Schon 2021 streikte die Virchow-Belegschaft für mehr Personal. Genützt hat es wenig / dpa

Erlebnisreiche Tage im Krankenhaus - Gesundheitspolitik von unten

Unser Genusskolumnist musste nach einem Unfall zwölf Tage in einem Krankenhaus verbringen. Das war keine schöne Zeit, aber der Erkenntnisgewinn über den Zustand des deutschen Gesundheitssystems hat ihn nachhaltig beeindruckt.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

So erreichen Sie Rainer Balcerowiak:

So was kann eben mal passieren. Ein heftiger Sturz, an dessen Zustandekommen man sich aufgrund einer kleinen Amnesie nicht mehr erinnern kann, und das Aufwachen in einem Rettungswagen der Feuerwehr, die mich in die Unfallstation eines Krankenhauses brachte. Starke Schmerzen, entsprechende Sedierung und die vor dem Wegdämmern noch registrierte Mitteilung, dass es sich um einen Oberschenkelhalsbruch handele und ich am nächsten Morgen operiert werde. Nur die stark blutende Kopfwunde werde man jetzt sofort nähen.

Dann irgendwie, irgendwo durch die Nacht gedämmert, schemenhaft den Besuch der Freundin registriert, am Morgen dann die OP besprochen, zu der auch die Einsetzung einer Hüftprothese gehörte. Nach der OP im Aufwachraum laut mehreren Zeugenaussagen ziemlich wirres Zeug erzählt und schließlich in ein Dreibettzimmer in der Unfallchirurgie des Rudolf-Virchow-Klinikums, einem Standort der berühmten Berliner Charité, verbracht und dort weiter untersucht und versorgt.

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar
  • Ohne Abo lesen
    Mit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte. Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

T Romain | Sa., 12. Oktober 2024 - 08:43

Einige Erfahrungen kann ich so bestätigen. Insbesondere, dass man dauernd wechselnden Ärzten gegenübersteht, die unterschiedliche Aussagen treffen. Auffällig: verscheidene Funktionen (Ärzte, Reha, Pflege, Logistik) sind schlecht aufeinander abgestimmt. Hatte auch den Eindruck, es wurden deutlich mehr Untersuchungen durchgefürt als notwendig. Die medizinische Qualität der Behandlung war allerdings tadellos.
Erfahrungen aus dem benachbarten Ausland zeigen, dass es auch anders geht. Dort sind die Krankenhäuser um Welten besser organisiert. Alles sehr effizient und geräuschlos.
Dass man in Deutschland Dinge besonders gut organisieren könne, ist im Gesundheiswesen nicht zu bestätigen, Im Gegenteil.

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 12. Oktober 2024 - 08:44

Herr Balcerowiak.
Da ich schnarche, mute ich mich ungern anderen Patienten zu, die mir aber auch nicht gerne.
Deshalb finanziere ich einen Ein-Bett-Zimmer-Klinikaufenthalt, solange ich es mir leisten kann, ja, plane ihn als Urlaub.
Dann muss man pro Nacht ca. 100 Euro? zuzahlen, wenn man keine Zusatzversicherung hat.
Krankenhäuser sollten salzarmes Essen anbieten, aber ansonsten mag ich Krankenhäuser sehr.
Es wird doch kein Schlaganfall gewesen sein?
Wie auch immer, vegetarische bis vegane Ernährung bietet sich jetzt vielleicht an?
Achten Sie auf sich, denn ab 60 Jahren betrachte ich Leben allgemein als Geschenk.
Für mich persönlich schon seit ich Anfang meiner dreissiger Jahre aus dem Koma erwachte.

Achim Koester | Sa., 12. Oktober 2024 - 08:44

Ich hatte letztes Jahr eine große Herz-OP (3-facher Bypass)im Klinikum Passau. Es begann mit einem Herzkatheter vom Chefarzt (!) der Gefäßabteilung, obwohl ich Kassenpatient bin. Dieser hat sofort eine OP veranlasst, die nach ca. einer Woche erfolgte. Grund war die hohe Auslastung des OP Teams. Die Schwestern auf der Station waren größtenteils Deutsche, die wenigen Ausländerinnen sprachen perfekt deutsch. Alle, inkl. der Stationsärzte waren sehr freundlich und zuvorkommend. Die Nachsorge im Klinikum von der Intensivstation über die Kardiologie war vom Feinsten, das Essen hervorragend (täglich 3 Gerichte zur Auswahl). Natürlich darf man kein *****Hotel erwarten, aber in einem solchen Zustand war es super. Keiner möchte gern ins Krankenhaus, aber unter diesen Umständen verliert es seinen Schrecken.

