FPÖ-Spitzenkandidat Herbert Kickl / picture alliance

Nationalratswahlen in Österreich - Wieviel Höcke steckt in Kickl?

Die rechtspopulistische FPÖ unter Führung von Herbert Kickl könnte bei der anstehenden Nationalratswahl stärkste Partei werden. Vergleiche zwischen der FPÖ und der AfD drängen sich auf. Was verbindet diese Parteien?

Sebastian Enskat / KAS

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Sebastian Enskat (Foto KAS) leitet seit 2023 das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Österreich.

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Wer Herbert Kickl mit Björn Höcke vergleicht, muss in Österreich mit Widerspruch rechnen. Gleiches gilt für den Vergleich zwischen der AfD und ihrer rechtspopulistischen Schwester FPÖ, deren Vorsitzender – oder Obmann, wie es in Österreich heißt – Herbert Kickl ist. Tatsächlich gibt es offensichtliche Unterschiede zwischen beiden Parteien. 

Während die AfD und ihre Erfolge in Deutschland ein relativ neues Phänomen sind, war der Rechtspopulismus in Österreich mit Jörg Haider schon vor der Jahrtausendwende erfolgreich – so erfolgreich, dass es bereits im Jahr 2000 für eine Beteiligung seiner FPÖ an der Bundesregierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel reichte. Damals sorgte die Koalition aus Christdemokraten und Freiheitlichen noch europaweit für Aufregung, und Österreich stand eine Zeit lang weitgehend isoliert da. Dass die erste Koalition mit der FPÖ auf Bundesebene bereits 1983 von den österreichischen Sozialdemokraten geschmiedet wurde, interessierte dagegen schon damals niemanden mehr.

Zentrale Rolle des Bundespräsidenten

Heute, ein knappes Vierteljahrhundert nach Schüssel I, schickt sich die FPÖ mit Herbert Kickl an, zum ersten Mal überhaupt stärkste Partei bei einer Nationalratswahl zu werden. Schon bei der Europawahl im Juni landete sie österreichweit auf Platz eins, und auch in Umfragen für die Wahl am 29. September liegt die FPÖ seit Monaten vorn. Das Szenario einer von der FPÖ geführten Regierung unter Bundeskanzler Herbert Kickl ist insofern nicht ganz abwegig – aber ist es auch realistisch?

Bundeskanzler Karl Nehammer von der ÖVP, der seit 2021 gemeinsam mit den Grünen regiert, nennt Kickl „rechtsextrem“ und hat eine Koalition mit dem Vorsitzenden der FPÖ kategorisch ausgeschlossen – mit der FPÖ als Partei dagegen nicht. Dass der selbst für sozialdemokratische Verhältnisse sehr weit links stehende SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler ein Bündnis mit Kickl eingehen würde: kaum vorstellbar. Und ein rechnerisch ebenfalls mögliches Dreierbündnis aus FPÖ, Grünen und den liberalen Neos ist eben nur das: eine rein rechnerische Option.

Dass Kickl nach der Wahl Bundeskanzler wird, ist insofern nicht sehr wahrscheinlich, ausgeschlossen ist es nicht. Beobachter gehen davon aus, dass Österreich von Oktober an ein schwieriger und extrem langwieriger Regierungsbildungsprozess bevorsteht. Dabei kommt dem Bundespräsidenten, der im österreichischen System mit deutlich mehr Macht ausgestattet ist als im deutschen, eine zentrale Rolle zu. Bei der Regierungsbildung ist er allein Herr des Verfahrens. Er entscheidet frei, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt und zum Bundeskanzler ernennt. Vom Parlament gewählt werden muss der österreichische Bundeskanzler dagegen nicht.

Verfassungskrise mit ungewissem Ausgang

In der Praxis war es bisher üblich, den Vorsitzenden der stärksten Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen und bei erfolgreicher Partnersuche auch zum Bundeskanzler zu ernennen. Alexander van der Bellen, der das Amt des Bundespräsidenten seit 2017 ausübt, hat allerdings – bewusst oder unbewusst – mehrfach Zweifel gesät, ob er an dieser Praxis auch im Fall eines Wahlsiegs der FPÖ festhalten würde. Täte er es nicht, hätte dies unter Umständen eine ernste Verfassungskrise mit ungewissem Ausgang zur Folge.

