Wenn man Glück hat, findet man sein Paket vielleicht irgendwo im Hausflur / dpa

Skurriles aus der deutschen Servicewüste - Wenn der Postmann nicht mehr klingelt

Seit Mitte August freut sich unser Genusskolumnist auf zwei Probeflaschen eines ganz besonderen Moselweins. Erhalten hat er sie noch immer nicht, obwohl sie schon mehrere Male auf dem Weg waren.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

So erreichen Sie Rainer Balcerowiak:

Ich muss mich wohl damit abfinden, dumm zu sterben. Naja, dumm vielleicht nicht, aber zumindest wird es mir wohl nicht vergönnt sein, einen sehr interessanten Wein zu verkosten. Weil es im laut Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier „besten Deutschland, das es jemals gegeben hat“, offenbar ein Ding der Unmöglichkeit ist, zwei Flaschen Wein von der Mosel nach Berlin zu schicken. Also abzuschicken schon, aber eben nicht so, dass sie tatsächlich ankommen.

„Annahme verweigert“ – frei erfunden

Mitte August stellte ein renommiertes Mosel-Weingut, das vor allem für seine großartigen Rieslinge bekannt ist, bei Facebook einen Wein vor, der mein besonderes Interesse weckte. Einen knochentrockenen Elbling (0,1g Restzucker pro Liter), mit knackiger Säure, nur 9,5% Alkohol, unfiltriert, ungeschwefelt. Klingt sehr spannend, dachte ich mir, und bat den Winzer am 13. August um zwei Probeflaschen, eine „für die Terrasse am Sommerabend“ und eine als Begleitung für ein passendes Gericht. Kein Problem, schicken wir morgen gleich raus, lautete die Antwort.

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar
  • Ohne Abo lesen
    Mit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte. Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Achim Koester | Sa., 21. September 2024 - 09:12

arbeiten bekanntermaßen bei den Paketdiensten. Dass darunter eine gewisse Anzahl Analphabeten sind, die die Adresse nicht lesen können, halte ich zwar für ein Gerücht, aber sehr viel höher scheint deren Qualifikation nicht zu sein. In der Tat ist da das halbstaatliche Unternehmen wohl um Einiges besser, zumindest in meiner Region ist der Briefträger ein Deutscher, der lesen und schreiben kann. Dazu muss ich allerdings sagen, dass ich nicht in Berlin wohne.

Thomas Hechinger | Sa., 21. September 2024 - 09:54

Tipp, Herr Balcerowiak: Gehen Sie zum nächsten Edeka und kaufen Sie sich einen Roten. Sie bekommen dort alles, solange Sie nicht auf blauen Beeren bestehen. Oder Sie gehen zum Aldi. Für 2,98 € habe ich dort einen Spanier mit wunderschönem Etikett gesehen. Auch bei Penny gibt es jetzt melonenroten Wein im Sonderangebot aus Israel. Und ganz unter uns – ich muß Ihnen das jetzt mal direkt sagen, Sie sind mir sicher nicht böse, und es kriegt auch sonst keiner mit: Dieses ganze Weingetue: Verköstigung, Weinprobe, Edelwinzer – das ist nur was für alte weiße Männer, die immer noch nicht verstanden haben, worum es geht. Ein Wein für alle. Das ist Demokratie! Und jetzt hurtig zum Rewe. Dort habe ich gelesen: Dornfelder, nur vorübergehend im Sortiment. Also gleich zugreifen, bevor er alle ist!

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 21. September 2024 - 10:09

In Ihrem Haus gibt es einen Fahrstuhl und sie wohnen wohl auch nicht im Hinterhaus.
Ich bin darauf angewiesen, dass man mich versteht und mir mittlerweile die Pakete nach oben bringt.
Ich vergüte das gerne.
Es gab sehr freundliche Zusteller bei allen Firmen, aber auch einige Missverständnisse.
Mittlerweile mag ich nicht mehr bestellen.
Ich erfreue mich an den schönen Dingen in Katalogen, lasse das sacken und begnüge mich mit dem Anblick oder weiche auf Packstationen aus, also Hilfe meiner Kinder.
Ich renne bei Ihnen sicher offene Türen ein, wenn ich vermute, dass die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung unserer Zusteller so mies sind, dass ich in gewisser Weise nicht viel anderes erwarten kann.
Freundliche Grüße

Chris Groll | Sa., 21. September 2024 - 10:40

Herr Balcerowiak, mit diesem Artikel haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen.
Während der Coronazeit durften wir in vielen Geschäften nicht einkaufen und haben aus diesem Grund vieles im Internet bestellt.
Ich weiß nicht, ob es sich bei dem Paketdienst, der unsere Ware zustellen sollte, um den gleichen Dienstleister handelt, den Sie hier nennen (es ist die Nr. 2 auf dem deutschen Markt) aber vieles von dem, was Sie hier beschreiben, kann ich nur bestätigen, bis hin zu gefälschten Unterschriften.
Leider ist Deutschland wirklich zu einer Servicewüste verkommen.

Armin Latell | Sa., 21. September 2024 - 14:32

wo ist das Problem? Wein nicht zugestellt? Im besten Deutschland ever brechen Brücken einfach zusammen. So was nenne ich ein Problem. Ihre Erfahrung machen viele andere auch. Konsequenzen? Keine. Vielleicht können demnächst ehemalige VW Mitarbeiter solch einen verantwortungsvollen Job übernehmen. Machen Sie es sich also so bequem wie möglich im 3. Welt Land Dummland. Die besten Deutschen ever, mit der besten Haltung und der korrektesten Meinung, wollen das so. Akzeptieren Sie das doch endlich!

Sabine Lehmann | Sa., 21. September 2024 - 17:18

Dass überhaupt noch jemand kommt, um irgendwas zu bringen, ist ja schon mal von Vorteil, Herr Balcerowiak. Bei uns kommt manchmal die ganze Woche niemand vorbei, leere Briefkästen keine Pakete, nichts. Dann beschwert man sich, dann passiert wieder nichts, und irgendwann kommt dann mal jemand vorbei. Ich habe kürzlich sogar mal in einer Stuntman-Aktion den Postwagen auf offener Straße gestoppt, weil er immer wieder am Haus vorbeifuhr ohne auch nur ein Mal anzuhalten. Die Konversation war auf "Wieviel Uhr ist es? Mittwoch."-Niveau.
Von daher, das ist das beste Deutschland, das wir je hatten. Läuft für uns.