Brigitte Miller | Sa., 12. Oktober 2024 - 08:55

Sie haben mein ganzes Mitgefühl.
Weiter gute Besserung.

Dagmar Wehleit | Sa., 12. Oktober 2024 - 09:19

Vieles kommt mir bekannt vor als jemand der selbst ab und zu Patient war, vor allem aber durch die Betreuung meines Mannes vor einigen Jahren in zwei verschiedenen Kliniken, wobei übrigens im Hamburger UKE das Essen recht anständig war, in der Schönklinik in HH allerdings ähnlich übel wie Sie es beschreiben.
Ich bin allerdings ausgesprochen dankbar, dass mein Mann, der sehr ernsthaft erkrankt war und ein halbes Jahr in den beiden Häusern versorgt wurde, dort so gut wiederhergestellt wurde, wie wir es kaum zu hoffen gewagt hatten.
Ihnen, verehrter Herr Balcerowiak, wünsche ich baldige vollständige Genesung!

Walter Bühler | Sa., 12. Oktober 2024 - 09:41

... möglichst einen regenfreien Herbst. Herbstlaub ist nämlich eine weit unterschätzte Gefahrenquelle, jedenfalls in Berlin!

Ihre Erlebnisse im Krankenhaus passen nahtlos zu den Erfahrungen in meinem Umfeld.

Warum gibt es keine vernünftige Organisation der Krankenhäuser mehr?

Am Personalmangel alleine kann es nicht liegen, eher am modernen Führungsstil.
Zusätzlich hat sich meinem Eindruck nach die Auffassung von Arbeit gewandelt. Viele Mitarbeiter sind froh, wenn sie sich vor der leiblich-körperlichen Realität der kranken Menschen zum Computer oder zum Handy flüchten können.

Sicher, diese Fluchttendenz des Personals wird auch durch die aggressive Grundstimmung vieler Patienten verursacht. Der Ton ist - besonders in Berlin - gröber und unfreundlicher geworden. Allerdings findet sich eben auch fast immer ein realer Grund für Unzufriedenheit, so dass schnell ein circulus vitiosus beobachtet werden kann.

Wie kann man das ändern?

Helmut Bachmann | Sa., 12. Oktober 2024 - 10:26

Der Alltag in deutschen KHs. Und aus den beschriebenen Problemen ergeben sich oft auch gefährliche Behandlungsfehler und Unterlassungen. Gut, wenn man mündig bleibt und Freunde hat. Dann kann man Krankenhaus überleben.

S. Kaiser | Sa., 12. Oktober 2024 - 10:33

Den Terminus „ErNÄHRung“ in diesem Kontext zu nutzen ist nicht mal euphemistisch. Es spottet jeder Beschreibung. Es sind Kalorien in ihrer übelsten Darreichungsweise. Bei Junkfood wäre noch wenigstens ein „Spaßeffekt“ dabei, auch wenn sowas bei einem Genusskolumnisten verpönt ist und es einem im Krankenhaus sowieso nicht spaßig zumute ist. Klar.
Aber wenn das Genussempfinden sich wieder einstellt, werden Sie wissen, dass Sie auf dem Weg der Besserung sind.
In diesem Sinne: Gute Genesungswünsche an dieser Stelle!

CZ - Toníček | Sa., 12. Oktober 2024 - 12:00

. . . lobend hervorheben: Das Universitätsklinikum Dresden. Dort war ich zwei mal einquartiert und habe das Essen für gut befunden, ja nicht für: sehr gut, das wird sicher auch gar nicht möglich sein, es ist und bleibt eben eine Massenverpflegung, die irgendwo zubereitet wird und dann auf Rädern im gesamten Klinikum verteilt wird. Ich empfand die Qualität als gut, manchmal waren die Portionen nicht groß genug, man konnte es aber aushalten. Auch hatte man immer verschiedene Gerichte und Zutaten zur Auswahl.

Christoph Schnörr | Sa., 12. Oktober 2024 - 13:07

auch wegen des bitteren Nachgeschmacks.

Thomas Hechinger | Sa., 12. Oktober 2024 - 14:43

Lieber Herr Balcerowiak, ich möchte Ihnen zunächst alle guten Wünsche aussprechen, daß Sie bald wieder auf die Beine kommen und von den Unfallschäden nichts Bedeutsames zurückbleibt. Wir brauchen Sie hier beim „Cicero“ als Genußkolumnist, der mit seinen sehr persönlichen Kolumnen manchmal Zu- und oft auch Widerspruch erfährt.
Die gruseligen Erfahrungen bei Ihrem Krankenhausessen habe ich bei meinen nicht lange zurückliegenden Krankenhausaufenthalten in der nahe gelegenen Kreisstadt nicht gemacht. Das war natürlich auch kein Gourmet-Essen, aber immer anständig und genießbar. Charité! Welch klangvoller Name! Auch noch französisch! Das klingt nach Stil. Das klingt nach gehobenem Standard. Ach was! Vielleicht ist die Welt auf dem Land doch noch mehr in Ordnung als in der Stadt. Es steht mir nicht zu, Ihnen Ratschläge zu erteilen. Und deshalb tue ich das jetzt. Berlin ist doch eine Stadtinsel mit viel Land drum herum. Ziehen Sie aufs Land. Dort ist es auch nicht gut, aber viel besser.