Zu den Unwägbarkeiten der kommenden Monate zählt auch, dass die Protagonisten des Wahlkampfes von heute nicht zwingend auch die Protagonisten der Regierungsbildung von morgen sein müssen. Ein Ergebnis, das deutlich hinter den Erwartungen der jeweiligen Partei zurückbleibt, könnte an mehreren Stellen für wackelnde Stühle sorgen. Keineswegs ausgeschlossen also, dass Herbert Kickl im Oktober ganz anderen Verhandlungspartnern gegenübersitzt als jenen, die einer Zusammenarbeit bisher eine Absage erteilt haben.

Womit wir beim Vergleich zwischen österreichischen und deutschen Rechtspopulisten wären. Widerspruch zu diesem Vergleich wird in Österreich üblicherweise mit dem Verweis auf die Einstufung der AfD als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“, einzelner Landesverbände als „gesichert rechtsextrem“ begründet. Dass eine solche Einstufung für die FPÖ nicht existiert, hat allerdings bei genauerem Hinsehen mehr mit den Unterschieden in der Arbeitsweise des österreichischen und deutschen Verfassungsschutzes zu tun und weniger mit Unterschieden zwischen den beiden Parteien.

Das Ausmaß des Populismus

Eine von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Wien in Auftrag gegebene Studie zum Vergleich zwischen AfD und FPÖ kommt deshalb auch zu dem Ergebnis, dass die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Parteien deutlich größer sind als die Unterschiede. In den wiederkehrenden innerparteilichen Konflikten der jüngeren Vergangenheit haben sich hier wie da die jeweils radikaleren Akteure durchgesetzt.

Die Positionen beider Parteien zu Migration und EU sowie das Ausmaß des Populismus unterscheiden sich kaum, und beide Parteien nehmen innerhalb ihres Parteiensystems hierbei die jeweils radikalste Position ein. Beide Parteien zeigen eine offene Affinität für rechtsautoritäre Regierungen anderer Staaten sowie eindeutige personelle Überschneidungen mit dem rechtsextremen Milieu. Dort, wo Unterschiede im Hinblick auf Programmatik und Wählerstruktur zutage treten, sind sie in der Regel marginal und lassen sich wohl vor allem darauf zurückführen, dass es der FPÖ im Unterschied zur AfD gelungen ist, sich als weitgehend „normaler“ Akteur im österreichischen Parteiengefüge zu etablieren.

Paria-Dasein und Salonfähigkeit

Hier liegt denn auch der tatsächlich gravierende Unterschied zwischen Österreichs FPÖ und Deutschlands AfD: im gesellschaftlichen Umgang mit der jeweiligen Partei. Während die AfD in Deutschland bis heute ein Paria-Dasein fristet, ist die FPÖ in Österreich längst salonfähig geworden. Während die AfD trotz immer größerer Zustimmung an den Wahlurnen, vor allem im Osten Deutschlands, nach wie vor von jeder Regierungsbildung ausgeschlossen wird, kann die FPÖ auf mittlerweile jahrzehntelange Beteiligung an Landes- und Bundesregierungen zurückblicken. An all das, was im deutschen Diskurs rund um die AfD nach wie vor für helle Aufregung sorgt, hat man sich in Österreich weitgehend gewöhnt.

So unterschiedlich der österreichische Umgang mit der FPÖ im Vergleich zum deutschen Umgang mit der AfD ist, so ähnlich und damit ernüchternd ist das Ergebnis. Die Entdämonisierung der FPÖ hat jedenfalls genau so wenig zum Erfolg geführt wie die Dämonisierung der AfD. Im fortwährenden Streit um den richtigen Umgang mit der rechtspopulistischen Herausforderung liefern deshalb weder das deutsche noch das österreichische Beispiel ein Patentrezept. Beide Fallbeispiele zeigen jedoch, dass Parteien wie FPÖ und AfD mit unterkomplexen Strategien wie Einbindung oder Ausgrenzung allein nicht beizukommen ist.

