungsübungen zu überall ertönenden Merengue-Klängen o. Gesängen;) bekommt man etwas Ahnung davon warum die Menschen dort trotz schwierigeren Lebensverhältnissen im Schnitt glücklicher o. zufriedener sind wie auch Umfragen bestätigen. MfG

Walter Bühler | Di., 15. Oktober 2024 - 18:26

... im Sinne Humboldts und die nie unterbrochene Präsenz von italienischer und spanischer Musik, Philosophie und Literatur in Deutschland entsprachen exakt einem sehr alten transnationalen Europa-Gedanken.

Er beruhte auf der antiken Prägung aller christlichen Konfessionen in Europa, sogar in den orthodoxen Nationen. Selbst in den dunklen Zeiten des Faschismus, als Mussolini, Hitler und Franco in Europa die Politik dominierten, wurde dieses Ideal weiter gepflegt.

Mit dem Absterben des Christentums geht heute auch die klassische Bildung dramatisch zurück.

Das europäische Zusammengehörigkeitsgefühl wird darum heute überwiegend vom Tourismus getragen. Obwohl er nicht mehr auf das alte Bildungsbürgertum beschränkt ist, wird er trotzdem zu gewissen Teilen immer noch vom alten gemeinsamen historischen Erbe bestimmt.

Die deutsche Politik muss aber (im nationalen Interesse!) damit aufhören, Bildung, Kultur, Wissenschaft und Technik immer weiter dem Niedergang und dem Zerfall zu überlassen.

Frank Klaus | Di., 15. Oktober 2024 - 23:10

Ich empfinde es als ziemlich anmaßend, die Schonheit Italiens und die Liebe vieler Deutscher zu diesem gesegneten Land hier moralisch und politisch zu missbrauchen.
Die größten Deutschen haben sich immer dadurch ausgezeichnet, dass sie Italien geschätzt und geliebt, aber daraus Kraft für ihre deutsche Kunst gezogen haben. Sie wurden sozusagen umso deutscher, je mehr sie Italien liebten.
Denn man kann nicht aus seiner Haut, es sei denn man ist ein charakterloser Heimatloser.
Auf Dauer ist ein Sizilianer im Ruhrgebiet genauso fehl am Platz wie ein Schwabe in Neapel.
Allerdings kehrt ein Deutscher heute ja nicht mehr in seine Heimat zurück, wenn er von einer Italienreise nach Deutschland zurückkehrt. Ein Deutschland ohne deutsche Bevölkerungsmehrheit und deutsche Mentalität, ein multikulturelles Deutschland ist für einen Deutschen in der Tat nicht mehr lebenswert. Dann doch lieber ins südlich-heitere Italien auswandern statt im islamisiert-aggresssiven Deutschland bleiben.

Hans Süßenguth-Großmann | Mi., 16. Oktober 2024 - 10:45

der Verfasser sagen,? Soll die EU von Brüssel nach Rom umziehen? Zur "Post Faschistin" Meloni? Ich habe unlängst Fellini Intervista gesehen. Es würde alles dramatischer, theatralischer werden, aber ob es zielgerichteter werden würde bezweifele ich.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 16. Oktober 2024 - 11:43

aber eben auch an der Ostsee.
Die Lateiner kennen auch das Wort "Severitas".
Schätzen wir uns glücklich, von allem etwas zu haben...
Nur weil die nördlichen Zivilisationen vielleicht ihre Blüte vor zehntausenden Jahren hatten, können sie heute doch noch beitragen.
Bin gespannt, was neben der "Donauzivilisation" noch alles ausgebuddelt wird...

S. Kaiser | Mi., 16. Oktober 2024 - 13:27

„Hat Europa also mehr zu bieten als eine orientierungslos absteigende Bundesrepublik?“
Natürlich hat es das.
Gott sei Dank hat es das.
Und das ist auch gut so.