Heidemarie Heim | Sa., 12. Oktober 2024 - 15:17

Erstmal alles Gute und viel Erfolg bei der Reha lieber Herr Balcerowiak. Bei neuer Hüfte fiel mir gleich meine Schwiegermutter ein, die bis ins hohe Alter nicht nur 5 Aktenordner voll Befunde, sondern zahlreiche klinische Aufenthalte und entsprechend viele "Ersatzteile;)" ihr eigen nannte. U.a. beide Hüften, eine wegen massiver Abnutzung, die andere nach Sturz, weshalb ich Sie zur Vorsicht mahnen möchte was den Genesungsprozess betrifft. Denn eine prothetische Versorgung eines durch Sturz hervorgerufenes Trauma so die Erfahrung, wäre was anderes als eine normal vorbereitete. Möchte Sie nicht ängstigen, aber gehen Sie es gemächlich an und folgen Ihrem eigenen Empfinden sowie Rhythmus und nicht einem Routineablauf oder irgend welchen Reha-Zielvorgaben. Gutes Gelingen! LG

Ingofrank | Sa., 12. Oktober 2024 - 15:28

Aus dem schönen Thüringer Land
Ich habe, auch wenn’s nur kurze Zeit war, Ihre Kolummne vermisst. Für mich immer ein Lichtblick im tristen Politi- Alltag.zum Wochenende.
Viele Grüße aus der Erfurter Republik

Sabine Lehmann | Sa., 12. Oktober 2024 - 16:23

Sie haben das trotz der widrigen Umstände richtig gut hinter sich gebracht, Respekt, Herr Balcerowiak. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie bald wieder herumspringen können wie ein junges Reh;-)
Und zu dem Klinik-Desaster versichere ich Ihnen, dass diese Zustände ganz Deutschland repräsentieren. Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen in den letzten 10 Jahren 2x für längere Zeit ins Krankenhaus zu müssen. Gottlob war das aber zu einer Zeit bevor der Gesundheitsnotstand in Germany in den letzten 7 Jahren nochmal so richtig Fahrt aufgenommen hat. Zudem bin ich privat krankenversichert, was mir den Aufenthalt in einem Dreibettzimmer erspart hat. Dennoch merkte ich auch während meines Aufenthaltes Tendenzen einer Unterversorgung mit zum Teil hanebüchenen Blutabnahmen von dilettantischen Anfängern, die nicht ein Wort deutsch sprachen. Englisch leider auch nicht, ob sie lesen u. schreiben konnten, ist nicht überliefert;-)
In diesem Sinne, gute Genesung, dass Alles wieder gut wird:):)

Rainer Mrochen | Sa., 12. Oktober 2024 - 16:30

Ich bin mir nicht sicher wofür ich sie zuerst bedauern muss bezüglich ihrer hoffentlich kompletten Genesung. Ist es das, Entschuldigung, (Fr)Essen das sie "geniessen" durften oder ihr Unfallschaden? Ok, der Unfallschaden wiegt eindeutig schwerer. Erlauben sie mir dennoch darauf hinzuweisen, daß ich Grüße an Karl Lauterbach mindesten für angemessen gehalten hätte aber egal. Hauptsache es geht mit ihnen aufwärts und berichten zukünftig wieder von ihren Genusserlebnissen.

Bernhard Homa | Sa., 12. Oktober 2024 - 16:45

Meinen Vorrednern schließe ich mich hinsichtlich der Genesungswünsche an. Bezüglich der im Artikel genannten Missstände ist aber auf die demnächst anstehende Abstimmung über das sog. "Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz " hinzuweisen. Dass dieses "Produkt" aus dem Hause Lauterbach irgendetwas an den bekannten Übeln wie Personalmangel, Bürokratismus und Kommerzialisierung im Gesundheitswesen ändern wird, darf angesichts der teilweise extrem kritischen Stellungnahmen - sogar von SPD-Landesministern - bezweifelt werden. CICERO: bitte unbedingt berichten, da geht es, womöglich für die nächsten Jahrzehnte, ums sprichwörtliche Ganze.