Die im Text erwähnte Studie „Nicht gleich, aber sehr ähnlich! Die Alternative für Deutschland (AfD) und die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ): Gemeinsamkeiten und Unterschiede zweier rechtspopulistischer Parteien“ wurde vom Autorenteam Dr. Eric Miklin, Dr. Martin Dolezal und Prof. Dr. Reinhard Heinisch (PhD) von der Universität Salzburg im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung Wien verfasst.

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Christa Wallau | Mi., 25. September 2024 - 12:54

indem man als Konkurrenzpartei vernünftige Politik macht!

Gott-sei-Dank haben sowohl in Deutschland als auch in Österreich (trotz jahrzehntelanger links-grüner Propaganda in den öffentlich-rechtlichen Medien!) immer noch viel Menschen ihren gesunden Menschenverstand nicht verloren und verlangen daher von jeder Regierung Maßnahmen, die in erster Linie den Bürgern des Landes dienen - ihrer Sicherheit und ihrem Wohlergehen - und nicht irgendwelchen Weltrettungsprogrammen.

unterkomplexe Version einer Lösung. Die komplexen Versionen kennen scheinbar nur die Problemverursacher, die bewirken aber immer nur das Gegenteil. Ich möchte gar nicht daran denken, wenn nächstes Jahr der Favorit von Enskat die komplexen Problemlösungen in Angriff nimmt. Kein Licht am Ende des Bohrloches, wo soll es auch herkommen?

Albert Schultheis | Mi., 25. September 2024 - 13:21

Sie werfen wie selbstverständlich mit Begriffen wie "Populismus" und "rechtsautoritäre" Regierungen um sich. Könnten Sie gnädigst die Güte haben, diese Begriffe einmal für uns zu definieren, damit wir verstehen, wovon Sie reden! Bzw nennen Sie uns doch einmal ein paar Beispiele für "rechtsautoritäre" Regierungen, an die Sie gerade so denken!
Im Übrigen, sind Sie nicht auch der Meinung, dass man die Unabhängigkeit und Aufrichtigkeit von Inlandsgeheimdiensten und Verfassungsgerichten in Deutschland bezügl ihrer Zuschreibungen als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ bzw als „gesichert rechtsextrem“ zumindest in Teilen in Zweifel ziehen müsste - zumal mit unserem nationalen Erbe mit Stasi und Gestapo? Bin gespannt auf Ihre Antwort.

Tomas Poth | Mi., 25. September 2024 - 14:40

Antwort auf von Albert Schultheis

Ähnlich wie Sie schreiben dachte ich auch, Hr. Schultheis.
Das Altsystem definiert und legt fest was unter den Begriffen zu verstehen sei. Damit wird es ein Selbstgänger, den alle übernehmen, ohne über die wirklichen Inhalte zu sprechen. Echte Inhaltsdiskussion über die Begriffe würden die vom Altsystem insinuierten Bedeutungen entlarven, und das ist nicht gewollt.

Enka Hein | Mi., 25. September 2024 - 16:15

Antwort auf von Albert Schultheis

...und der Autor diskreditiert sich dadurch selbst.
Jeder Depp musste mittlerweile mitbekommen haben, das VS, Verfassungsgerichte etc. der politischen Führung unterliegen.
Bin Mal gespannt wenn die politische Landschaft sich Mal gedreht hat, dann sind Linke und Grüne auch "Verdachtsfälle", obwohl sie das schon heute sein müssten.
Aber DDR 2.0 lässt grüssen.
Apropos Antwort. Die werden Sie nicht bekommen und wenn dann mehr als schwammig.
Aber was soll man erwarten?
Ein bezahlter Mitarbeiter der KAS berichtet über den politischen Gegner.
Cui bono.
Der Autor war von Anfang an durchschaubar.
Der Artikel hätte als Werbung deklariert werden müssen.
Da lobe ich mir die Artikel des Herrn Brodtkorb.
Trotz SPD immer auch selbstkritisch.

Armin Latell | Mi., 25. September 2024 - 13:39

oder auch linker Populismus, geht kaum noch. Es zehrt wirklich an den Nerven, solch einen hanebüchenen Sermon lesen zu müssen, noch dazu (oder erst Recht?) von einem Saulus der cdu, einem Vartaklatschhasen, der mit dafür verantwortlich ist, in welchem Drecksloch dieses Land jetzt steckt und auch wohl nie mehr herauskommen wird. Ich hoffe, dass in Kickl mindestens soviel Höcke steckt wie in Höcke selbst. Die unterkomplexen Strategien der cdu werden ganz sicher kein Problem lösen, schließlich ist dieser Merkelverein mit all seinen vielen Enskats ja deren Ursache. Schlussendlich bin ich es leid, hier immer nur und ausschließlich das Ejakulat von solchen Schwallbacken präsentiert zu bekommen. Dass der Cicero viel besser kann, hat er oft genug bewiesen. Bei wenigstens neutralen Artikeln über eine von Vielen gewählte Partei bis heute aber noch nicht und wird es wohl auch nie. Die Linie Marguier darf wohl nicht unterschritten werden.

Ronald Lehmann | Mi., 25. September 2024 - 13:51

Höcke ist Höcke
& Österreich ist Österreich

zumal auch bei Freunden ich sehr laut geworden bin

weil wie bei Wahlen immer diejenigen am meisten den Schnabel aufreißen

die sich am ALLER WENIGSTEN
zu dem GESAGTEN Thema beschäftigt haben

oder noch schlimmer
> das wurde im ÖR Fernsehen gesagt/gebracht 🤣😭😠😤

Hans Jürgen Wienroth | Mi., 25. September 2024 - 13:59

Im Interview mit Michael Fleischhacker bei Servus-TV hat Herbert Kickl den Interviewer gefragt, wie sich „Rechtsextrem“ definiert und hat ihm eine (Definition) angeboten, der dieser nicht widersprach. Die Punkte waren: Aufheben der Demokratie sowie der Gewaltenteilung, Gewalt als legitimes Mittel und rassistische Grundkonzepte. Danach, so Kickl, wäre auch M. Sellner kein Rechtsextremist, weil er keine dieser Forderungen aufgestellt hat.

Ich kenne auch von der AfD keine diesbezügliche Äußerung. Was ich feststelle, ist eine Aufhebung aller demokratischen „Verabredungen“ durch die sog. „demokratischen Parteien“. Wenn der Grüne Herr van der Bellen hier seine Ankündigung von 2017 wahrmacht (ich werde nie einen FPÖ-Mann mit der Regierungsbildung beauftragen), dann zeigt das sein Demokratieverständnis.

Die FPÖ hat den Vorteil, dass es in Österreich keine Brandmauer gibt, die Partei in der normalen medialen Berichterstattung auch erscheint, anders als die AfD.

Kai Hügle | Mi., 25. September 2024 - 16:03

Mich hätte schon interessiert, wie Ihrer Ansicht nach eine komplexe und zielführende Strategie bezüglich des Umgangs mit Parteien wie der AfD und der FPÖ aussehen könnte.
Auch über die Person Kickl erfährt man in Ihrem Beitrag sehr wenig: Studienabbrecher, dann Parteisoldat, später Skandal belasteter Amtsträger. Praktische berufliche Erfahrung: Fehlanzeige.
Hier drei Zitate, zwei von Kickl, eines von Hitler. Die Ciceronen können ja mal versuchen zuzuordnen.

"Ich freu mich auf den Tag des Sieges, der Sieg wird uns gehören" – "Das ist unser unbeugsamer Wille, den man nicht brechen kann."

"In den Geschichtsbüchern wird einmal stehen, das Abstreifen der Ketten habe am 13. Jänner in Graz in der Schwarzlhalle begonnen."

"Unser fester, unbeugsamer Wille, das ist unsere Waffe. Unsere Waffe in dem Kampf, der einst die Ketten bricht."

Beleg und Auflösung hier:

https://www.derstandard.de/story/3000000203911/systemparteien-volksverr…

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